Die wallstreet:online AG (w:o AG) blickt auf eine dynamische Entwicklung zurück. Mit ihrer strategischen Positionierung, der Verzahnung reichweitenstarker Finanzportale und dem Transaktionsgeschäft besitzt sie ein deutliches Alleinstellungsmerkmal. Von Robert Steininger*

Der vor Kurzem vermeldete Umsatzrekord ist da lediglich als Zwischenetappe zu sehen. Die zum Konzern gehörige Handelsplattform Smartbroker hat sich innerhalb von nur zwei Jahren zum größten Neobroker Deutschlands entwickelt. Bald werden die Berliner mit einer eigenen Cloud-Plattform, dem Relaunch des Transaktionsgeschäfts als „Smartbroker 2.0“ sowie der Erweiterung der BaFin-Lizenz die nächste Wachstumsstufe zünden. Das Transaktionsgeschäft bildet für die w:o AG den Wachstumsmotor der Zukunft. Nach Einschätzung von Analysten ist die Aktie daher noch unterbewertet.

Kerngeschäft mit hohen Margen

Als Folge mehrerer Zukäufe gehören heute die Portale wallstreet-online.de, boersenNEWS.de, FinanzNachrichten.de und ARIVA.de zur Unternehmensgruppe. Zusammen generierten diese im vergangenen Jahr beachtliche 3,9 Mrd. Page Impressions. Damit ist die w:o AG größter verlagsunabhängiger Betreiber von Finanzportalen im deutschsprachigen Raum.

Das Informationsangebot umfasst aktuelle Nachrichten zum Wirtschafts-, Finanz- und Börsengeschehen, Lesermeinungen, Expertenberichte und Berichte ausgewählter Premium-Autoren. Zudem verfügen die Berliner über die größte deutschsprachige Finanz-Community. In den Foren der vier Börsenportale sind mehr als 830.000 User mit einer Affinität zum Finanzsektor registriert.

Geld verdient die Gesellschaft in diesem Bereich mit Werbeeinnahmen. Die Geschäfte laufen gut: 2021 stiegen die Media-Umsätze um 32% und machten damit gut zwei Drittel der Gruppenumsätze aus. Zudem ist der Bereich mit einer EBITDA-Marge von 43% hoch profitabel. Die Werbetreibenden, in erster Linie Anbieter von Finanzmarktprodukten oder hochpreisigen Konsumgütern, suchen Zugang zur Kundengruppe der Kleinanleger mit überdurchschnittlichem Einkommen sowie mit einem hohen Bezug zu Finanz- und Wirtschaftsthemen.

Transaktionsgeschäft als Wachstumstreiber

Zunehmend spielt die Musik jedoch woanders: 2018 machten die Berliner mit der Beteiligung an der wallstreet:online Capital AG (w:o Capital), einem im Jahr 2000 als eigene Tochtergesellschaft gegründeten und 2010 durch einen Management-Buyout eigenständig am Markt auftretenden Fondsvermittler einen richtungsweisenden Schritt. Als Betreibergesellschaft brachte die w:o Capital AG im Dezember 2019 den Smartbroker an den Start, womit w:o indirekt den Einstieg in das aussichtsreiche Transaktionsgeschäft vollzog. Nach mehreren Anteilsaufstockungen gehören der Gruppe heute mehr als 95% der Aktien der w:o Capital. Ein Squeeze-out-Verfahren läuft aktuell.

Smartbroker differenziert sich dabei deutlich von anderen Online- oder Neobrokern, denn die Plattform vereint das umfassende Angebot eines Fullservice-Anbieters mit dem schlanken Kostenprofil eines Neobrokers, bei denen die Ordergebühren teilweise auch gegen „Null“ tendieren. Im Zuge der Corona-Krise, eines positiven Kapitalmarktumfelds und haussierender Börsen konnte die Branche jüngst enorme Zuwächse verbuchen.

Smartbroker erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr bereits Erlöse von 14,6 Mio. EUR und trug damit mit 31% zum Gruppenumsatz bei. Durch hohe Neukundengewinnungskosten schreibt der Geschäftsbereich derzeit jedoch noch rote Zahlen. Für die Gewinnung von 129.000 Kunden wurden bisher 13,1 Mio. EUR, also rund 100 EUR je Kunde aufgewendet.

Größter Neobroker Deutschlands

Die Anzahl der Wertpapierdepots legte im vergangenen Jahr um 110% auf 246.000 zu und übertraf damit die vom Unternehmen ausgegebene Zielmarke von 200.000 deutlich. Allerdings sind hier auch rund 20% ‚klassische Transaktionen‘ wie über Fondsdiscount enthalten – ansonsten hätte man die Zielmarke direkt getroffen.

