Mit dem Trend zu Digitalisierung und Cloud-Computing will eines der ältesten Linux-Unternehmen zweistellig wachsen. Der für Mitte Mai geplante Börsengang von SUSE soll bis zu 1,4 Mrd. EUR einspielen. Dem Unternehmen fließen dann bis zu 600 Mio. EUR zu – um seine hohen Schulden zu reduzieren.

Zum Angebot von bis zu 41,1 Mio. Aktien gehören 18,7 Mio. neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung und 14,2 Mio. Wertpapiere, die vom Eigentümer EQT gehalten werden. Zudem sind Aufstockung und Mehrzuteilung von bis zu 8,2 Mio. Wertpapieren aus dem Bestand der Gesellschafter möglich. Die Preisspanne liegt zwischen 29 und 34 EUR.

Der endgültige Preis werde am Ende des Bookbuilding festgelegt. Die Zeichnungsfrist läuft bis zum 17. Mai. Zwei Tage später soll die Aktie erstmals im Prime Standard der Frankfurter Börse gehandelt werden. EQT will einen Lock-up von 180 Tagen ab der Erstnotiz einhalten.

Am unteren Ende der Spanne läge das IPO mit 954 Mio. EUR Emissionsvolumen knapp unter der Milliardenschwelle. Schöpft EQT die Emission voll aus, könnten es 1,4 Mrd. EUR sein.

Von den neuen Finanzmitteln sollen zwischen 500 und 600 Mio. EUR in das Unternehmen fließen. Dieses wäre an der Börse zwischen 4,9 und 6,4 Mrd. EUR wert. Alteigentümer EQT wird ebenfalls Kasse machen, man erwarte Bruttoerlöse zwischen 400 und 500 Mio. EUR. Die schwedische Private-Equity-Firma wolle dem Softwarehaus jedoch auch in Zukunft als größter Aktionär zur Seite stehen. Zwischen 21,2 und 26,5% des in Luxemburg registrierten Unternehmens könnten nach dem IPO im Streubesitz sein.

Unternehmen

SUSE ist die Abkürzung für Software und System-Entwicklung – das Geschäftsmodell beruht auf dem Open-Source-Prinzip. Das 1992 gegründete Nürnberger Unternehmen hat sich vor allem auf das Angebot von Linux-Betriebssystemen, Container-Management und sog. Edge-Software spezialisiert. Trotz der offenen Codes sind die Geschäfte margenstark: „Konzerne können nicht einfach Software aus dem Netz herunterladen und in unternehmenskritischen Systemen einsetzen“, erklärt CEO Melissa Di Donato. Ihre Mitarbeiter prüfen und zertifizieren sie, sorgen dafür, dass die Programme bei den Kunden funktionieren und aktualisiert werden.

Melissa Di Donato

Mittlerweile zählt SUSE mit seinen fast 2.000 Mitarbeitern zu den großen Playern bei Open-Source-Software. Mehr als die Hälfte der 500 umsatzstärksten Konzerne weltweit setzt nach eigenen Angaben auf SUSEs Linux-Betriebssystem. Vor zwei Jahren erwarb der schwedische Finanzinvestor EQT das Open-Source-Unternehmen für 2,15 Mrd. EUR.

Märkte

Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Big Data, Cloud-Anwendungen und dem Internet of Things kann SUSE mit steigender Nachfrage nach Linux-Betriebssystemen und dem Einsatz von Containern rechnen. Außerdem verlangen Unternehmen mehr Flexibilität, wenn es darum gehe, ob Anwendungen über die Datenwolke, auf Rechnern installierte Software oder über Mischformen abgerufen werden. Laut EQT könnte der Markt in den nächsten drei Jahren um 17% auf 34 Mrd. USD wachsen. SUSE will davon überdurchschnittlich profitieren – steht aber in harter Konkurrenz zu vielen kleineren Anbietern und dem größten Open-Source-Anbieter Red Hat aus den USA.

Geschäftszahlen

Der Nürnberger Software-Anbieter konnte im letzten Geschäftsjahr 2019/20 seinen Kundenstamm stark ausbauen, die Aufträge sind in allen Bereichen zweistellig gewachsen. Insgesamt kletterte der bereinigte Umsatz um 17% auf 502,8 Mio. USD. Der Jahresfehlbetrag ging von minus 80,8 Mio. auf minus 51,6 Mio. USD zurück. Dieser Aufschwung setzte sich im ersten Quartal 2021 fort: Die bereinigten Erlöse kletterten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 17% auf 134,1 Mio. USD. Der Nettoverlust war mit minus 23 Mio. USD etwa so hoch wie im Vorjahreszeitraum.

SUSE S.A. – Zahlen und Bewertung
2019 2020 2021e 2022e
Umsatz *) 1) 246 447 570 684
Nettoergebnis *) 1) -80,8 -51,6 -20,3 -5,5
EpS 1) -0,43 -0,28 -0,11 -0,03
KGV min. neg. neg. neg. neg.
KGV max. neg. neg. neg. neg.
*) in Mio. USD
1) konsolidiert
Quelle: GoingPublic Research

Die Nettoverschuldung stieg indes von 895,5 Mio. USD (Ende Oktober 2020) auf 1,259 Mrd. USD (Ende Januar 2021). Über Geschäftszahlen vor 2019 gibt das Unternehmen auch auf Anfrage von GoingPublic keine Auskunft. 2021 will SUSE ein bereinigtes Cash-EBITDA von 245 bis 265 Mio. USD erzielen. Die bereinigten Umsätze sollen zwischen 550 und 570 Mio. USD liegen.

