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GoingPublic: Sie kamen mit dem IPO vor knapp zwei Jahren zu einem ziemlich ungünstigen Zeitpunkt für alles, was mit Immobilien zu tun hatte. War das schlechtes Timing oder warum die Wahl mitten in die deutsche Real-Estate-Misere hinein?
Laubenheimer: Rückblickend war das Timing nicht optimal. Bei einem IPO-Prozess hat man aber bis zu zwölf Monate Vorlauf. So war es auch bei uns: Die Entscheidung fiel demnach im Frühjahr 2021, als die makroökonomischen Trends gerade sehr günstig erschienen. Dann geschah der Angriff auf die Ukraine; etwas, das genauso wenig vorhersehbar war wie in der Folge der massive Anstieg der Inflation und die hohen Zinsen. Diese stiegen innerhalb kurzer Zeit von 0 auf rund 4% an. Zum Zeitpunkt unserer Entscheidung für das IPO schien es angemessen, aber im Nachhinein erwies sich das Timing als ungünstig, obgleich wir durch das IPO durchaus gestärkt durch die Krise gehen.
Poerschke: Wir sprechen vom größten Zinsanstieg innerhalb kürzester Zeit seit Jahrzehnten. Den hatte niemand auf der Agenda oder behauptet es nur im Nachhinein. Natürlich hat das unweigerlich Einfluss auf Immobilien bzw. Investments aller Art. Jede Krise wird aber stets irgendwann überwunden.
Laubenheimer: Lassen Sie mich an der Stelle noch klarstellen, dass höhere Zinsen per se kein Problem sind für uns oder die Branche. Unsere Bruttomarge ist auf einem höheren Zinsniveau sogar höher! Aber die Zweitrundeneffekte sind zum Teil problematisch: Insbesondere bei so schnell steigenden Zinsen warten potenzielle Wohnungskäufer erstmal ab. Die Hürde, plötzlich das Dreifache oder mehr an Zinsen für einen Immobilienkredit zu zahlen, ist sehr hoch. Entsprechend ist die Nachfrage nach Immobilen sehr stark zurückgegangen, was sich negativ auf die Absatzmöglichkeiten von Bauträgern und Projektentwicklern niederschlägt, welche unsere Anleger oft durch ihre Investments finanzieren.
GoingPublic: Sind wir denn mittlerweile durch die Talsohle im Tal der Tränen hindurch?
Laubenheimer: Ich gehe davon aus, da Frühindikatoren darauf hindeuten. Einiges gibt bereits Anlass zur Hoffnung. Die Finanzierungszinsen liegen teilweise schon wieder rund 20% unter ihrem Höchststand vor wenigen Monaten. Die Grundstückspreise haben sich mittlerweile auf einem deutlich gesünderen Niveau stabilisiert. Antizyklisch gesehen ist derzeit wieder ein sehr attraktiver Zeitpunkt zum Investieren – und nicht wie in den Jahren zuvor, als der gesamte Markt steigenden Preisen hinterherlief.
„Unter dem Strich können wir das Momentum eines wieder anziehenden Marktes daher stärker mitnehmen als Mitbewerber in angrenzenden Geschäftsfeldern und ohne Kapitalmarktzugang.“
Marc Laubenheimer
GoingPublic: Sie meinen, der Ertrag liege bekanntlich im Einkauf: Halten Sie selbst denn lange genug durch, um davon auch zu profitieren? Der Markt kann länger irrational abweichen, als man selbst durchsteht, nur um am Ende doch recht zu behalten.
Laubenheimer: Der Ertrag liegt nach wie vor im Einkauf. Mit dem IPO haben wir uns auf der Eigenkapitalseite so weit gestärkt, dass wir besser dastehen als der eine oder andere Marktteilnehmer ohne Kapitalmarktpräsenz. Unter dem Strich können wir das Momentum eines wieder anziehenden Marktes daher stärker mitnehmen als Mitbewerber in angrenzenden Geschäftsfeldern. Das Timing des IPOs mag suboptimal gewesen sein, aber im Kern war es für uns doch ein richtiger Schritt nach vorne.