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Am 7. September 2021 hat der Gesetzgeber die virtuelle Hauptversammlung nach Corona nochmals bis zum 31. August 2022 verlängert. Sofern keine weitere Verlängerung erfolgt, sind Gesellschaften ab September 2022 wieder verpflichtet, für jedes Geschäftsjahr, in Sondersituationen bzw. auf Verlangen einer Aktionärsminderheit eine Präsenz-Hauptversammlung abzuhalten. Allerdings dürfte die Erwartung, dass bis September 2022 das Coronavirus besiegt ist und somit keinerlei öffentlich-rechtliche Versammlungsbeschränkungen mehr vorliegen, wohl etwas zu optimistisch – um nicht zu sagen: naiv – sein.

Anknüpfend an die Erfahrungen der wenigen Präsenzveranstaltungen in den letzten Jahren und aufsetzend auf bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen sollen nachfolgend Ideen aufgezeigt werden, die sowohl eine rechtssichere Präsenz-Hauptversammlung als auch eine weitgehende Teilhabe derjenigen Aktionäre ermöglichen könnten, die nicht präsent teilnehmen wollen oder können.

Hygienemaßnahmen und ihre Umsetzung

Vor der Pandemie waren dicht gedrängte Scharen von Aktionären am Zugang zur Hauptversammlung und insbesondere zum Buffet normal. Maskenlos und im Gesicht unverhüllt wälzte sich die träge Erhebliche, aber zu bewältigende Herausforderungen Aktionärsmasse und atmete, hustete und nieste in die ungefilterte Luft. Desinfektionsmittel waren ebenso unbekannt wie Einmalhandschuhe oder Plexiglasscheiben.

Eine Versammlung wie vor drei Jahren, ohne jede Form von Hygienemaßnahmen, erscheint heute fahrlässig – so sehr haben wir uns bereits an Masken, Abstände und andere Hygienemaßnahmen gewöhnt.

Dies sollte sich nun auch in der Präsenz-Hauptversammlung ab September 2022 fortsetzen: Größere Räumlichkeiten für vergleichsweise wenige Aktionäre, Abstandsmarkierungen, Plexiglaswände an Zugangsschaltern und am Rednerpult, Maskenpflicht auf den Gängen, Luftreiniger, Desinfektionsmittel, verpacktes Catering sind Hygienemaßnahmen, die Messebetreiber und Kongresshotels mittlerweile standardmäßig im Angebot haben.

Darüber hinaus erscheint wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber die 3G- bzw. vermutlich eher 2G-Regeln auch auf Hauptversammlungen anwendet. Ob man in diesem Rahmen z.B. die Rechtsprechung zu Sicherheitskontrollen auf die aktienrechtliche Zulässigkeit von solchen Zugangsbeschränkungen übertragen kann, erscheint zumindest fraglich. Jedenfalls wird die Ausführung in der Praxis recht aufwendig. Zum aktienrechtlichen Zugangsverfahren tritt dann noch die Kontrolle des Impfstatus bzw. eines entsprechenden Testzertifikats.

Hieraus ergeben sich zwei Folgerungen.

Erstens: Da der zeitliche Aufwand im Prinzip fast doppelt so hoch sein dürfte, sollten die Aktionäre bereits in der Einberufung auf die Kontrollen hingewiesen und auch gebeten werden, etwas früher zu erscheinen, bzw. der Zeitraum zwischen Öffnung des HV-Lokals und der Eröffnung der Versammlung sollte erheblich komfortabler bestimmt werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Zweitens: Es ist durchaus damit zu rechnen, dass einige Aktionäre den Nachweis nicht erbringen können; daher sollte bereits am Zugang eine Möglichkeit zur Stimmrechtsvertretung organisiert werden, um diesen Aktionären zumindest die Stimmabgabe zu ermöglichen. Soweit nach den dann einschlägigen Regularien zulässig, könnten auch Schnelltests am Zugang eine persönliche Teilnahme ungeimpfter Aktionäre ermöglichen.

