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Für die Umsetzung der virtuellen Hauptversammlung eröffnen sich aus Sicht der Gesellschaft strategische Leitfragen. In erster Linie geht es darum, über das Aktionariat Beschlüsse zur Tagesordnung zu fassen. Dabei dient die Videozuschaltung der Aktionäre der Pflichterfüllung. In zweiter Linie bietet die virtuelle HV die Möglichkeit, das Unternehmen medial attraktiv und als Marke zu präsentieren. Lassen sich beide Stränge zusammenbringen, gewinnt die virtuelle Hauptversammlung an Strahlkraft. Die Möglichkeiten zum medialen Storytelling obliegen hierbei der Gesellschaft.
Die Basis der Interaktion zwischen Gesellschaft und Aktionär am Tag der Hauptversammlung ist die Zuschaltung per Videokommunikation – idealerweise als integrierte Lösung im Onlineservice. Hierbei steht die einfache Bedienung für die Aktionäre im Mittelpunkt. Ohne Installation von Fremdsoftware oder den Aufruf externer Links findet der Aktionär alle Komponenten für die Übertragung in Ton und Bild auf seinem Bildschirm. Zudem kann der Aktionär einen Vorabcheck seiner Audio- und Videoeinstellungen an seinem Endgerät durchführen. Beim Onboarding werden die Redner/-innen freundlich von technischem Fachpersonal begrüßt, um die Audio- und Videoverbindung zu überprüfen. Anschließend folgt die Personenidentifikation. Das Ganze passiert auf der digitalen „Hinterbühne“ parallel zum HV-Betrieb.
Gleichzeitig ist die Prozesshoheit für den Versammlungsleiter von hohem Stellenwert, um stringent durch die Generaldebatte führen zu können. In dieser Hinsicht fällt dem Rednermanagement am virtuellen Wortmeldetisch eine entscheidende Bedeutung zu, da hier die Interaktion zwischen Versammlungsleiter und Aktionär operationalisiert wird. Alle relevanten Informationen und Prozesse fließen in die virtuelle Rednerliste ein. Nach Wortmeldung durch den Aktionär können Rednerblöcke, Reihenfolgen und Ausbuchstabierungen von Namen durch das Backoffice vorgenommen werden.
Nach Aufruf durch den Versammlungsleiter werden ausgewählte Aktionäre im Stream zu Rednern im Videokonferenzsystem. Der Versammlungsleiter wird live informiert, welchen Status die Redner auf der Liste haben. Kann das Wort direkt erteilt werden? Funktioniert die Technik beim Aktionär? Hat ein Redner spontan verzichtet oder ist dem ersten Aufruf nicht gefolgt, sodass die Person zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgerufen werden muss?
„Die Möglichkeiten zum medialen Storytelling obliegen der Gesellschaft.“
Diese Transparenz beim Rednermanagement schafft Vertrauen, weil der technische Prozess auf Basis des gesprochenen Wortes abläuft und die Ausführungen des Versammlungsleiters die aktuelle Rednersituation widerspiegeln. Aufgrund der Liveübertragung ist es daher empfehlenswert, alle Informationen und Anzeigen im Saal ergonomisch auf den Versammlungsleiter zuzuschneiden.
Die Ausbaustufe: Bühnenkonzept, Bildgestaltung und Technikeinsatz
Da in der Regel unterschiedliche Fachabteilungen und diverse Spezialgewerke vor Ort agieren, ist von Beginn an das Bühnenkonzept entscheidend: Welcher Raum wird bespielt? Wo werden Kameras platziert? Wo werden die Bildschirme für die Rednerliste sowie Adhoc Informationen aufgebaut? An welchem Ort zeige ich Uhrzeiten, Redezeiten, den Redner im Livebild sowie die Vorschau auf Inhalte und den Leitfaden an? Das Zusammenspiel der Gewerke, das Gesamtkonzept des HV-Tages sowie ausreichend Probezeit unter Begleitung eines Regisseurs sind dabei zentrale Erfolgsbausteine.
Zur professionellen Produktion virtueller HVs und des medialen Storytellings tragen zudem technische Aspekte wie Licht, Ton, Bildkomposition, Videoeinspieler und Livestream bei. Die Beleuchtung ist essenziell, um Atmosphäre zu schaffen. Dreipunktbeleuchtung mit Haupt-, Füll- und Hintergrundlicht hat sich bewährt, und Softboxen sowie Diffusoren erzeugen ein weiches Licht, das ideal für Gesichter ist. Eine konsistente Farbtemperatur sorgt für ein natürliches Aussehen.
