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Das Ticker-Kürzel „HIGH“ für das Cannabis-Start-up Cantourage Group SE (ISIN: DE000A3DSV01) ist ein netter, selbstironischer Marketing-Gag, denn es geht um Medizinprodukte und nicht um berauschende Substanzen. Viel wichtiger: Cantourage setzt zum Höhenflug an. 2024 wurde mit Umsatz in Höhe von 51,4 Mio. EUR abgeschlossen, meldeten die Berliner ad-hoc im Januar. Das ist ein Plus von 118% gegenüber 2023. „Die Nachfrage übertraf dabei unsere Produktionskapazitäten“ berichtet CEO Philip Schetter im Interview während der Hamburger Investorentage (HIT), weswegen der Fokus stark auf Produktionsausweitung lag und liegt. Von Stefan Preuß
Cantourage ist ein führendes europäisches Unternehmen für die Herstellung und den Vertrieb von Medizinalpräparaten und Arzneimitteln auf Basis von Cannabis. 2019 in Berlin gegründet, wird das Unternehmen seit November 2022 im Scale-Segment der Frankfurter Börse notiert. Die Erstnotiz lag bei 6,48 EUR (direkt nach dem Handelsstart schnellte der Kurs kurzzeitig in der Spitze auf über 55 EUR). Die Aktie notierte gut 10 Monate im zweistelligen Bereich, um paradoxer Weise mit dem steigenden Geschäft zu schwächeln. Bei aktuellen Kursen um 4,60 EUR beläuft sich die MarketCap auf gut 55 Mio. EUR.
Mit seiner Plattform ermöglicht Cantourage es Produzenten aus aller Welt, schneller, leichter und kosteneffizienter Teil des wachsenden europäischen Marktes für medizinisches Cannabis zu werden, indem es deren Cannabis-Rohmaterial zu Medizinprodukten weiterverarbeitet und vertreibt. Dabei stellt Cantourage stets die Einhaltung der höchsten europäischen pharmazeutischen Qualitätsstandards sicher. Das Unternehmen bietet Produkte in pharmazeutischer Qualität in allen relevanten Marktsegmenten an: getrocknete Blüten, Extrakte, Dronabinol und Cannabidiol.
Mehr als 60 Produzenten unter Vertrag
Die Cantourage Group SE hat mit dem starken zweiten Halbjahr die im Dezember 2024 angehobene Prognose geschlagen. Damit bewährt sich das Geschäftsmodell, das auf eigenen Anbau verzichtet. Cantourage importiert Cannabis weltweit von seinen Anbaupartnern und stellt daraus in Deutschland medizinische Produkte her, um sie an Apotheken und Großhändler in der EU, der Schweiz und im Vereinigten Königreich zu liefern. Derzeit haben mehr als 60 Produzenten aus 18 Ländern langfristige Verträge mit Cantourage unterzeichnet.
Während der HIT (bei denen GoingPublic Medienpartner ist), sprachen wir mit CEO Philip Schetter. Er sagt, „den Anbau machen wir nicht selbst – aus guten Gründen. Anbauanlagen zu planen, zu bauen, in Betrieb zu nehmen und zu betreiben ist sehr zeitaufwendig, sehr teuer, und der Betrieb geht mit großen Herausforderungen einher.“
Es gebe so viele Leute, die Cannabis anbauen, und die das wirklich sehr gut machten. Auch Gründe der Liefersicherheit würden nicht für Eigenanbau sprechen. „Wir haben aktuell über 60 Partner unter Vertrag, die uns sehr gerne Ihre Pflanzen zuschicken. Es gibt kein bottle-neck, eher einen Überhang an Cannabis, insbesondere in Kanada“, so Schetter. Durch Cantourage könne dieses Cannabis in Europa vertrieben werden. Obwohl die Berliner namhafte Mengen abnehmen gebe es weiterhin ein Überangebot in Kanada. Das gelte auch für andere Regionen wie Südamerika und Afrika, die streng genommen gar keinen Heimatmarkt besitzen. „Wir haben einen Lieferpartner in Uganda. Der muss exportieren, und aktuell kann er nur zu uns exportieren“, so Schetter.
Cantourage Group SE | |||||
2023 | 2024 | 2025e | 2026e | ||
Umsatz in Mio. EUR (Montega) | 23,6 | 51,4 | 83,5 | 103,1 | |
Umsatz in Mio. EUR (NuWays) | 23,6 | 51,4 | 86.1 | 113,8 | |
EBITDA in Mio. EUR | 0 | 4,3 | 8,5 | 12,9 | |
EPS in EUR | -0,25 | 0,02 | 0,24 | 0,47 | |
KGV | 232 | 19,3 | 9,9 | ||
Quelle: Montega / NuWays |
Markt für Cannabis-Medizin wächst stark
Die europäischen Märkte für medizinisches Cannabis sind bereits etabliert und wachsen – die wichtigsten Märkte für Cantourage sind aktuell Deutschland, Polen und das Vereinigte Königreich. Kontinuierliche Aufklärung von Medizinern und Patienten führt zu einem verstärkten Einsatz von Cannabinoiden bei verschiedenen Therapien – als Hauptindikation sieht Cantourage chronische Schmerzen, aber auch die Behandlung von Schlaflosigkeit und Unruhezuständen seien weitere wichtige Anwendungsfelder.