Gemessen an den betreuten Vermögenswerten (Assets under Custody, AUC) ist die Gesellschaft mit 8,8 Mrd. EUR der größte Neobroker Deutschlands. Die AUC konnten innerhalb der vergangenen zwölf Monate ebenfalls mehr als verdoppelt werden (+105%). Auch die durchschnittliche Depotgröße je Kunde von rund 36.000 EUR differenziert die Berliner deutlich von Wettbewerbern wie Trade Republic oder Flatex. Die Depotgrößten liegen bei diesen im Durchschnitt bei lediglich rund 5.000 EUR.

Ein interessantes Detail ist die stark gestiegene Anzahl der aktiv besparten Sparpläne um 170% auf 105.000. Zusätzlich legte das Sparvolumen je Kunde mit rund 300 EUR pro Monat um mehr als die Hälfte zu. Damit konnte sich Smartbroker nicht nur als Investment-, sondern auch als Sparplattform mit langfristig orientierten Kunden etablieren.

Qualitatives Highlight sind die Bestnoten, die Smartbroker bei Kundenbewertungen und im Wettbewerbsvergleich in Bezug auf das Preis- und Produktangebot eingefahren hat.

Rekordjahr

Die Gruppe erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr mit 51,4 Mio. EUR einen Umsatzrekord. Dies entsprach einer Steigerung um 82%. Damit wurde die formulierte Guidance von 45 bis 50 Mio. EUR ebenfalls übertroffen. Positiv wirkte sich die Vollkonsolidierung der w:o Capital AG als Betreibergesellschaft des Smartbrokers aus. Zwar stammen immer noch 69% der Erlöse aus Werbeeinnahmen des Mediabereichs, dennoch schlummert das eigentliche Potenzial im Transaktionsgeschäft (Smartbroker). Dieses legte einen Umsatzsprung um 142% hin.

Um schnell Marktanteile zu gewinnen investierte die Gesellschaft für ihre Plattform Smartbroker kräftig in die Neukundengewinnung. Trotz unvermeidbarer Kundengewinnungskosten (Customer Akquisition Costs, CAC) sowie Einmaleffekten lag das konsolidierte bereinigte EBITDA bei 4,4 Mio. EUR. Das bereinigte operative Ergebnis vor CAC stieg um 45% auf 17,5 Mio. EUR. Auch die weiteren Kennzahlen überzeugten: Die Nettoliquidität betrug zum Jahresende rund 20 Mio. EUR, die Eigenkapitalquote legte auf hohem Niveau auf 66% zu.

Smartbroker 2.0

Im zweiten Halbjahr des laufenden Jahres wird w:o die Basis für ein schnelleres und ertragsstärkeres Wachstum legen. Zentral ist für den Transaction-Bereich die Einführung der Smartbroker Cloud Platform (SCP) sowie der Relaunch des Smartbrokers als Smartbroker 2.0. Dadurch wird sich mit der Einführung einer App sowie der kompletten Neugestaltung des Desktop-Clients das Nutzererlebnis massiv erweitern und verbessern.

Durch die Internalisierung eines größeren Teils der Wertschöpfungskette wird das Geschäft deutlich skalierbarer und profitabler. Zudem können Abläufe beschleunigt werden (z.B. die Neukunden-Registrierung innerhalb weniger Minuten). Zum erweiterten Produktangebot werden auch der Handel mit Kryptowährungen und CFDs gehören. Mit diesen Schritten und der Abdeckung aller digitalen Kanäle sollen neue Kundengruppen gewonnen und das Transaktionsvolumen gesteigert werden.

Auch die Entwicklung des Media-Bereichs schreitet voran: So ist für die Portale wallstreet-online.de und ariva.de die Überarbeitung der Mobile-Apps geplant, um die Kundenbindung und Interaktion zu erhöhen. Zudem wird eine eigene Trading-Redaktion aufgebaut.

Unter dem Strich werden diese Maßnahmen zu sinkenden Kosten pro Trade und in der Neukundengewinnung führen, was sich wiederum in höheren Erträgen und Cashflows ausdrücken wird. Mit einem höheren Transaktionsvolumen und einem größeren Kundenstamm werden sich diese Effekte verstärken.

…in der zweiten Jahreshälfte werden wir ,Smartbroker 2.0′ starten, gleichzeitig eine Smartphone-App auf den Markt bringen und in den Handel mit Kryptowährungen einsteigen. Damit gehen wir nicht nur den nächsten Schritt, sondern schaffen die Voraussetzungen für die weitere Verzahnung mit unseren Finanzportalen, die wir natürlich weiter ausbauen werden…“, stellt CEO Matthias Hach die Zukunftsperspektiven der Gruppe dar.

Ausblick

Im laufenden Geschäftsjahr wollen die Berliner ihre Umsätze auf 62 bis 67 Mio. EUR steigern. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 25%. Dabei soll ein hohes Wachstum das Umsatzgewicht weiter in Richtung des Transaktionsgeschäfts verschieben (Ziel: 44% der Gruppenumsätze, nach 31% im Vorjahr). Während der Relaunchphase des Smartbroker 2.0 wird bei der Neukundengewinnung auf die Bremse getreten: Für das laufende Jahr ist so lediglich eine Zielmarke von 55.000 Neukunden geplant, dies entspricht etwa der Hälfte der Neukunden aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr. Ab 2023 ist dann eine Rückkehr zum dynamischen Wachstum der Vergangenheit avisiert, das deutlich über den Zielen für 2022 liegen soll. Bisher läuft scheinbar alles nach Plan: In den ersten beiden Monaten des Jahres wurden bereits 13.000 neue Depots eröffnet.

