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In unserer Kolumne im Juni haben wir uns mit den Pflichten des Targetmanagements im Falle einer drohenden Übernahme auseinandergesetzt. Doch auch unabhängig von einer konkreten Übernahmesituation sollte der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft tätig werden, um in der Übernahmesituation handlungsfähig zu sein und ggf. Handlungsalternativen zu haben.
Auch außerhalb einer konkreten Übernahmesituation ist das Management der Zielgesellschaft gehalten, die strategischen Optionen des Unternehmens regelmäßig auszuloten, den Markt zu analysieren und in diesem Zusammenhang ggf. auch zu prüfen, ob ein Zusammenschluss mit einem strategischen Partner in Betracht kommt, beispielsweise um der Gesellschaft neue Märkte zu erschließen oder Synergieeffekte zu erzielen. Unter Umständen ist der Vorstand sogar verpflichtet, nach neuen Investoren Ausschau zu halten, wenn es dem Wohl der Gesellschaft dient. Nicht zuletzt kann der erfolgreiche Einstieg eines finanzstarken strategischen Partners als Ankeraktionär Schutz vor einer möglichen feindlichen Übernahme bieten.
Darüber hinaus sollte der Vorstand stets eine Vorstellung über die Bewertung der Gesellschaft haben: Nur dann kann er sich auch in einer akuten Übernahmesituation in kurzer Zeit ein informiertes Urteil über die Vor- und Nachteile eines Angebots bilden und einen möglichen Bieter als Freund oder Feind identifizieren. Denn in einer solchen Situation sind Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet, zur strategischen Logik eines möglichen Zusammenschlusses ebenso wie zur Angemessenheit des gebotenen Angebotspreises Stellung zu nehmen. Will der Vorstand eine Übernahme abwehren, muss er dies begründen können. Soll die Abwehr mithilfe eines „weißen Ritters“ erfolgen, ist es hilfreich zu wissen, wer als solcher in Betracht kommen könnte. Will der Vorstand im Rahmen einer Übernahme Handlungsalternativen haben, gilt es daher vorzuarbeiten. In der Praxis lassen sich Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen in diesem Zusammenhang oft von Finanz- oder M&A-Beratern unterstützen, die den Markt und das Wettbewerbsumfeld analysieren und ggf. strategische Handlungsoptionen aufbauen.
Der Abschluss eines solchen Beratungsvertrags birgt jedoch Tücken. So sollte der Gegenstand der Beratungsleistung genau definiert werden. Steht die Finanzierung, Restrukturierung oder Rekapitalisierung der Gesellschaft im Vordergrund, wird ein Joint Venture oder der Zugang zu neuen Märkten oder generell anorganisches Wachstum angestrebt oder geht es lediglich um einen Wechsel im Aktionärskreis? Vorstand und Aufsichtsrat sollten sorgfältig prüfen, ob und inwieweit die Beauftragung im Interesse der Gesellschaft liegt, und das Ergebnis ihrer Prüfung dokumentieren. Um eine verbotene Einlagenrückgewähr zu vermeiden, ist darauf zu achten, wer in welcher Konstellation die Kosten der Beratung tragen soll. In seiner sogenannten Telekom-III-Entscheidung hat der BGH entschieden, dass bei einer reinen Umplatzierung von Aktien die Gesellschaft Risiken aus einer Prospekthaftung nur dann für den Aktionär übernehmen dürfe, wenn ihr durch die Transaktion ein konkreter, bilanzierbarer Vorteil zugeflossen ist. Sind diese Klippen umschifft und hat der Vorstand seine Hausaufgaben gemacht, kann er in der Übernahmesituation zügig und selbstsicher agieren und Freund und Feind auseinanderhalten.
An dieser Stelle erscheint viermal jährlich eine kurze Kolumne zu wesentlichen Themen des Übernahmerechts.
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Autor/Autorin
Dr. Lars-Gerrit Lüßmann
Dr. Lars-Gerrit Lüßmann ist Partner für Gesellschaftsrecht und M&A und Co-Lead of Germany bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Gowling WLG. Er berät schwerpunktmäßig im Aktien- und Kapitalmarktrecht, insbesondere bei öffentlichen Übernahmen und Takeover Defence.