Bildnachweis: Vidar – stock.adobe.com, stock3.com.
Mehr als zwei Jahre bewegte sich NFON (DE000A0N4N52) unter dem Radar der meisten Investoren. Im Geschäft mit der Cloud-Telefonie für Geschäftskunden stagnierten die Margen, der Aktienkurs sackte ab – bis der neue Vorstandschef Patrik Heider 2023 das bisherige Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellte und mit Andreas Wesselmann ein Vorstandsmitglied mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Softwareentwicklung bei SAP an Bord holte. Seit Januar geht es mit der Aktie, die aktuell auf einen Börsenwert von 130 Mio. EUR kommt, deutlich nach oben. Von Stefan Riedel
Mit seinen vorläufigen Zahlen für 2024 hat das 2007 gegründete und in München ansässige Unternehmen die Rückkehr in die Profitabilität untermauert. Der Umsatz kletterte um 6,1% auf 87,3 Mio. EUR. Noch deutlich besser hat NFON beim operativen Gewinn performt: Das bereinigte EBITDA legte um 48% auf 12,3 Mio. EUR zu. Der Free Cashflow vervielfachte sich aufgrund der deutlich gesunkenen Kapitalkosten von 1,0 auf 6,5 Mio. EUR.
Kerngeschäft Cloud-Telefonie
Das detaillierte Zahlenwerk mit dem Geschäftsbericht für 2024 wird NFON am 17. April veröffentlichen. Die Firma wird höchstwahrscheinlich das erste Mal seit dem Börsengang 2019 unterm Strich einen Gewinn erzielt haben. Bei seiner Jahresprognose für 2025 skizziert Vorstandschef Patrik Heider ein Umsatzwachstum von 8 bis 10% sowie ein bereinigtes EBITDA in der Größenordnung von 13,5 bis 15,5 Mio. EUR.
Nach dem finanziellen und technologischen Übergangsjahr 2024 will NFON eine neue Phase des Aufbruchs starten. Groß geworden ist NFON als Pionier in der Cloud-Telefonie. Rund um die Plattform Cloud BPX können die mehr als 55 000 Firmenkunden ihre Kommunikationsinfrastruktur für Internet-Telefonie und Videokonferenzen skalierbar gestalten, ohne auf physische Hardware und die damit verbundenen Anfangsinvestitionen und Wartungskosten zurückgreifen zu müssen.
Neustart nach Durchhänger
Seit 2021 verlangsamte sich das Umsatzwachstum. Zugleich vergrößerten sich die Verluste. Hausgemachte Probleme, vor allem die vielen Wechsel in der Firmenleitung und die massive Konkurrenz aus den USA durch Microsoft, Cisco, Zoom und lokale Video-Konferenz-Anbieter, hatten die Marktposition von NFON in Europa geschwächt. 80% der Konzernerlöse erzielt das Unternehmen auf dem Heimatmarkt Deutschland, dazu jeweils 10% in Österreich und Großbritannien. Aufgrund der landesspezifischen regulatorischen Bestimmungen ist der Einstieg in neue Ländermärkte mit dem entsprechenden Verlauf für Zertifizierungen verbunden. Als mittelfristig nächste Märkte hat NFON Italien und Polen im Visier.
Geschäftszahlen in. Mio. EUR | |||
2022 | 2023 | 2024 | |
Umsatz | 80,8 | 82,3 | 87,3 |
ber. EBITDA | -1 | 8,4 | 12,3 |
ber. EBIT* | -7,7 | 1,1 | 3,1 |
Nettogewinn* | -15,6 | -0,8 | 1,3 |
Gewinn je Aktie* | -0,94 € | -0,05 € | 0,07 € |
Dividende* | 0 € | 0 € | 0 € |
* Zahlen 2024 noch geschätzt |
Den firmeninternen Umbau hat der seit 2023 amtierende, neue Firmenchef Patrik Heider eingeleitet. Das ehemalige Vorstandsmitglied des Softwarekonzerns Nemetschek (DE0006452907) startete mit einer Fehleranalyse. „NFON hatte nach dem Erreichen der führenden Marktposition in der cloudbasierten Businesskommunikation einige Technologiezyklen nicht aktiv genug adressiert“, erläutert Heider gegenüber GoingPublic. So sei das Unternehmen während der Coronapandemie nicht optimal auf den stark wachsenden Bedarf an Videokonferenzlösungen vorbereitet gewesen. „Die Firma hatte Videofunktionen im Portfolio, ohne diese mit der aus heutiger Sicht erforderlichen Konsequenz weiterzuentwickeln. Anbieter wie Zoom konnten daher rasch Marktanteile gewinnen.“
Fokus KI-basierte Produkte
Die firmeninterne Neuordnung im operativen Geschäft war der erste Schritt mit dem Ziel, das Kerngeschäft Cloud-Telefonie wieder voranzubringen. Es folgte die Neuaufstellung mit der NFON NEXT Strategie 2027, die das Management im Januar 2025 vorstellte. Die zwei Säulen des künftigen Wachstums bestehen zum einen aus der Cloud-Telefonie rund um das Kernprodukt Cloudya. Zum anderen soll der Umsatz mit KI-basierten Anwendungen in den nächsten Jahren signifikant steigen.
