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Ein Zwischenstand zu Vorgehensweisen und Schwierigkeiten
Alle börsennotierten Unternehmen, die die nicht-finanzielle Berichterstattung nach § 289 b und c bzw. § 315 b und c HGB erstellen, müssen im Lagebericht über das Geschäftsjahr 2024 erstmalig die Anforderungen der CSRD und der ESRS erfüllen. Diese Unternehmen bereiten sich bereits seit geraumer Zeit darauf vor. Die EFRAG hat 28 Unternehmen aus verschiedenen Industrien zum Stand der ESRS-Implementierung im Frühjahr befragt und die Ergebnisse im Juli 2024 in einer Studie veröffentlicht.
Die folgenden vier Themenkomplexe werden dabei in der Studie beleuchtet: Beurteilung der doppelten Materialität, Datenpunkte, Wertschöpfungskette und organisatorische Ansätze zur ESG-Berichterstattung.
Beurteilung der doppelten Materialität
Mit dem Prozess der Beurteilung der doppelten Wesentlichkeit legen die Unternehmen fest, welche Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten wesentliche aktuelle und potenzielle Auswirkungen, Risiken und Chancen darstellen. Folglich ist eine Festlegung anhand objektiver Kriterien ein entscheidender Schritt für eine aussagekräftige Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dabei bewegen sich die Unternehmen zunehmend von einem eher auf subjektiven Einschätzungen beruhenden Prozess zu einem Verfahren, das auf objektiven Nachweisen fußt. Diese objektiven Nachweise umfassen messbare Daten sowie die Expertise interner und unternehmensfremder Spezialisten. Qualitative Informationen ersetzen dabei fehlende Daten und dienen der Ergänzung und Erklärung quantitativer Informationen. Die Unternehmen können die Schwellenwerte für „financial materiality“ leichter quantifizieren, da diese – analog zur Finanzberichterstattung – in den bestehenden Enterprise-Risk-Management-Systemen bereits gängige Praxis ist. Dagegen sind quantitative Schwellenwerte bei der Ermittlung der „impact materiality“ seltener verfügbar und schwieriger zu ermitteln. Um einen möglichst holistischen Blick auf
alle wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte zu gewinnen, werden interne Experten und Stakeholder in unterschiedlichen Phasen der Materialitätsanalyse eingesetzt. Dabei werden am häufigsten Interviews geführt oder Workshops abgehalten. Schriftliche Befragungen hingegen werden meist in Ergänzung zu Interviews und Workshops genutzt. Nur wenige der großen Unternehmen verwenden ausschließlich schriftliche Befragungen.
Datenpunkte
Als Ergebnis der Materialitätsanalyse ergeben sich die wesentlichen Angabepflichten,
die durch viele Datenpunkte spezifiziert werden. EFRAG Implementation Guidance 3 enthält eine Liste aller möglichen Datenpunkte aus den sektoragnostischen ESRS, die die meisten Unternehmen auch nutzen. Davon sind 161 verpflichtend anzugeben. Weitere 622 mögliche Datenpunkte sind abhängig vom Ergebnis der Materialitätsanalyse zu berichten. Nach Festlegung der zu berichtenden Datenpunkte ermitteln die Unternehmen in einer Gap-Analyse, welche Datenpunkte zusätzlich zu den in der Vergangenheit bereits berichteten Informationen erforderlich sind. Viele Unternehmen hatten das Ergebnis der Materialitätsanalyse noch nicht in die Gap-Analyse integriert. Das kann dazu führen, dass zuvor berichtete Datenpunkte weiterhin offengelegt werden, obwohl sie nicht wesentlich sind. Dies könnte den Fokus auf wichtige Informationen verschleiern. Viele Unternehmen nutzen die schrittweise Anwendung der Angabepflichten gemäß Anlage C zu ESRS 1, woraus sich die Mindestangaben im ersten Jahr der Anwendung ergeben. Einige Unternehmen nutzen das Konzept der Informationswesentlichkeit (Anlage E zu
ESRS 1) bei der Auswahl der Datenpunkte. Nur wenige Unternehmen berichten freiwillig alle Datenpunkte zu wesentlichen Aspekten. Für alle Unternehmen stellt die Ermittlung der neuen Datenpunkte eine besondere Herausforderung dar.
Wertschöpfungskette
Unter den hier behandelten Themen ist die Einbeziehung der Wertschöpfungskette am wenigsten fortgeschritten, weil es die komplexeste Anforderung darstellt und keine Erfahrungen vorliegen. Die meisten Unternehmen haben bisher eine vereinfachte, aggregierte Aufteilung der Wertschöpfungskette in Upstream, eigene Produktion und Downstream vorgenommen. Offensichtlich fällt es den Unternehmen schwer, die richtige Balance zwischen Aggregation und Detailliertheit von Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten in der Wertschöpfungskette zu finden. Viele Unternehmen nehmen daher die Übergangsvorschriften aus ESRS 1, 135 in Anspruch, wonach alle Anforderungen zur vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette spätestens im vierten Jahr nach Beginn der Berichterstattung nach den ESRS zu erfüllen sind. Die EFRAG Implementation Guidance 2: Value Chain gibt eine Hilfestellung, wo die ESRS aufgrund der Materialitätsanalyse Informationen zur Wertschöpfungskette erfordern.
Organisatorische Ansätze zur ESG-Berichterstattung
Die neuen Anforderungen an die Berichterstattung führen bei allen Unternehmen zu Veränderungen in der organisatorischen Herangehensweise für das ESG-Reporting. Das neue Reporting wird überall als eine Querschnittsaufgabe angesehen, wobei eine knappe Mehrheit die alleinige Leitung entweder dem CFO oder dem CSO überträgt. Die übrigen Unternehmen verteilen die Führungsaufgaben, wobei der CFO für die Reportingprozesse und der CSO für die Analyse der doppelten Materialität verantwortlich ist. Eine Vielzahl von Abteilungen ist in die Berichterstellung und vor allem in die Datengenerierung involviert. Neben der Finanz- und Nachhaltigkeitsabteilung sind dies in der Regel auch Human Resources, Risk Management, die interne Revision, die Einkaufsabteilung für die Lieferkette sowie die Kommunikations- und die Strategieabteilung. Für die Datengenerierung sehen die
meisten Unternehmen die Notwendigkeit, die bestehenden IT-Systeme zu erweitern bzw. neue Tools zu implementieren.
Ausblick
Die hier untersuchten, großen Unternehmen befinden sich offensichtlich auf einem guten Weg, entscheidungsrelevante Informationen zur Erfolgsmessung und Nachjustierung der Nachhaltigkeitsstrategie zu liefern. Dabei handelt es sich aber um die sogenannten Low-hanging Fruits. Es bleibt somit abzuwarten, wie die Unternehmen in der verbleibenden Zeit insbesondere das Reporting der schwieriger zu ermittelnden Datenpunkte lösen. Ferner gilt es, zu beobachten, wie die kleineren, kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften, die nicht über (große) Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen, die zusätzlichen Berichtsanforderungen bewältigen werden.
Autor/Autorin
Harald v. Heynitz
Harald von Heynitz ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie Partner Of Counsel bei WTS Advisory am Standort München und berät Unternehmen bei der Implementierung der CSRD, ESRS und EU-Taxonomie