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Nach § 45b Abs. 9 EStG müssen börsennotierte Gesellschaften zum Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses künftig eine umfassende Aktionärsidentifikationsabfrage durchführen und die erhaltenen Informationen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übermitteln. Nach einer Verschiebung um ein Jahr gelten diese Pflichten nun erst ab 2026. Doch für eine sachgerechte Vorbereitung ist es bekanntlich nie zu früh, zumal der operative und finanzielle Aufwand für die betroffenen Unternehmen wohl nicht unerheblich sein wird.

Die neue Bestimmung wurde durch das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG) (BGBl. 2021 Teil I Nr. 28, S. 1259) eingeführt. Das Gesetz soll insbesondere Missbrauch und Betrug im Rahmen des Erhalts von Kapitalerträgen effektiver verhindern, indem für das Steuerverfahren relevante Informationen dem BZSt übermittelt werden. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde kritisiert, dass § 45b Abs. 9 EStG hierzu nicht nennenswert beitragen werde, da dieselben Daten bereits von den Intermediären der Finanzverwaltung übermittelt würden. Dies wiegt schwer, hat den Gesetzgeber allerdings nicht von der Einführung der neuen Pflichten abgehalten.

Adressatenkreis

Die neue Bestimmung richtet sich an inländische börsennotierte Gesellschaften. Eine ausdrückliche Begriffsbestimmung dieser Merkmale enthält weder das EStG noch das KStG. Es ist unter ­Zugrundelegung von § 1 Abs. 1 KStG zunächst davon auszugehen, dass inländische Gesellschaften solche mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland sind. Börsennotiert sind nach aktienrechtlichem Verständnis Gesellschaften, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt einer Börse zugelassen sind (§ 3 Abs. 2 AktG). Die Bezugnahme des Gesetzeswortlauts auf den Informationsanspruch nach
§ 67d AktG, den nur börsennotierten ­Gesellschaften im Sinne der vorgenannten Definition haben, spricht für eine Übertragbarkeit der aktienrechtlichen Begriffsbestimmung. Dementsprechend wären Freiverkehrsemittenten nicht erfasst. Im Zweifel sollten diese jedoch die Abstimmung mit der Finanzverwaltung suchen. Hat die Gesellschaft nur eine von mehreren Aktiengattungen zum Handel im regulierten Markt zugelassen, steht dies der Qualifizierung als börsennotiert nicht entgegen.

Durchführung der Aktionärs­identifikationsabfrage

Wie erwähnt, verweist das Gesetz auf die Möglichkeit – nicht die Pflicht – der Adressaten, den Auskunftsanspruch nach
§ 67d AktG gegen die Intermediäre geltend zu machen. Während Gesellschaften zuvor selbst entscheiden konnten, ob, wann und in welchem Umfang sie hiervon Gebrauch machen, erhebt § 45b Abs. 9 EStG eine solche Abfrage nun zur Pflicht. Die Ansicht, nach der nur bei Ausübung des Informationsanspruchs die entsprechenden Informationen an das BZSt zu übermitteln seien, also keine Beschaffungs-, sondern nur eine Übermittlungspflicht bestehe, konnte sich bislang nicht durchsetzen. Auch der Gesetzeswortlaut („haben (…) zu verlangen“) steht einem solchen Verständnis entgegen. Die Gesellschaft muss sämtliche erhaltenen ­Informationen bis zu jedem einzelnen ­Aktionär, der ggf. nur eine einzige Aktie hält, konsolidieren (lassen), um eine Identifizierung ihrer Aktionäre vorzunehmen. Erschwerend hinzukommt, dass der relevante Zeitpunkt des Gewinnverwendungs­beschlusses für die Gesellschaft regelmäßig uninteressant ist, da dieser für die Aktionärskommunikation keine Relevanz besitzt.

