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Bildnachweis: ChatGPT.
Die Kommunikation mit den Anteilseignern befindet sich im Wandel. Neue Aktionärsgruppen, eine Verjüngung und Internationalisierung der Stakeholder machen eine Digitalisierung der Investorenansprache unabdingbar.
Neben der „normalen“ IR-Arbeit, bei der Aktionärsidentifikationen, neue Formen von Registern und Verbriefungen die gezielte Ansprache von Aktionären erleichtern, betrifft dieser Trend auch die Hauptversammlung. Doch wie genau beeinflusst die Digitalisierung die Aktionärskommunikation? Die Digitalisierung der Beziehungen zwischen Emittent und Aktionär reicht vom elektronischen Versand bis zu einer Multi-Channel-Content-Strategie/-Kommunikation. Das bedeutet, dass die Digitalisierung zum einen die Möglichkeit bietet, weitaus zielgenauer mit den Aktionären zu kommunizieren – Stichwort „Know your Shareholder“ –, zum anderen über bislang unbeschrittene Kommunikationswege aber auch neue, insbesondere jüngere und internationale Zielgruppen zu erschließen.
Trend Aktionärsidentifikation
Mit der Zweiten Aktionärsrechterichtlinie hat jeder Emittent das Recht, via die Intermediäre Kenntnis über seine Beneficial Owner zu erlangen. Österreich hat die Richtlinie als eines der ersten europäischen Länder in nationales Recht umgesetzt und eine Anteilsschwelle von 0,5% für die Offenlegungspflicht eingeführt. Zum Zeitpunkt der Einführung hatten einige Banken Bedenken gegenüber einer Offenlegung ohne Anteilsschwelle geäußert. Die meisten europäischen Länder haben die Offenlegung später ohne eine Anteilsschwelle implementiert. Gemäß Tab. 2 der EU-DVO 2028/1212 ist der Intermediär verpflichtet, auch eine E-Mail-Adresse an den Emittenten zu melden, sofern diese bekannt ist.
Der Grad der Offenlegung der Aktionäre durch die Intermediäre stieg dabei in den vergangenen Jahren deutlich an. Gleiches gilt für die Geschwindigkeit: Nach 48 Stunden liegt der Rücklauf in der Regel bei über 90%. Dies gelingt durch die weitgehend automatisierte Rückmeldung aufseiten der Banken. Die Identifikationsdaten könnten künftig nicht nur für die Digitalisierung der IR-Kommunikation, sondern auch für Kapitalmaßnahmen genutzt werden. Die Voraussetzung wäre aber die Streichung der Schwelle für die Offenlegung.
Trend Namens- und Kryptoaktien
Die Offenlegung von Aktionären ist – insbesondere bei den Emittenten mit Inhaberaktien, also grundsätzlich bei den börsennotierten Aktien an der Wiener Börse – noch viel bedeutsamer als bei Emittenten von Namensaktien. Auch wenn das österreichische Aktiengesetz seit 2011 die Namensaktie als Regel ansieht, hat sich diese Aktienart bislang aufgrund praktischer Hürden nicht durchgesetzt. Dies könnte sich in naher Zukunft ändern, denn eine neue Form der Verbriefung von Wertpapieren steht in den Startlöchern.
Elektronische Aktien, oft als Kryptoaktien bezeichnet, bieten die Möglichkeit, Wertpapiere ohne Verbriefung als physische Urkunde durch Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister zu begeben. Die Register werden auf Basis von DLT-Systemen betrieben. Auch Bitcoins verwenden die Distributed Ledger Technology (DLT). Während Bitcoins nicht personalisiert sind, besteht bei den DLT-Registern meist die Anforderung, die Ledgernummerierung, also die „Aktiennummer“, mit dem Namen (Anschrift, E-Mail-Adresse, …) des Aktionärs zu matchen. Während bei der traditionellen Verbriefung Aktienregister und Aktiendepot meist getrennt sind, sind diese beim DLT-Register verbunden. Es wird also kein Intermediär zwischengeschaltet, der die Aktien in irgendeiner Form verwahrt und verwaltet, sondern die einzige „Hinterlegungsstelle“ ist das elektronische Register.
