Die Herausforderungen sind zahlreich, verzagen aber keine Option: In seinem Eingangsstatement setze Harald Hagenauer, Vorstandsvorsitzender der CIRA (Cercle Investor Relations Austria), gleich das Sentiment der 16. Jahrestagung im Palais Niederösterreich: „Wir gehen mit Optimismus die vor uns liegenden Aufgaben an und sehen vor allem die Chancen.“ Dem folgten die mehr als 300 Teilnehmer, die während engagierter Diskussionen und interessanten Vorträgen Einblicke gaben in das, was regulatorisch kommt – aber stets auch die Chancen beleuchteten und Lösungsvorschläge bereithielten.
Ex-General Domröse: „Die Lage ist ernst“
„Die Lage ist ernst“ stellte Hans-Lothar Domröse während seiner Keynote fest. Der ehemalige Vier-Sterne-General und NATO-Befehlshaber zeichnete ein Bild einer Welt „mit einer dramatischen Nicht-Regierung“. Vor der US-Wahl werde in den weltweiten Auseinandersetzungen nichts entschieden. Und danach? „Irgendwann wird das Schießen aufhören“ zeigt sich Domröse sicher – aber dann werde es erst richtig teuer für Europa, denn „wir werden die Russen dauerhaft abschrecken müssen. Das kostet.“ Domröse rechnet damit, dass der Westen zu gegebener Zeit Truppen stationieren muss, und zwar in einer Ukraine ohne Krim und Donbass.
Wie also die Zukunftsfähigkeit sichern? Im Panel dazu kristallisierte sich heraus, dass Ressourcensicherheit, Arbeitskräfteverfügbarkeit, Infrastruktur und Sicherheit im Innern wie Außen entscheidende Faktoren darstellen: „Wir sind im Wettbewerb mit Konkurrenten, die wesentlich billigere Energie als wir nutzen“ beschrieb Gerald Mayer, voestalpine, die Lage. Sein Unternehmen reagiere mit der Ausweitung nachhaltiger Stahlerzeugung und der Ausweitung der Wertschöpfungskette downstream. Peter Skerlan, Frequentis, Ausrüster von sicherheitskritischen Zentralen im zivilen und militärischen Bereich, kennzeichnete die Situation so: Durch die Internationalisierung sei global immer irgendwo ein Ausnahmezustand. „Wir reagieren mit Flexibilität, das ist für uns ein Lösungsmuster.“ Journalistin Johanna Hager (Kurier) fasste bündig zusammen: „Energiesicherheit ist die Grundlage für alles, denn ohne könnten wir uns nicht einmal verteidigen oder Waffen herstellen.“
Die Rahmenbedingungen werden also komplex bleiben, um so wichtiger, den Kapitalmarkt zu beleben. Darüber diskutierte ein hochkarätig besetztes Panel. Franz Mostböck, Erste Group Bank AG, stellte fest, dass der Kapitalmarkt „in Europa keinen Stellenwert mehr besitzt. Wir müssen den Stellenwert erhöhen, um die Finanzierung unserer Unternehmen auch künftig sicherzustellen.“ Nico Baader, Baaderbank, hatte dazu einen ganz konkreten Vorschlag. Hierzulande seien Hauptversammlungen Sachstandsberichte, rückwärtsgewandt. „In den USA ist das ganz anders, da sind das richtige Aktien-Verkaufsshows. Da wird nach vorne geblickt, denn der Investor will wissen: Wo geht es hin?“ Dem stimme Angelika Sommer-Hemetsberger zu: „Da können wir uns von den Amerikanern wirklich etwas abschauen – sonst geht bei uns bald niemand mehr zu einer Hauptversammlung.“ Über allem schwebte die Frage, wie man eine neue Generation für die Aktie und den Kapitalmarkt begeistern könne. An vielen Stellen, auch in den vielen Gesprächen am Rande, war zu hören: Eine kapitalgestützte Rente könnte so etwas wie ein game-changer sein.
Nach den Panels für die große Linie ging es vor allem am Nachmittag in die Details: Wie sieht zukünftig die ESG-Berichterstattung aus, welche konkreten Umsetzungen für angekündigte Gesetze (Umsetzung EU-Richtlinien in nationales Recht) besser früher als später in die Wege zu leiten sind, welche Strafen drohen, welche Green Claims unter welchen Bedingungen noch möglich sein werden, wer das alles in welcher Tiefe prüft, welche ad-hoc-Pflichten demnächst gelten und so fort. Die Teilnehmer konnten sich umfassend informieren.
