Von Wirtschaftsprüfern und Beratern mit großem Bahnhof empfangen und von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) zu einem Prüfungsschwerpunkt des Jahres 2014 erklärt, steht der Deutsche Rechnungslegungsstandard 20 (DRS 20) für die Konzernlageberichterstattung beim Berichtsjahrgang 2013 vor seinem ersten großen Praxistest. Eine kritische Auseinandersetzung mit den wesentlichen Neuerungen.
Hängepartie Strategie
Wie schon einst beim DRS 15 haben sich die Standardsetzer auch beim DRS 20 nicht dazu durchringen können, Angaben zur Strategie zu einem Pflichtbestandteil des Konzernlageberichts zu erklären. Herausgekommen ist stattdessen ein etwas befremdlicher Kompromiss: Die Berichterstattung über die Strategie erfolgt freiwillig – entscheidet sich ein Unternehmen allerdings, dem zweifellos bestehenden Informationsbedürfnis seiner Investoren nachzukommen, sieht es sich mit einem durchaus anspruchsvollen Anforderungskatalog konfrontiert.
So sollen unter anderem konkrete Angaben zu Ausmaß und Zeitbezug der strategischen Ziele sowie zum Stand der Zielerreichung gemacht werden. Es bleibt abzuwarten, wie streng die Wirtschaftsprüfer diese Angaben in der Praxis einfordern. Auszuschließen ist aber nicht, dass einige Unternehmen sich dazu entschließen werden, lieber komplett auf eine Darstellung ihrer Strategie zu verzichten. Abschreckung statt Motivation – investorenfreundlich ist das ganz sicher nicht.
Gute alte Bekannte
Manchmal prägt nicht ein Gesetz die Praxis, sondern die Praxis ein Gesetz. Dieses Eindrucks kann man sich auch bei der Lektüre des DRS 20 nicht ganz erwehren. Der Abgleich der Vorjahresprognose mit der tatsächlichen Entwicklung oder die Gesamtaussagen zu Risikosituation und künftiger Entwicklung sind bereits seit einigen Jahren in zahlreichen Konzernlageberichten zu finden. Hier zeigt sich der erhebliche Einfluss des Wettbewerbs „Der beste Geschäftsbericht“ auf die deutsche Berichtskultur: In dessen einschlägigen Kriterienlisten sind die genannten Inhalte bereits seit Längerem enthalten. Entsprechend routiniert sollten die berichterstattenden Unternehmen mit diesen „neuen“ Anforderungen umgehen können.
Einblicke ins Allerheiligste
Eine deutlich unangenehmere Neuerung dürfte hingegen der geforderte tiefere Einblick in die internen Steuerungssysteme darstellen, der sich gleich an zwei Stellen im DRS 20 findet. So sind zum einen quantitative Angaben zu nicht finanziellen Leistungsindikatoren zu machen, sofern diese auch zur internen Steuerung herangezogen werden. Dasselbe Kriterium gilt darüber hinaus auch für die Quantifizierung von Risiken.
Realistisch betrachtet wird es kaum ein Unternehmen geben, das intern nicht mit derartigen Quantifizierungen arbeitet. Ebenso realistisch betrachtet wird es aber auch kaum ein Unternehmen geben, das eben diese Daten gerne einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Die Metro Group ist in ihrem Geschäftsbericht zum Rumpfgeschäftsjahr 2013 in die Offensive gegangen und zeichnet den Lesern im wahrsten Sinne des Wortes ein aussagekräftiges Bild ihrer Risikosituation. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Jahrgang 2013 aber auch Berichte hervorbringen, die – mit offensichtlichem Einverständnis des Wirtschaftsprüfers – elegant um derartige Angaben herumlavieren.
An den Risikoberichten dürfte sich damit ein generelles Problem des DRS 20 am deutlichsten zeigen: Seine Auslegung und Umsetzung ist in vielen Aspekten in hohem Maße beugbar. Wer entscheidet – über die bereits angesprochenen Problemfelder hinaus – beispielsweise, wann die Berichterstattung über Chancen und Risiken wie gefordert ausgewogen ist? Ist der beauftragte Wirtschaftsprüfer ein „harter Hund“, bedeutet dies für seinen Mandanten einiges an Arbeit, für die Öffentlichkeit aber einen deutlichen Zuwachs an Transparenz. Zählt der Wirtschaftsprüfer hingegen zur Sorte „verhandlungsbereit“, dürften einige Neuerungen des DRS 20 nahezu wirkungslos verpuffen.
Ein Geschenk mit Beigeschmack
Die wohl prominenteste Veränderung im DRS 20 ist die Verkürzung des Prognosehorizonts von zwei Jahren auf nur noch eine Berichtsperiode. Auf den ersten Blick eine süße Pille, hat diese bei genauerer Betrachtung einen recht bitteren Beigeschmack. Denn mit dem verkürzten Prognosehorizont gehen höhere Anforderungen an die Präzision des Ausblicks einher. Die Zeit der von vielen Vorständen sehr geschätzten offenen Trendangaben „sinkt“ bzw. „steigt“ ist seit dem 1. Januar 2013 vorbei – das Risiko, mit einer präziseren Prognose à la „sinkt leicht“ oder „steigt deutlich“ am Ende daneben zu liegen, hingegen signifikant gestiegen. Und Prognosefähigkeit und -akkuratesse zählen eben noch immer zu den wichtigsten Bewertungskriterien für das Management.
Fazit
Nein, alter Wein in neuen Schläuchen ist der DRS 20 gewiss nicht – aber auch keine Revolution für die Lageberichterstattung. Insbesondere Privatanleger, die nicht auf anderen Kanälen Zugang zu entscheidungsrelevanten Informationen haben, könnten von einem höheren Transparenzniveau profitieren. Voraussetzung: Die Wirtschaftsprüfer entwickeln zeitnah ein einheitliches Verständnis der Anforderungen und setzen dieses bei ihren Mandanten auch konsequent durch. Der Berichtsjahrgang 2013 wird noch große Unterschiede in der Auslegung des DRS 20 aufweisen. Wie in der Vergangenheit dürfte sich der Markt aber auch in dieser Hinsicht selbst regeln, so dass es in den folgenden Jahren zu einem Abbau dieser Qualitätsunterschiede kommen dürfte. Dazu wird im Zweifelsfall auch die DPR ihren Einfluss geltend machen. Die Hoffnung ist berechtigt, dass wir nach dieser Anpassungsphase ein im Durchschnitt höheres Berichtsniveau erleben.
Vorab-Veröffentlichung aus GoingPublic Magazin 3/2014
Autor/Autorin
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