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Bei der Umsetzung der europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sind noch viele Fragen offen. Der vom Deutschen Aktieninstitut im August 2024 veröffentlichte ESRS-Wegweiser leistet einen Beitrag dazu, wie man mit vier wichtigen Fragen umgehen kann. Dabei handelt es sich um die Themen doppelte Wesentlichkeit, Berichtskreis, Begriffsdefinitionen und internes Kontrollsystem für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zu diesen werden auch erste Erfahrungen aus der Praxis geteilt.

Die 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stellt die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen auf eine neue Grundlage. Der EU-Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich der Berichterstattung erweitert, sodass die Berichtspflicht allein in Deutschland rund 15.000 Unternehmen erfasst. Die Standardisierung der Berichterstattung mit mehr als 1.100 Datenpunkten durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) hat zum Ziel, die Nachhaltigkeitsinformationen der Unternehmen vergleichbarer und verlässlicher zu machen. Die vorgeschriebene Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen soll das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Informationen zusätzlich stärken.

Was und wie die Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette über ihre wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen (Impacts, Risks and Opportunities; IROs) in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) zu berichten haben, konkretisieren die ESRS. Es gilt dabei, den Grundsatz der sogenannten doppelten Wesentlichkeit zu beachten. Unternehmen haben also darüber zu berichten, wie sehr sich Nachhaltigkeitsthemen auf ihr Geschäft auswirken („outside-in“) und wie stark ­ihre Aktivitäten Gesellschaft und Umwelt beeinflussen („inside-out“).

Bei der konkreten Umsetzung der ESRS herrscht aber noch große Unsicherheit. Das liegt zum einen daran, dass es sich bei der Berichterstattung für Unternehmen, Wirtschaftsprüfer und Aufsicht um juristisches Neuland handelt. Zum anderen stellen die Fülle der zu berichtenden Nachhaltigkeitsinformationen, die Komplexität der Materie und vor allem die ­vielen Interpretationsspielräume die ­Unternehmen vor ­beträchtliche Herausforderungen.

Obwohl der europäische Standardsetter EFRAG im Mai Implementation Guide­lines zu den Themen Wesentlichkeitsanalyse und Wertschöpfungskette veröffentlicht hat, braucht es weitere Hilfe bei der Umsetzung.

Praxiswegweiser

Wie die Umsetzung der ESRS aus Sicht von Praktikern sinnvoll erfolgen kann, hat das Deutsche Aktieninstitut in seinem ESRS-Wegweiser festgehalten. Darin teilen die Mitgliedsunternehmen des Deutschen Aktieninstituts, die an der Aus­arbeitung des Praxiswegweisers mitgewirkt haben, ihre Implementierungserfahrungen. Sie geben Hinweise zu Herausforderungen, die mit der Umsetzung der ESRS verbunden sind, und zeigen ­Lösungsmöglichkeiten im Umgang mit diesen auf. Der Wegweiser ist als Momentaufnahme zu verstehen, da sich die Nach­haltigkeitsberichterstattung ständig weiterentwickelt.

Download unter https://bit.ly/esrs_dai

Von Mai bis Juli 2024 haben die Mitgliedsunternehmen in vier Arbeitsgruppen Praxisempfehlungen zu den Themen doppelte Wesentlichkeit, Berichtskreis, Begriffsdefinitionen und internes Kontrollsystem für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erarbeitet.

Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit

Im Gegensatz zur EU-Taxonomie ist die Beurteilung der Wesentlichkeit in den ESRS nicht durch bestimmte Kriterien geregelt. Insbesondere die Entscheidungen über das Definieren der Kriterien und die Bewertung sowie das Festlegen der Schwellenwerte, ab wann die IROs wesentlich sind, obliegen letztlich dem jeweiligen Management. Die Ausführungen orientieren sich an den fünf Schritten der Implementation Guidance zur Wesentlichkeitsanalyse der EFRAG. Dazu gehören unter anderem die Identifizierung und die Bestimmung der wesentlichen IROs. Es zeigt sich, dass die meisten Unternehmen bei der Identifizierung der IROs einen Top-down-Ansatz wählen. Danach werden diese auf zentraler Ebene durch Experten der (Konzern-)Fachfunktionen bestimmt. Das meistgenutzte Tool bei der Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse ist Excel.

