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Das Coronajahr 2020 hat einen Digitalisierungsschub mit sich gebracht: Lockdowns und Distanzregeln erzwangen eine ­Digitalisierung des Arbeitens, des Unterrichts, der Unterhaltung und des Einkaufens, zum Teil sogar des Familienlebens. Zahlreiche Unternehmen mussten ihre Geschäftsmodelle schlagartig einem digitalen Resilienztest unterwerfen. Aus Sicht der Finanzkommunikation stellt sich die Frage: Hat das Berichtsjahr 2020 auch einen Digitalisierungsschub für die ­Unternehmensberichterstattung mit sich gebracht? 

Die Studie „Online-Report-Perspektiven“ untersucht seit 2016 die ­Online-Berichterstattung der jeweils 50 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland und in der Schweiz. Im Zeitverlauf zeigt sich: Während die Unternehmen sich konsequent von Printberichten verabschieden, entwickelt sich die Digitalisierung der Berichterstattung nur schleppend (Abb. 1). Unangefochtener Format­könig ist der PDF-Bericht: Seit Erhebungsbeginn bieten 100% der Unternehmen ­einen PDF-Bericht an; der Anteil der Printberichte ging derweil von fast 100% auf ­inzwischen nur noch etwa ein Viertel ­zurück. Doch was ist mit tatsächlichen ­Onlineberichten, also HTML-Umsetzungen der Geschäftsberichte?

Unter den untersuchten deutschen ­Unternehmen lässt sich kaum eine Entwicklung feststellen; der Anteil der Unternehmen mit einem HTML-Bericht verharrt bei etwas über 50%. In der Schweiz dagegen veröffentlichten 71% einen Online­bericht. Doch was ist das eigentlich? ­Tatsächlich zeigt die Analyse, dass sich in aller Regel ein sogenannter Hybrid dahinter verbirgt, also nur Teile des Geschäftsberichts in HTML umgesetzt werden (in Deutschland 38 der 56%, in der Schweiz
54 der 71%). Und selbst diese Hybride, also verkürzte HTML-Umsetzungen, schrump­fen bei genauer Betrachtung häufig auf eine interaktive Einstiegsseite ­zusammen, die mit statischen Inhalten hinterlegt wird.

PDF first?

Tatsächlich gilt für die digitale Bericht­erstattung in Deutschland und der Schweiz also: PDF first. Interessanter­weise tut sich dabei durchaus etwas in
der PDF-Berichterstattung. In Deutschland boten 2021 bereits 26% der untersuchten Unternehmen ein PDF im Querformat an. Warum? Dieses soll am Bildschirm besser lesbar sein. Gut zwei Drittel der PDF-­Berichte weisen auch interaktive Inhaltsverzeichnisse, Links und Navigations­hilfen auf. Wirklich zu Ende gedacht ist das sogenannte Screen-PDF aber häufig nicht, denn eine bildschirmoptimierte Lesbarkeit (Textfülle, Schriftart, Abstände etc.) weist nur die Hälfte der PDFs auf.

Die publizierenden Unternehmen verhalten sich somit wie ein Autobesitzer, der seinen in die Jahre gekommenen Pkw ­lieber neu lackiert, statt in ein neues Fahrzeug zu investieren. So erfüllen Screen-PDFs mehr schlecht als recht ihren Zweck, eine wirkliche Online-Berichterstattung ersetzen sie ebenso wenig wie Hybrid­berichte mit allein einer interaktiven Einstiegsseite. Eine Unbekannte im Feld der HTML-Berichte ist dabei die erstmals ­verpflichtende XBRL-Berichterstattung. Nur 4% der untersuchten Unternehmen stellten 2021 den XBRL-Bericht auf ihrer Website zum Download bereit. Auch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger ließ lange auf sich warten. Entsprechend ist noch offen, wie die Zielgruppen das neue Format annehmen.

Die Onlineberichte – so es sie gibt – sind besser auffindbar und zugänglich, die unverändert dominierenden PDFs sind einfacher navigierbar.

Deutlich verbessert hat sich im ­Vergleich zum Vorjahr primär die Zugänglichkeit der Onlineberichte. Bei einem Drittel der untersuchten Unternehmen ­gelangten Besucher zu diesen mit nur ­einem Klick von der Startseite der Corporate Website; im Vorjahr waren hier meist drei oder mehr Klicks notwendig. Auch die Suchfunktion der Corporate Websites führte 2021 eher zum Ziel als im Vorjahr: Immerhin in 40% der Fälle war der Onlinebericht bei einer entsprechenden Suche das erste Ergebnis. Und auch die Such­maschinenoptimierung wurde – gewissermaßen – optimiert: In 90% aller Fälle führte das erste Resultat einer Google-Suche ­korrekt zum Onlinebericht. Responsiv ­waren 2021 alle untersuchten Online­berichte, nur die Ladezeiten waren im ­Falle eines mobilen Zugangs häufig noch relativ lang.

Social Media

Ein überraschender Rückgang war 2021 dagegen beim sogenannten Push-Reporting zu verzeichnen, also der Kommunikation zum Geschäftsbericht über die Social-­Media-Kanäle der Unternehmen. Auffällig selten erwähnten CEOs auf LinkedIn oder Investor-Relations-Abteilungen auf Twitter den Geschäftsbericht (Abb. 2). Allein Instagram wurde 2021 etwas häufiger für die Berichtskommunikation genutzt.

Hinter der zögerlichen Nutzung der ­Social Media verbirgt sich eine organisa­tionale Herausforderung: In der Regel ist die Investor-Relations-Abteilung für die Berichtserstellung zuständig, in 100% der Fälle findet sich der Bericht entsprechend auf der IR-Website. Die Kommunikation der IR ist jedoch stark auf die vorläufigen Jahreszahlen fokussiert. Die Social-Media-Kanäle werden dagegen meist durch die Corporate-Communications-Abteilung verantwortet, die nicht für den Bericht verantwortlich ist. In nur einem Drittel der Fälle findet sich der Onlinebericht dann auch über die Corporate-Communications-Website.

Hinter diesem Dilemma verbirgt sich ein Erklärungsansatz für die zögerliche ­Digitalisierung der Berichterstattung: Fortschritte sind vor allem auf einer operativen und technischen Ebene festzustellen. Die Onlineberichte – so es sie gibt – sind besser auffindbar und zugänglich, die unverändert dominierenden PDFs sind einfacher navigierbar. Hier zeigt sich das Engagement der Berichtsverantwortlichen und ihrer Dienstleister. Der notwendige Sprung aber zu einer umfassenden ­Online-Berichterstattung und einer ­aktiven Berichtskommunikation erfordert strategische, abteilungsübergreifende Ent­scheidungen, die nicht im Kompetenz­bereich der Verantwortlichen liegen. Hier hat die Unternehmensführung zu entscheiden. In aller Regel konnte sie sich auch im Pandemiejahr 2020 nicht dazu durchringen.

Erfahren Sie mehr
Die Ergebnisse der Studie „Online-Report-Perspektiven 2021“ werden erstmals im Rahmen des öffentlichen Symposiums „Reporting Perspektiven: Trends – Dialog – Netzwerk“ am 29. September 2021 in Frankfurt präsentiert.
Anmeldung unter: online-reporting.org

 


 

ZUM AUTOR
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann ist Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig und Direktor des Center for Research in Financial Communication.

Autor/Autorin

Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann