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Viele Unternehmen in Deutschland haben eigene Nachhaltigkeitsberichte schon als geeignetes Instrument zur Kommunikation zu Nachhaltigkeitsaspekten der eigenen Tätigkeit akzeptiert, doch nun wandeln sich die Anforderungen wieder rasant. Grund sind europäische Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die ab dem Jahr 2024 in Form der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auf ca. 15.000 deutsche Unternehmen gestaffelt zukommen.
Die CSRD ist am 5. Januar 2023 nach ungefähr anderthalbjähriger intensiver Verhandlung in Brüssel in Kraft getreten. Sie bildet die gesetzgeberische Blaupause für die deutsche Bundesregierung, vorzugeben, wie große haftungsbeschränkte Unternehmen in den kommenden Jahren ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nach detaillierten europäischen Vorgaben umgestalten müssen. Gesetzgeberischer Anlass war die fehlende Verfügbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten von Unternehmen, wie sie im Zusammenhang mit Maßnahmen des EU Green Deal der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Informationsgrundlage gebraucht werden.
Informationslücken schließen
Gerade die Lenkungswirkung der Investitionen der Kapitalmärkte soll als Hebel genutzt werden, um die Transformation der europäischen Wirtschaft zu beschleunigen. Die Initiative schließt sich logisch an das Vorhaben für ein europäisches Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten – die EU-Taxonomie – an, die als Kernstück der europäischen Gesetzgebung zu Sustainable Finance gilt. Durch die mit der CSRD vorgesehene umfassende Berichterstattung durch die betroffenen Unternehmen sollen nun Informationslücken hinsichtlich der benötigten Daten geschlossen werden.
Berichterstattung ausschließlich im Lagebericht
Ein besonderes Novum birgt bereits der nach der CSRD geforderte Berichtsort. Nachhaltigkeitsangaben sind danach zukünftig ausschließlich im Lagebericht zulässig – also in einem klassischen Berichtsinstrument der Finanzberichterstattung, das den Jahresabschluss ergänzt. Durch die Verortung im Lagebericht stellt sich angesichts der geforderten umfassenden Berichterstattung die Frage, inwieweit die ggf. zusätzliche separate Nachhaltigkeitsberichterstattung und die hiermit bisher die Szenerie prägenden freiwilligen Berichtsstandards, beispielsweise die Standards der in Deutschland bisher gut vertretenen Global Reporting Initiative (GRI), zukünftig noch sinnvoll ist. Es stellen sich aber auch grundsätzliche Fragen hinsichtlich der Berichtsabläufe im Unternehmen, wo die Einbindung in den Lagebericht eine stärkere Verzahnung von Prozessen zu Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordern. Verstärkt wird dies noch durch die externe Prüfungspflicht für die Nachhaltigkeitsinformationen, die durch die CSRD eingeführt wird.
Detaillierte Vorgaben über die ESRS-Berichtsstandards
Durch die CSRD wird zu zentralen Fragen, wie bestimmte Berichtsthemen inhaltlich ausgestaltet werden müssen, nur der Rahmen gesetzt. Diese Rahmenvorschriften sind vom nationalen Gesetzgeber bis Mitte 2024 in deutsches Recht umzusetzen. Die detaillierten Vorgaben werden allerdings weiter in Brüssel durch die Europäische Kommission in Form delegierter Rechtsakte bestimmt. Ein erster Satz von zwölf Berichtsstandards – den sogenannten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) – zur gesamten Breite von ESG-Aspekten soll bereits im Juni 2023 von der Europäischen Kommission verabschiedet werden. Entsprechende Vorarbeiten hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) im vergangenen Jahr unternommen und nach einer Konsultationsphase im Sommer 2022 Mitte November diesen ersten Satz der ESRS an die EU-Kommission übergeben, die diesen nach eventuellen Überarbeitungen nochmals Mitte April 2023 für vier Wochen zur öffentlichen Konsultation stellen will. Bislang weist das Set eins der ESRS ein Universum von ca. 1.100 und davon ca. 400 verpflichtend anzugebenden Datenpunkten auf. Letztere umfassen insbesondere Angaben zu Klima-, aber auch zu bestimmten Sozialaspekten. Die EFRAG unternimmt derzeit bereits Vorarbeiten für ergänzende sektorspezifische ESRS, wobei erste ESRS hierzu im Laufe des Jahres 2023 konsultiert werden.
ESRS-Umsetzungsprojekte bei Konzernen sind angelaufen
In der Berichterstattungspraxis bei den ca. 550 Unternehmen von öffentlichem Interesse in Deutschland, die bereits sogenannte nichtfinanzielle Erklärungen abgeben, bereiten sich die Verantwortlichen derzeit auf die Anwendung der ESRS vor. Beginnend mit sogenannten Gap-Analysen werden blinde Flecken in der bisherigen Berichterstattung identifiziert und entsprechende Berichtsprozesse vorbereitet. Dies geschieht vielfach bereits in Abstimmung mit externen Prüfern, die zukünftig die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung als Teil der Lageberichterstattung prüfen werden. Hier will man in der Regel nichts dem Zufall überlassen. Die erste Berichtsperiode, in der die ESRS-Vorgaben zur Anwendung kommen, wird das Geschäftsjahr 2024 sein, über das typischerweise Anfang 2025 berichtet werden wird. Der Großteil der neu berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland (ca. 14.500) wird dann für das folgende Geschäftsjahr 2025 zu berichten haben. Hier wird der Sprung bzgl. der Praxisherausforderungen voraussichtlich deutlich größer sein, da in der Regel weniger geeignete Berichtsprozesse vorhanden sind.
Gelingt der Spagat?
Für die in der Vorbereitungsphase befindlichen Unternehmen stellt sich zudem die praktische Frage, ob sie mit den ESRS auch die Bedürfnisse der internationalen Kapitalmärkte bedienen können: Denn gerade die 550 Unternehmen, die erstmals für das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen, haben ein hohes Interesse an einem solchen Gleichklang. Hier arbeitet derzeit das in Frankfurt ansässige International Sustainability Standards Board (ISSB) als fachliches Board der IFRS Foundation an ersten Standards, die als weltweit anerkannte „Global Baseline“ fungieren sollen. Diese werden insbesondere durch die Vereinigung der internationalen Börsenaufsichten (IOSCO) gestützt. Derzeit finden zwischen dem ISSB und der Europäischen Kommission Gespräche zur Interoperabilität der jeweiligen Standards mit Schwerpunkt auf der Klimaberichterstattung statt. Im Sommer 2023 soll ein gemeinsames Statement die Interoperabilität beider Standards verdeutlichen. Betroffene Unternehmen hoffen auf eine praxisfreundliche Lösung, damit Zusatzangaben und damit Zusatzarbeiten im Vergleich zu ESRS-Berichtsanforderungen möglichst vermieden werden.
Georg Lanfermann ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie Präsident des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) in Berlin. Seit Februar 2022 ist er zudem Vize-Präsident des EFRAG Administrative Board. Die EFRAG berät heute bereits die EU-Kommission bzgl. der Annahme internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS) und arbeitet u.a. für die EU-Kommission die europäische Nachhaltigkeitsberichtsstandards aus.
Autor/Autorin
Georg Lanfermann
Georg Lanfermannist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie Präsident desDeutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) in Berlin. Seit Februar 2022 ist er zudem Vize-Präsident desEFRAGAdministrative Board. Die EFRAG berät heute bereits die EU-Kommission bzgl. derAnnahme internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS) und arbeitet u.a. für die EU-Kommission europäische Nachhaltigkeitsberichtsstandards aus.