Für die Kundengewinnung werden 2022 insgesamt 6 Mio. EUR veranschlagt. Somit soll das bereinigte EBITDA nach CAC auf 10 bis 12 Mio. EUR zulegen. Das ist eine Vervielfachung gegenüber dem Vorjahreswert von 4,4 Mio. EUR. Für die AUC wird ein neuer Rekordwert von 10,3 Mrd. EUR in Aussicht gestellt.

Neben der „Smartbroker Cloud Platform“ und der Einführung des Smartbroker 2.0 ist die Erweiterung der BaFin-Lizenz von Wertpapierhandelsbank auf Wertpapierinstitut im laufenden Geschäftsjahr ein Meilenstein. Nach Unternehmensangaben sei mit der Erteilung der Lizenz noch im ersten Halbjahr zu rechnen.

Quelle: Konsensschätzungen bei onvista

Gut gerüstet

2020 formulierte die Gesellschaft mit der „Vision 2024“ auch ihre Mittelfristziele. Die Messlatte für den Umsatz wurde bei 75 Mio. EUR gelegt, 400.000 Kunden sollten gewonnen werden. In Bezug auf beide Größen erscheint es per Stand heute sehr wahrscheinlich, dass diese Ziele bereits 2023 erreicht werden könnten. In den nächsten Monaten soll daher die „Vision 2026“ konkretisiert werden.

Um die strategischen Veränderungen und das angestrebte Wachstum zu stemmen, hat die Gruppe die Management-Ebene deutlich erweitert. An der Spitze des fünfköpfigen Vorstands steht nun CEO Matthias Hach, der zugleich zusammen mit Thomas Soltau den Vorstand der w:o Capital bildet. In der Vergangenheit besetzte Hach Führungspositionen unter anderem bei comdirect, Flatex, der Onvista Bank und E-Trade. Weitere Mitglieder des Vorstands sind Roland Nicklaus (CFO), Oliver Haugk (CTO), Stefan Zmojda (CRO) und Michael Bulgrin (CCO). Als Vorsitzender des Aufsichtsrats fungiert Gründer und Großaktionär André Kolbinger, der 56,5% der Anteile an der Gesellschaft hält.

In der w:o Capital fand außerdem ein starker Personalausbau bei Entwicklern, Vermarktern und Kundenbetreuern statt. Zudem wurde das Führungsteam der Gesellschaft mit den drei ehemaligen comdirect-Managern Stefan Fischer (Marketing & Sales), Dietmar Gabor (Legal, Compliance, Anti-Money Laundering & Data Protection) und Christian Wendrock-Prechtl (User Interface, User Experience, Front End Development) erweitert.

Fazit

w:o ist im vergangenen Geschäftsjahr stark gewachsen. Die Verzahnung reichweitenstarker Finanzportale und des Transaktionsgeschäfts ist Differenzierungsmerkmal und Erfolgsformel zugleich. Smartbroker ist schon jetzt der größte Neobroker Deutschlands und hebt sich in Bezug auf Wachstumsgeschwindigkeit, Produktangebot und der durchschnittlichen Größe der Kundendepots deutlich positiv ab. Im laufenden Geschäftsjahr legt die Gruppe mit der Einführung der „Smartbroker Cloud Platform“, dem Relaunch des Smartbroker 2.0 sowie der Erweiterung der BaFin-Lizenz den Grundstein für neuerliches und profitableres Wachstum. In den nächsten Monaten wird die Gesellschaft außerdem die neue Mittelfristperspektive „Vision 2026“ vorstellen. Schon im laufenden Jahr soll die Anzahl der Kunden auf 300.000 zulegen und die betreuten Vermögenswerte auf über 10 Mrd. EUR ansteigen. Im Vergleich zur Bewertung von Neobrokern oder Online-Brokern, die einen Kunden mit einem niedrigen bis mittleren vierstelligen Betrag taxieren, ist die Gesellschaft mit einem Börsenwert von rund 260 Mio. EUR nicht teuer. Das margenstarke Kerngeschäft gibt es quasi on top. Analysten sehen unisono deutliches Aufwärtspotenzial für die Aktie und nennen mehrheitlich Kursziele von über 30 EUR.

Quellen Fotos und Grafiken: @w-o, onvista, Alster Research

*) Robert Steininger ist Fachautor für u.a. Anlagestrategien sowie Unternehmensanalysen und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online- und Investment-Strategien, Glücksspielthemen, Fußball, Krypto und Verhaltensanalyse