Die elektronische oder Kryptoaktie schafft so für den Emittenten jederzeit Transparenz darüber, wer wie viele Aktien hält. Somit weiß die Aktiengesellschaft auch, wer die Aktien am Record Date hält, und kann diese Aktionäre direkt einladen. Die Einladung kann den direkten Link zu einem Aktionärsportal enthalten. Gleiches gilt theoretisch für die Finanzkommunikation: Aktionäre können individualisierte Ansprachen erhalten. So wäre denkbar, dass ein junger Österreicher ein anderes Mailing erhält als ein Hedgefonds aus den USA. Derzeit sind Kryptoaktien noch Zukunftsmusik. Es gibt zwar bereits Platzierungen von blockchainbasierten digitalen Anleihen; es bleibt jedoch abzuwarten, wann Kryptoaktien folgen.
Trend hybride oder virtuelle Hauptversammlung
Neben der gezielten digitalen unterjährigen Ansprache von Aktionären muss sich die IR jedoch auch einiges rund um die Hauptversammlung einfallen lassen, um Aktionärstreffen zukunftsfähig zu gestalten. Dabei stellt die in Österreich vorliegende Gesetzeslage die Kreativität von Emittenten (und Dienstleistern) vor Herausforderungen. Ein sehr enges Fristenregime gepaart mit dem Fehlen von Aktienregistern bei den Publikumsgesellschaften ist der Digitalisierung der Hauptversammlung nur bedingt zuträglich: Der Record Date zehn Tage und ein letzter Anmeldetag drei Tage vor der Hauptversammlung lassen eigentlich nur eine elektronische Kommunikation zur Übermittlung von Zugangsdaten zu, sollte ein Emittent sich nicht für die klassische Präsenz-HV, sondern für eine virtuelle oder hybride Variante entscheiden.
Nach österreichischem Aktiengesetz ist die sogenannte Satellitenteilnahme eine Versammlung, bei der der Aktionär in Form einer Zweiwegekommunikation in Form einer Videokonferenz zugeschaltet wird. Eine moderierte Versammlung mit einer Einwegkommunikation, wobei der Aktionär nur nach Aufruf zugeschaltet wird, ist für börsennotierte Gesellschaften jedoch der einzig praktikable Weg. Das österreichische Aktiengesetz hat hierfür die Fernteilnahme geschaffen.
Aktionäre müssen dabei sämtliche Rechte wie ein vor Ort anwesender Aktionär ausüben können. Hier müssen die Details der organisatorischen und technischen Teilnahmevoraussetzungen spätestens am 21. Tag vor der Hauptversammlung bereitgestellt und auf der Website abrufbar sein. Außerdem ist den Teilnehmern ein elektronischer Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen, auf dem Aktionäre schon vorab Fragen und Beschlussanträge an die Gesellschaft übermitteln können. Zudem kann die Satzung vorsehen, dass eine Stimmabgabe bereits vor der Versammlung auf elektronischem Weg ermöglicht werden soll (entweder generell oder dann, wenn der Vorstand dies anordnet).
Daher ist es besonders bemerkenswert, dass die größte hybride Hauptversammlung im deutschsprachigen Raum die der Raiffeisenbank International (RBI) in Wien ist. Der Aktionär kann Fragen sowohl vorab als auch auf der Hauptversammlung stellen. Es stehen dem Aktionär dabei alle Kanäle offen; er kann Fragen und Anträge live, über das Aktionärsportal, per E-Mail/schriftlich wie auch per Telefon stellen. Ebenso hat er Widerspruchsmöglichkeiten.
Aber nicht nur in Österreich, sondern weltweit sind virtuelle oder hybride Hauptversammlungen auf dem Vormarsch. Das bislang größte rein virtuelle Aktionärstreffen richtete dabei der US-Gaminganbieter GameStop aus: Über 50.000 meist junge Aktionäre loggten sich hier gleichzeitig ein und folgten der nur rund 30 Minuten dauernden Versammlung. Das US-amerikanische Recht kennt dabei keine so weitgehenden Aktionärsrechte, wie diese in der DACH-Region zugestanden werden. Die HV bestand im Endeffekt nur aus einer Präsentation des Vorstands.
Fazit
Auch wenn es noch vielerlei Hürden zu meistern gilt: Die Digitalisierung und erhöhte Aktionärstransparenz sind nicht aufzuhalten. Emittenten müssen sich hier zukunftsfähig aufstellen und ihre Kommunikation auf die neuen Zielgruppen und den geänderten Ansprüchen der immer internationaler werdenden Anlegerschaft Rechnung tragen.