Der Berichtskreis der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Auch wenn die CSRD grundsätzlich vom gleichen Konsolidierungskreis wie dem der ­Finanzberichterstattung ausgeht, ergeben sich vereinzelt Abweichungen und Besonderheiten. So fordert die CSRD ­unter bestimmten Voraussetzungen ­Angaben zu Tochterunternehmen, die aus Gründen der Unwesentlichkeit für die Finanzberichterstattung nicht in den ­finanziellen Konsolidierungskreis einbezogen sind. So kann ­eine sehr kleine Tochtergesellschaft einen wesentlichen Anteil an der Umweltbelastung durch ein Unternehmen haben. Auch wird der generelle IFRS-Konsolidierungskreis für gewisse Umweltthemen um das Konzept der operativen Kontrolle erweitert. Darunter ­versteht der Gesetzgeber „the ability to direct the operational activities and relationships of the entity, site, operation or asset“. Der Praxiswegweiser stellt Kriterien zur Bestimmung des Begriffs operative Kontrolle dar. Er verdeutlicht auch praktische Herausforderungen bei der Umsetzung der Umweltthemen (ESRS E1-6) anhand von Beispielen eines Industrie- und ­eines Versicherungsunternehmens.

Begriffsdefinitionen

Dieser Abschnitt enthält Definitionen und Erläuterungen von ausgewählten Begriffen im Zusammenhang mit den ESRS. Ziel ist es, eine Anleitung zu bieten, wie einige der Schlüsselkonzepte und Anforderungen der ESRS aus Sicht der Unternehmenspraxis zu interpretieren und anzuwenden sind. Adressiert werden z.B. Investi­tionsausgaben (Capital Expenditures; ­CapEx), Betriebsausgaben (Operational Expenditures; OpEx), Klimatransitionsplan und Wertschöpfungskette.

Das interne Kontrollsystem nach der CSRD

Die neuen CSRD-Anforderungen erfordern die Implementierung eines effektiven internen Kontrollsystems (IKS) zur Datenerfassung, -verarbeitung und -berichterstattung. Der Wegweiser zeigt die rechtlichen Vorgaben in den ESRS für ein IKS für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf. Auch werden unterschiedliche Grundsatzfragen beleuchtet, beispielsweise die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung eines IKS für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie eine mögliche Priorisierung von ESG-Informationen. Für eine effiziente Implementierung des IKS für die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird ein Top-down-Prozess als vorteilhaft gesehen. Auch wird empfohlen, Experten der bestehenden IKS einzubinden und als Sparringspartner zu gewinnen, um die Ansätze bestehender IKS zu verstehen und eine effiziente Implementierung zu ermöglichen.

Fazit

Der Wegweiser leistet einen wichtigen Beitrag zu einer praxisgerechten Umsetzung der ESRS. Er kann anderen Unternehmen als Hilfestellung dienen, unabhängig davon, ob diese sich bereits mitten in der Umsetzung der ESRS befinden oder noch am ­Anfang stehen. Allerdings sehen wir auch den europäischen Gesetzgeber in der Pflicht, die Nachhaltigkeitsberichtsstandards im Rahmen einer ­Evaluierung zu entschlacken und ­unbestimmte Rechtsbegriffe zu definieren, um die Fokussierung auf die wesent­lichen Datenpunkte zu erleichtern.

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Autor/Autorin

Dr. Uta-Bettina von Altenbockum

Dr. Uta-Bettina von Altenbockum ist Leiterin Kommunikation und Fachbereich Nachhaltigkeit des Deutschen Aktieninstituts e.V. (DAI) in Frankfurt/Main.