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Die Digitalisierung der Konzernberichterstattung steckt noch in den Kinderschuhen. Emittenten am regulierten Markt, die verpflichtet sind, ihre Jahres- und Konzernabschlüsse im European Single Electronic Format (ESEF) zu veröffentlichen, erging es dabei zuletzt häufig wie Eltern: Sie sind am Rande der Belastungsgrenze, meistern die Herausforderungen irgendwie und müssen sich dann gleich wieder veränderten Anforderungen stellen.
In den letzten Jahren erhielten die Dienstleister, die einen umfassenden Service für die Umsetzung von Jahres- und Konzernabschlüssen anbieten, vor Ablauf der Einreichungsfrist noch zahlreiche Anfragen für eine kurzfristige Bearbeitung der Berichte. Viele Emittenten hatten schlicht die Komplexität des Themas unterschätzt und sich mit ihrer Inhouse-Umsetzung verzettelt.
Das geschieht auch in diesem Jahr. Denn längst nicht jedes Unternehmen, das in den vergangenen beiden Jahren gut vorbereitet war, ist es auch in der gerade angelaufenen Berichtssaison – zu sehr haben sich die Vorgaben gegenüber dem Vorjahr verändert. Allen Beteiligten steht wieder ein Kraftakt bevor.
Tagging bleibt eine Herausforderung
Ein kurzer Rückblick: Erstmals war das neue digitale Format für das Geschäftsjahr 2020 vorgeschrieben, um mit der ESEF-Taxonomie eine branchen- und länderübergreifende Vergleichbarkeit der Berichte sicherzustellen. Statt der bis dahin erforderlichen XML-Konvertierung verlangte der ESEF-Regulierungsstandard die Veröffentlichung in der Extensible HyperText Markup Language (XHTML) unter Einbettung der Inline eXtensible Business Reporting Language (iXBRL). Die Berichte sind damit maschinenlesbar und können in jedem Browser angezeigt werden. Die Standardisierung wird durch die IFRS-Taxonomie erreicht. Dabei werden bestimmte Angaben des Konzernabschlusses mit XBRL-Etiketten (sogenannten Tags) versehen.
Das Tagging war und ist weiter eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung der Berichte. Die XBRL-Etikettierung, die zunächst auf die Unternehmensinformationen (u.a. Name, Sitz, Rechtsform) sowie die primären Abschlusstabellen (Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Eigenkapitalveränderung sowie Kapitalfluss- und Gesamtergebnisrechnung) beschränkt war, wurde für die im Frühjahr zu veröffentlichenden Berichte erheblich erweitert.
Bis zu 1.000 Etiketten zusätzlich im Anhang
In der laufenden Saison müssen rund 250 (!) zusätzliche Informationen aus dem Anhang mit einem standardisierten Label versehen werden. Die Zahl der tatsächlich erforderlichen Etiketten liegt jedoch deutlich höher, beträgt in Einzelfällen sogar das Vierfache (!), da die zu taggenden Angaben mehrfach und an verschiedenen Stellen in den Berichten auftauchen.
Damit ist die aktuelle Berichtssaison ein echter Game Changer. Konnten bisher teilweise noch komplette Text- und Tabellenelemente (Block Tagging) etikettiert werden, müssen nun zahlreiche Einzelwerte mit Labels versehen werden. Das erfordert neben einer speziellen Tagging-Software, die bei jeder Änderung der Taxonomie neu programmiert werden muss, vor allem auch detailliertes IFRS- und Reporting-Know-how. Diese umfassenden Ressourcen können jedoch nur die wenigsten Unternehmen intern bereitstellen.
Taxonomieanpassungen im Blick behalten
Auch Full-Service-Dienstleiter planen gemeinsam mit ihren Tagging-Dienstleistern mittlerweile mehr Zeit für die Bearbeitung der Berichte ein, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben – denn in der heißen Phase, kurz vor Ablauf der Einreichungsfrist beim Unternehmensregister, stehen nicht nur die Unternehmen und ihre Dienstleister unter Druck, sondern auch die Wirtschaftsprüfer, die das korrekte ESEF-Format in den Bestätigungsvermerk aufnehmen müssen. Da angesichts des straffen Aufstellungs- und Prüfungsprozesses aber kaum Zeit bleibt, Fehler zu korrigieren, verlangen viele Wirtschaftsprüfer bereits im Vorfeld ein Test-Tagging, um Unstimmigkeiten in den strukturierten Berichtsteilen frühzeitig zu erkennen und beheben zu können.
Auf Nummer sicher gehen Unternehmen, die einen Dienstleister an ihrer Seite haben, denn diese befinden sich im ständigen Austausch mit den Behörden. Außerdem haben diese Serviceunternehmen stets die Änderungen der ESEF-Taxonomie im Blick, die von der IFRS Foundation laufend und auch unterjährig angepasst werden. Damit ist eine gesetzeskonforme Umsetzung gewährleistet. Hinzu kommt, dass Serviceunternehmen, die viele ESEF-Berichte taggen und damit Standards setzen, auch die speziellen Anforderungen der verschiedenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kennen. Das ist wichtig, denn die gesetzlichen Vorgaben werden in einigen Punkten durchaus unterschiedlich ausgelegt.
Das Outsourcing ermöglicht es den Emittenten außerdem, an ihren bewährten Prozessen festzuhalten. Sie übermitteln wie bei der XML-Konvertierung ihre Berichte als PDF- oder Word-Dokument an ihren Full-Service-Anbieter und erhalten innerhalb von wenigen Werktagen den getaggten Bericht zur Ansicht.
Weiter steigende Komplexität durch CSRD?
Wie geht es weiter, wenn die aktuelle Berichtssaison abgeschlossen ist? Nach einem kurzen Durchschnaufen sollte der Blick bereits wieder nach vorne gerichtet werden. Zwar ändern sich die gesetzlichen Anforderungen im kommenden Jahr nicht, doch dann geht das Reportingspiel mit einer erneuten Ausweitung der Pflichten wieder von vorne los. In den Lagebericht für das Geschäftsjahr 2024 muss dann erstmals der getaggte ESG-Report integriert werden.
Die Anforderungen, die sich aus der Umsetzung der neuen Richtlinie der Europäischen Union ergeben, sind noch nicht klar definiert. Deshalb kann die Frage, ob die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der nächste Game Changer ist, noch nicht eindeutig beantwortet werden. Eines ist jedoch sicher: Es zahlt sich aus, die Vorbereitungen frühzeitig aufzunehmen – das haben die ESEF-Erfahrungen der letzten beiden Jahre haben gezeigt. Außerdem sollten Unternehmen für die Umsetzung und Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse dann noch mehr Zeit einplanen als bisher.
Autor/Autorin
Sven Schenkluhn
Sven Schenkluhn ist bei der EQS Group u.a. verantwortlich für den Geschäftsbereich Data Services, der für die Einreichung von Jahres- und Konzernabschlüssen an das Unternehmensregister und die Vergabe von Legal Entity Identifier (LEIs) zuständig ist.