Eine Schlüsselrolle spielt die im August 2024 übernommene Firma botario. Der Chatbot-Spezialist aus Bremen erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von 2,1 Mio. EUR und eine EBITDA-Marge von 30%. Die Chatbot-Software von botario übernimmt auf KI-Basis Aufgaben in der Kundenkommunikation. Die Abnehmer der botario-Kunden sind größtenteils Großkunden in der Finanzbranche und im öffentlichen Sektor. Marktstudien zeigen, dass im Banken- und Versicherungssektor bis zu 75% der einlaufenden Kundenanfragen über Bot-Technologien abgewickelt werden. NFON selbst adressiert bislang vor allem Kunden mit tendenziell weniger Telefonie-Nutzern, beispielsweise Arztpraxen oder Rechtsanwaltskanzleien.
Ambitionierte Langfristziele
„Mit der Integration von botario wollen wir uns Cross-Selling-Potenzial erschließen“, erläutert NFON-Chef Heider. Geschehen soll das, indem die Funktionalitäten der botario-Technologie in die Cloud-Telefonie integriert werden. Zugleich wird die Cloud-Businesstelefonie mit KI-gestützten Automatisierungslösungen für Kundenanfragen kombiniert. In der Summe will NFON damit kleinere und größere Firmen mit KI-basierten Lösungen ansprechen. Bei den Zielgruppen will NFON den Fokus auf Branchen mit hohen Kundenfrequenzen ausdehnen. Heider nennt gesetzliche Krankenversicherer, die Autobranche und Handelsketten wie Lidl.
Mit Blick auf die nächsten drei Jahre soll NFON nach den Worten Heiders europäischer Marktführer in KI-basierter Business-Kommunikation werden. Im Cloud-PBX-Geschäft seien 20% EBITDA-Marge möglich, im KI-Bereich deutlich mehr. Bis 2027 plant NFON mit einer bereinigten EBITDA-Marge von mindestens 15%. Darüber hinaus will die Gesellschaft ein bis zwei weitere Technologie-Akquisitionen realisieren.
Aktie im Aufwind
An der Börse kommt die Botschaft an. Seit NFON Ende Januar seinen Strategieplan NFON NEXT 2027 präsentierte, ist der Aktienkurs kräftig angesprungen. Der Börsenwert hat um mehr als 45% zugelegt. Im November 2024 hatte die Aktie bei 5,10 EUR noch ein neues Allzeittief erreicht. Das Allzeithoch datiert vom März 2021 bei 22,90 EUR. Schafft es NFON, die Profitabilität in diesem Jahr deutlich zu steigern, stehen die Chancen gut, dass die Aktie ihren mehr als zweijährigen Seitwärtstrend beendet und wieder zweistellige Kursregionen ins Visier nimmt.
Die Kursziele der fünf Analysten die das Unternehmen covern, schwanken zwischen 5,50 und 14,00 Euro. Drei Branchenexperten sprechen sich für den Kauf der Aktie aus, zwei plädieren dafür den Titel zu halten. Das 2025er-KGV von 35 lässt der Aktie weiteren Spielraum nach oben, wenn NFON in diesem Jahr durchstartet und die von den Konsensschätzungen erwartete Verdreifachung beim Gewinn schafft oder möglicherweise toppt. Aus Anlegersicht bleibt zu hoffen, dass das wieder wachsende Interesse der Börsianer auch den niedrigen Free-Float der Aktie beflügelt. Hauptaktionär bei NFON ist Aufsichtsratsmitglied Günter Müller, der über Milestone Venture Capital und eigene Anteile mehr als 35% der Aktien von NFON hält.
NFON-Kurzprofil
Branche: Telekommunikation
Mitarbeiter: 420
Hauptbörse: Frankfurt, Xetra
WKN/ISIN: A0N4N5 / DE000A0N4N52
Aktienzahl: 16,56 Mio.
Kurs (17.03.2025): 131,7 Mio. EUR
Vorstand: Patrik Heider (CEO, CFO), Andreas Wesselmann (CTO)
Aktionärsstruktur: 31,9% Milestone Venture Capital, 29,5 % Active Ownership Capital, 8,3% Universal Investment, 13,3% Streubesitz, 17% weitere inst. Investoren
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.