Im Vorteil sind diejenigen Unternehmen, die Namensaktien ausgegeben haben. In diesem Fall wird ein Aktienregister geführt, das grundsätzlich Aufschluss über die Identität der Aktionäre gibt. Nach den verfahrensleitenden Hinweisen des BZSt zum Meldeverfahren nach § 45b Abs. 9 EStG vom 3. Mai 2024 ist eine Abfrage nach § 67d AktG in diesem Fall nicht erforderlich. Gleiches gilt demnach auch dann, wenn es keine Gewinnausschüttung gibt.

Weitergehende Pflichten vor Weiterleitung an das BZSt?

Das Gesetz sieht in § 45b Abs. 9 EStG keine Ergänzungs– oder Nachforschungspflichten und ebenso wenig Prüf- oder Korrekturpflichten für die von den Intermediären gelieferten Daten vor. Das BZSt bezieht die Bezugnahme auf § 93c AO in
§ 45b Abs. 9 EStG indes nicht nur auf Art und Weise der Übermittlung, sondern auch auf die dort genannten Mindest­angaben. Demnach soll gemäß den verfahrensleitenden Hinweisen des BZSt ­eine dort näher beschriebene Ergänzungspflicht – und damit notwendigerweise eine Überprüfungs- und ggf. Nachforschungspflicht – bestehen. Ausgenommen seien Fälle, in denen gesetzliche Beschränkungen einschlägig sind, wie bei Arbeitnehmer- oder bestimmten Kundendaten.

„Gerade nach der vielfältigen Kritik aus der Wirtschaft dürfen die weiteren Entwicklungen mit Spannung zu verfolgen sein.“

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Dies erscheint bedenklich und sollte rechtzeitig vor Inkrafttreten der neuen Pflichten konkretisiert, idealerweise gestrichen werden. Richtiger und mit dem Gesetzeswortlaut eher vereinbar erscheint, § 93c AO als Vorgabe ausschließlich für die Art und Weise der Weiterleitung zu verstehen und damit als Grundlage für eine reine Weiterleitungspflicht der erhaltenen Informationen und nicht darüber hinaus für Prüfpflichten, die sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht ergeben. Es bleibt abzuwarten, ob die verfahrensleitenden Hinweise des BZSt dahin gehend angepasst werden. In jedem Fall muss die Gesellschaft die ihr übermittelten Informationen gemäß § 93c AO unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, elektronisch an das BZSt übermitteln.

Last but not least: Informations- und Aufbewahrungspflichten

Das BZSt leitet aus § 93c Abs. 1 Nr. 3 und 4 AO Informations– und Aufbewahrungspflichten der Gesellschaft ab. Sie muss demnach den Aktionären mitteilen, welche Daten sie an die Finanzbehörde übermittelt hat oder übermitteln wird. Immerhin wird die naheliegende Möglichkeit vorgeschlagen, die Information der Aktionäre – ähnlich wie bislang zum Datenschutz praktiziert – mit der Hauptversammlungseinberufung zu verbinden. Selbstverständlich kann es hier zu Informationsdefiziten kommen, da die Einberufung ­naturgemäß rund fünf Wochen vor dem Gewinnverwendungsbeschluss erfolgt. Schließlich sind die übermittelten Daten aufzuzeichnen und für sieben Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Daten übermittelt wurden, aufzubewahren.

Fazit

Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass das BZSt den beschriebenen Pflichtenkreis reduziert, müssen sich die ­betroffenen Gesellschaften auf einen erheblichen Mehraufwand einstellen. Die Einbindung eines Dienstleisters kann ­interne Ressourcen schonen. Immerhin erhalten sie hierfür zwölf Monate mehr Zeit, da die Pflichten nach § 45b Abs. 9 EStG nach einer Entscheidung des Bundesfinanzministeriums erst für Kapitalerträge gelten, die den Aktionären nach dem 31. Dezember 2025 zufließen. Gerade nach der vielfältigen Kritik aus der Wirtschaft dürfen die weiteren Entwicklungen mit Spannung zu verfolgen sein.

Autor/Autorin

Herr Sebastian Beyer
Dr. Sebastian Beyer
Salary Partner at Taylor Wessing