Austrian Digital Communication Award 2024
Höhepunkt und Abschluss der Tagung war die Verleihung des Austrian Digital Communication Award 2024. Der österreichische Kapitalmarkt ist auf gutem Weg, sich fit für die digitale Zukunft zu machen, lautet das Fazit der Juroren. Der Austrian Digital Communication Award 2024 fokussiert sich auf die 41 Unternehmen des ATX Prime, darunter die 20 ATX Unternehmen, wie sie am 1. Januar 2024 gelistet waren. Untersucht wurden insbesondere Umfang und Qualität der digitalen Kommunikation im Geschäftsjahr 2023. Drei digitale Kanäle standen hierbei im Fokus: Die Investor Relations Website (IR-Website), der digitale Geschäftsbericht und die Präsenz in sozialen Medien. Ergebnis: „Der österreichische Kapitalmarkt ist auf dem Weg, sich fit für die digitale Zukunft zu machen.“ sagt Henning Zülch, HHL Leipzig Graduate School of Management. Die Hochschule hat die Untersuchung konzipiert und durchgeführt.
Sieger und Gewinner der Platin-Auszeichnung wurde die Vienna Insurance Group. Sie erreichte den 1. Platz im Gesamtranking mit intuitiver Navigation für schnellen Zugriff auf wichtige Informationen wie Aktienkurse und Finanzberichte. Für den Geschäftsbericht 2023 wurde eine HTML-Microwebpage eingerichtet, die durch Videos als Storytelling-Elemente ergänzt wird. Die Vienna Insurance Group AG nutzt aktiv LinkedIn und X (ehemals Twitter), um Stakeholder zeitnah mit aktuellen Informationen zu versorgen, hieß es in der Laudatio.
Gold gab es für die Lenzing AG. Sie belegte den 2. Platz im Gesamtranking mit einer klar strukturierten IR-Website, die umfassende Informationen zu Financial- und Sustainability Reporting bietet. Der Geschäftsbericht unter dem Motto „Ready to join?“ enthält gut verknüpfte Inhalte mit direkten Links zu relevanten Anhangangaben und nutzt Videos für effektives digitales Storytelling. Unternehmensdaten stehen zum Download zur Verfügung, während die Social-Media-Kommunikation über LinkedIn Stakeholder kontinuierlich informiert.
Die OMV AG belegt den 3. Platz im Gesamtranking mit einer gut strukturierten und funktionalen IR-Website. Die IR-Website bietet eine transparente Darstellung der Informationen zur Hauptversammlung und verknüpft Inhalte im digitalen Geschäftsbericht effizient, unter anderem durch ein verlinktes Inhaltsverzeichnis, so die Hochschule. Unternehmensdaten sind im Excel- und XBRL-Format verfügbar, während die OMV AG über LinkedIn und X (ehemals Twitter) aktiv kommuniziert, um Stakeholder zu erreichen.
Hier die Liste der Top Ten, der Durchschnittsscore lag bei 41 Punkten:
Ranking
Platz | Unternehmen | Score |
1. | Vienna Insurance Group AG | 75,50 |
2. | Lenzing AG | 65,63 |
3. | OMV AG | 64,25 |
4. | Voestalpine AG | 63,63 |
5. | Erste Group Bank AG | 56,25 |
6. | Wienerberger AG | 55,75 |
7. | AGRANA Beteiligungs AG | 54,25 |
8. | Österreichische Post AG | 50,88 |
9. | PORR AG | 48,63 |
10. | Strabag SE | 48,13 |
Quelle: CIRA
Fazit
Die CIRA-Jahreskonferenz bot rundherum Mehrwert. Über die Informationsgebung in den Panels hinaus blieb genügend Zeit, zu netzwerken und neue Kontakte zu knüpfen. Das spektakuläre Ambiente und hochstehende Catering, ganz zu schweigen vom kurzweiligen Vorabend-Event, setzte Maßstäbe.
Autor/Autorin
Stefan Preuß
Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".