Pandemie-Gewinner

Der Corona-bedingte Trend zur Digitalisierung hat bei SUSE für einen zusätzlichen Schub gesorgt. In Zeiten, in denen sich neue Technologien rasant entwickeln, sind Software-Anwendungen, deren Quelltexte wie bei Linux öffentlich zugänglich und nicht durch Patente geschützt sind, gut geeignet, Neuerungen schnell zu integrieren. Der Marktanteil von Linux am Desktop ist allerdings mit 2 bis 3% weiterhin recht überschaubar.

Zudem profitiert der Software-Anbieter von seiner neuen Chefin: Seit Mitte 2019 ist die ehemalige Chief Operating Officer und Chief Revenue Officer von SAP bei SUSE. Vorher arbeitete Di Donato schon bei IT-Riesen wie IBM, Oracle und Salesforce. Unter ihrer Führung hat Suse sein Geschäftsmodell weiter ausgebaut. Im Dezember 2020 wurde das US-Open-Source-Unternehmen Rancher Labs übernommen, das auf Container-Management – die leichtere Verarbeitung von Daten in der Cloud – spezialisiert ist. Di Donato ist auch die erste Frau in Deutschland, die einen Milliardenkonzern an die Börse bringt.

Mittelverwendung

„Der geplante Börsengang gibt uns die strategische und finanzielle Flexibilität, mit der wir unsere langfristige Unabhängigkeit sichern können“, erläutert Di Donato. Mit dem Börsengang will SUSE sein zweitstelliges Wachstum fortsetzen und weitere Zukäufe anvisieren. Der Emissionserlös fließt aber hauptsächlich in den Schuldenabbau. Die Verbindlichkeiten sollen auf das 3,25fache des operativen Ergebnisses zum bereinigten Cash-EBITDA sinken – das wären etwa 600 Mio. EUR. Zudem ist ein Beteiligungsprogramm für Mitarbeiter geplant. „Die Resonanz der Investoren ist sehr positiv“, betont Di Donato. Zwei Ankeraktionäre wollen bereits Aktien für bis zu 360 Mio. EUR zeichnen: der US-Investor Capital Research und der singapurische Staatsfonds GIC.

Stärken und Schwächen

+ Aufschwung durch Corona-Krise
+ gute Wachstumsaussichten
+ erfahrenes Management

– starker Wettbewerbsdruck
– Belastung durch Altschulden
– wenig Geschäftszahlen veröffentlicht

Fazit

SUSE gelang im vergangenen Jahr ein überraschender Aufwärtstrend. Das IPO sollte das aktuelle Wachstum fortsetzen und beschleunigen. Durch Investitionen und Zinszahlungen schreibt das Unternehmen unter dem Strich allerdings noch tiefrote Zahlen. Digitale Technologien und die Transformation der Unternehmen könnten dafür sorgen, dass die Auftragslage in den nächsten Jahren hoch bleibt. Doch muss SUSE noch unter Beweis stellen, dass die Sonderkonjunktur durch Corona keine Eintagsfliege war. Mit bis zu 5,7 Mrd. EUR sind die Nürnberger gegenüber ihrer vorherigen Bewertung relativ hoch bepreist. Konzerne aus der Peergroup wie Red Hat oder Oracle spielen in einer höheren Liga. Der deutsche Software-Player TeamViewer war bei seinem IPO im September 2019 5,25 Mrd. EUR wert. Anleger sollten nur in der unteren Hälfte der Preisspanne eine Zeichnung in Erwägung ziehen. Die Aktie ist letztlich eine Wette darauf, ob es der charismatischen Vorstandschefin Di Donato gelingen wird, SUSE dauerhaft auf zweistelligen Wachstumskurs zu halten – und irgendwann auch profitabel.

Fotos: @SUSE S.A.

SUSE S.A. – Angebotsübersicht Emissionsparameter
WKN SUSE5A
Zeichnungsfrist 6.bis 17 Mai
Erstnotiz   voraussichtlich 19. Mai
Preisspanne 29 bis 34 EUR
MarketCap  4,9 bis 6,4 Mrd. EUR
Marktsegment Frankfurt/Main (Prime Standard)
Emissionsprospekt ja
Emissionsvolumen 0,95 bis 1,4 Mrd. EUR (inkl. Upsize und Greenshoe)
Konsortium BofA Securities, Morgan Stanley (Joint Global Coordinator, Joint Bookrunner)
Deutsche Bk, G. Sachs, Jefferies, JP Morgan (Joint Bookrunner)
Free Float 21,2 bis 26,5%

Thomas Müncher

 

Autor/Autorin

Thomas Müncher

Thomas Müncher ist Wirtschafts- und Finanzjournalist und freier Autor beim GoingPublic Magazin.