Eine Studie von Prohibition Partners geht für 2025 von einem Wachstum des europäischen Cannabismarktes um 30% auf 2,6 Mrd. EUR aus. Für Deutschland rechnet Cantourage mit spürbar steigenden Konsumentenzahlen. Ein Blick auf andere Länder könne Aufschluss über die weitere Entwicklung hierzulande geben: So stieg beispielsweise die Zahl der Cannabispatienten in Kanada vor der vollständigen Legalisierung (2018) deutlich – und zwar mit einer kumulierten jährlichen Wachstumsrate von ca. 140%. Auch vor der regionalen Legalisierung in den USA verzeichnete der medizinische Cannabismarkt ein starkes Wachstum. Nach knapp 1 % der Bevölkerung 2018 konsumierten dort 2022 bereits 2 % medizinisches Cannabis.
2024 hat Cantourage den Umsatz also nach vorläufigen Zahlen auf 51,4 Mio. EUR mehr als verdoppelt, wobei vor allem die Dynamik überzeugte, denn stets wurde das bereits schon gute Vormonatsergebnis übertroffen. Das war möglich, weil die Produktionskapazitäten kontinuierlich ausgebaut worden sind. Neben der eigenen Infrastruktur mit einer Produktion in Bayern wurde auch ein Lohnproduzent in Portugal eingespannt. „2024 haben wir die Kapazitäten sukzessive erweitert und sind eigentlich das gesamte Jahr bei 100 oder 105% gelaufen“ berichtet Schetter.
Weiteres stürmisches Wachstum vorausgesagt
Nach vorne geblickt, rechnen die Analysten in ihren Einschätzungen damit, dass das Wachstumstempo anhält und erneut die Verdoppelung des Umsatzes auf gut 100 Mio. EUR gelingt. Schetter betonte während des Interviews, dass Cantourage keine eigene Guidance kommuniziert, „aber mit den Ergebnissen der Analysten fühlen wir uns wohl.“ Er geht davon aus, dass das Unternehmen die gute Performance des 4. Quartals wird bestätigen können: „Ich bin jetzt nicht vom Stuhl gefallen, als ich die ersten Einschätzungen der Analysten gesehen habe.“ Für 2025 hat Cantourage bereits neue Wachstumstreiber wie den sehr erfolgreichen Markteintritt in Polen oder den Relaunch der Telemedizin-Plattform www.telecan.de auf den Weg gebracht, betont Schetter. „So wollen wir noch mehr Menschen bei ihrem Weg in die Cannabistherapie unterstützen und unsere Führungsposition im dynamischen europäischen Marktumfeld ausbauen – und dabei als Unternehmen weiter profitabel wachsen.“ Insgesamt werde großer Wert darauf gelegt, die Effizienz kontinuierlich zu erhöhen, Skaleneffekte noch besser zu nutzen und die Profitabilität spürbar zu steigern. Ganz konkret geht es derzeit darum, die Kapazitäten auszuweiten, auch bei den Partnern.
Welche EBITDA-Margen prinzipiell zu erreichen sind, dazu hat Schetter klare Vorstellungen, wenngleich das Geschäftsmodell und die Branche neu sind: „In ein paar Jahren sollten wir uns da Richtung Zweistelligkeit bewegen.“ Und dann, wie es sich für ein Pharma-Unternehmen gehört, stehen auch Dividendenzahlungen auf der Agenda. „Wir sind ja jetzt schon EBITDA-positiv und auch Cash positiv und planen keine großen Investitionen Stand heute. Die Dinge, die wir machen wollen, können wir aus dem operativen Geschäft finanzieren. Wenn sich das jetzt weiter so verstetigt und stabilisiert, werden wir wahrscheinlich etwas mehr working capital finanzieren müssen, aber auch Dividende ausschütten können.
Wie würde das eigentlich aussehen, wenn sich Big Pharma für das Thema Cannabis interessierte? Das habe man sich auch gefragt, sagt Schetter. Es habe einen ersten Versuch eines deutschen Unternehmens gegeben, der aber trotz hoher Vertriebsanstrengungen nicht erfolgreich gewesen sei. Der Markt sei speziell: „Man benötigt Netzwerke, muss die Anbauer kennen, die richtigen Produkte anbieten“, so Schetter. Wenn ein globales Unternehmen einsteigen wolle, dann wohl am ehesten durch eine Übernahme.
FAZIT
Cantourage ist nicht nur in die anfangs ambitionierte Bewertung hineingewachsen, sondern dem Kurs mittlerweile enteilt. Analysten von NuWays (HAL) und Montega sind sich einig, dass Kurse um 12 EUR angemessen wären, denn für 2026 wird ein Gewinn pro Aktie von 0,47 EUR (Montega) bzw. 0,61 EUR (NuWays) erwartet. Betont wird dabei die hohe Rohertragsmarge, das innovative Geschäftsmodell und die Erwartung, dass der Markt für Cannabis-Medizinprodukte weiter stark wachsen werde. Wir gehen davon aus, dass der Ausbau der Kapazitäten zeitgerecht erfolgen wird, so dass die Aktie auf dem aktuellen Niveau durchaus attraktiv ist.
Cantourage Group SE
ISIN: DE000A3DSV01
Branche: Pharma & Healthcare
Sitz: Berlin
Vorstand: Philip Schetter, CEO
Segment: Scale
Erstnotiz: 11.11.2022
Anzahl Aktien: 12,47 Mio.
Kurs (27.2.25): 4,76 EUR
MarketCap: 58,6 Mio. EUR
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Autor/Autorin
Stefan Preuß
Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".