Ebenso ist ein klarer und deutlicher Ton unerlässlich. Dafür eignet sich der Einsatz von Sprechstellen mit Schwanenhalsmikrofonen und Eintastfunktion. Diese können individuell auf die Person angepasst werden.
Eine durchdachte Bildkomposition und Kameraführung erhöhen die visuelle Qualität. Mehrkameraaufbauten bieten verschiedene Blickwinkel und Dynamik. Die Hauptkameras sollten auf Augenhöhe positioniert werden, um eine natürliche Perspektive zu erzeugen. Fahrbare Kameras sowie Krankameras runden die Eindrücke aus der HV-Location ab und erzählen etwas vom Raum. Neutrale Hintergründe und Grafikeinblendungen verpassen der Bildkomposition den letzten Schliff.
Wichtig ist weiterhin, dass das Bildangebot pro Ausspielweg (z.B. Livestream, Videozuschaltung und Monitore für die Versammlungsleitung) individuell bespielt werden kann. Die Bildauswahl im Videokonferenzsystem sollte dabei der Bildgestaltung im Stream in nichts nachstehen, um die Interaktion zwischen Bühne und Redner sowie für Zuschauer und Sprecher gleichermaßen attraktiv darzustellen.
Um die Attraktivität der virtuellen HV insgesamt zu erhöhen, braucht es starke Bilder und Emotionen, die unter anderem mit Videoeinspielern geschaffen werden können. Sie transportieren Image und Werte des Unternehmens, veranschaulichen komplexe Informationen und lockern die Veranstaltung auf.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Livestream selbst. Eine leistungsfähige Streamingplattform ist unerlässlich, um eine reibungslose Übertragung zu gewährleisten. Die Wahl der Plattform sollte sorgfältig erfolgen, basierend auf Stabilität, Benutzerfreundlichkeit und der Möglichkeit, hohe Video- und Audioqualität zu liefern. Ein Livestream in Full-HD-Qualität verbessert das Zuschauererlebnis erheblich.
Eine Selbstverständlichkeit, die auf keiner Checkliste fehlen darf: eine schnelle und stabile Internetverbindung, um Unterbrechungen und Qualitätsverluste zu vermeiden. Die Ausfallsicherheit stellt ein hohes Gut der virtuellen HV dar. Daher sollten Back-up-Lösungen wie eine zweite Internetverbindung oder redundante Streamingserver in Betracht gezogen werden.
Die Erweiterung: Interaktion und Feedback
Das Aktionariat wünscht sich Interaktion am HV-Tag. In der Praxis hat sich neu in dieser Saison die Abfrage von Topthemen durch die Gesellschaft bewährt. Die Abfrage beginnt vor der eigentlichen Hauptversammlung und endet mit der Fristeinreichung von Stellungnahmen. Topthemen werden von der Gesellschaft vorgegeben; über die Auswahl per Multiple Choice ergibt sich vorab ein Stimmungsbild der Aktionäre, auf das sich der Aufsichtsratsvorsitzende in seiner Rede beziehen kann. Ergänzt wird die Funktion um ein Freitextfeld, welches als Zusatzkanal die „allgemeinen Fragen der Aktionäre rund um die HV“ bündelt. Die Botschaft dieser Funktion ist: Wir als Gesellschaft hören Ihnen zu und nehmen Ihr Feedback ernst. In weiteren Ausbaustufen ist z.B. das Sternerating – bekannt aus dem Onlinehandel – zu nennen. Hier besteht die Möglichkeit, Inhalte am HV-Tag live abzufragen und bewerten zu lassen.
Fazit
Es geht seit dieser HV-Saison nicht mehr nur um das Rede- und Fragerecht in der virtuellen HV. Die Zuschaltung von Aktionären per Videokommunikation ist gegeben. In zukünftigen Ausbaustufen steht vielmehr die Machart der Hauptversammlung im Fokus, um Aktionäre im virtuellen Format „ins beste Licht zu rücken“ und mit sinnvoller (Zusatz-)Interaktion zu versorgen. Dies ist Aufgabe der Gesellschaften und beginnt mit der Frage, welche Angebote Sie der eigenen Zielgruppe am HV-Tag machen möchten. Die aktienrechtliche Pflichterfüllung steht im Zentrum. Zusätzlich kann die Gesellschaft Gestaltungsspielräume nutzen und Funktionserweiterungen vorsehen, um den Service für Aktionäre, das virtuelle Format sowie den Gesamtablauf attraktiv und interaktiv zu gestalten.
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