Verringerung der Anzahl der anwesenden Aktionäre durch optionale Onlineelemente

Bei der Umsetzung der virtuellen Hauptversammlung nach COMVG ist ein wenig aus dem Blick geraten, dass es bereits vor der Pandemie einige Onlineelemente gab, die zwar keine echte Teilnahme vermittelten, jedoch denjenigen Aktionären, die nicht teilnehmen wollen oder können, ein gewisses Aliud zur persönlichen HV-Teilnahme bieten können. Werden diese Elemente offensiv beworben, so könnten sich hiermit die Präsenzteilnehmerzahlen durchaus verringern lassen, was die oben genannten Hygienemaßnahmen erleichtert.

Übertragung der Hauptversammlung

In den meisten Satzungen von größeren Publikumsgesellschaften ist die Übertragung der Hauptversammlung ins Internet nach § 118 Abs. 4 AktG längst zugelassen, und zwar für die gesamte Veranstaltung und meist auch in die breite Öffentlichkeit. Vor der Pandemie eher zurückhaltend genutzt, besteht jedoch zwischen dieser Übertragung und derjenigen zur virtuellen Hauptversammlung nach COMVG kein wirklicher Unterschied. Es spricht nichts dagegen, die Präsenz-Hauptversammlung auf diesem Wege zu übertragen.

Stimmrechtsvertretung durch Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft

Zwar bedarf es für die Briefwahl einer Satzungsregelung – für die Stimmrechtsvertretung durch Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft hingegen nicht. Nachdem auch das frühere Schriftformerfordernis für Vollmachten schon geraume Zeit dem Textformerfordernis gewichen ist, § 134 Abs. 3 Satz 3 AktG, bestehen keine Bedenken, eine elektronische Stimmrechtsvertretung durch Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft bis hin zur Abstimmung anzubieten.

Frequently Asked Questions

Zum stark eingeschränkten Fragerecht des COMVG findet sich in der aktuellen Gesetzeslandschaft keine echte Entsprechung. Jedoch statuiert § 130 Abs. 3 Ziff. 7 AktG schon seit geraumer Zeit ein Auskunftsverweigerungsrecht, wenn sich die Antwort auf die Frage seit mehr als sieben Tagen vor der Hauptversammlung auf der Homepage der Gesellschaft findet. Nun ist dieser Zeitraum viel zu lange, um einem Online-Fragerecht in der Hauptversammlung nahezukommen. Allerdings gibt es auch keine Norm, die ein freiwilliges Online-Fragesystem im unmittelbaren Vorlauf zur Hauptversammlung untersagt. Natürlich besteht ein absoluter Vorrang der unmittelbar in der Hauptversammlung gestellten Fragen, und äußerst fragefreudige Aktionäre in der Hauptversammlung könnten die Online-Fragesteller auch an den Rand drängen.

Es könnte aber durchaus einen Versuch wert sein, entweder Online-Fragen freiwillig mündlich in der dann zu übertragenden Versammlung zu beantworten oder gleich schriftlich eingereichte Fragen ebenso schriftlich über die Internetseite der Gesellschaft. Wenn diese dann dort verfügbar bleiben, besteht auch keine Gefahr, dass diese Informationen in der nächsten Hauptversammlung abgefragt werden, um die Veranstaltung zu verlängern, da hier in jedem Fall das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 130 Abs. 3 Ziff. 7 AktG zum Tragen käme.

Fazit

Die Präsenz-Hauptversammlung ab Herbst 2022 dürfte – falls die virtuelle Hauptversammlung nach COMVG nicht nochmals verlängert wird – die Gesellschaften vor erhebliche, jedoch durchaus bewältigbare Herausforderungen stellen. Neben den üblichen Hygienemaßnahmen könnten auch Teilnahmebeschränkungen in Betracht kommen, die naturgemäß Rechtsunsicherheiten auslösen. Die bereits vor der Pandemie bestehenden Möglichkeiten der Virtualisierung können – sofern sie aktionärsfreundlich umgesetzt werden – dazu beitragen, die Anzahl der vor Ort präsenten Aktionäre zu verkleinern.

Autor/Autorin

Gastautor Matthias Höreth
Matthias Höreth

Matthias Höreth ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Hauptversammlung.