Parallel zum Event in Frankfurt am Main erschien einmal mehr das Jahresspecial „Reporting Trends 2024/25“ – in seiner Vorab-Version. Der vermeintlich grüne Faden des von ESG und Regulierung dominierten Themenspektrums: rote Einfärbungen sind hier und da nicht zu übersehen.
Die Jahresausgabe Reporting Trends, ehemals „Geschäftsberichte & Trends“ erschien pünktlich zum Event abermals in Deutschlands Financial City sage und schreibe im 22. Jahrgang – erstmals 2003: ein echter (thematischer) Dauerbrenner also. Der jährliche Event in Verzahnung zur Ausgabe derweil zählt erst seinen dritten Jahrgang.
Der Dank der GoingPublic Media und allen an diesem Event Mitwirkenden inklusive natürlich den rund drei Dutzend Gästen geht an die Kanzlei ADVANT Beiten, die über eine sehr schöne Location im Westend Frankfurts an der oberen Mainzer Landstraße verfügt und uns diese wie schon im Vorjahr für den Event zur Verfügung stellte – fünfter Stock mit Panoramablick auf der einladenden Dachterrasse in Steinwurfweite zu den bekannten Türmen von Bahn, Deutscher Bank und Opernturm. Indes, das Wetter spielte dieses Jahr nicht so ganz mit. Beeindruckend aber die No-Show-Quote von exakt 0% – wer sich angemeldet hatte, war auch da. Das e-Magazin erschien parallel und wurde zum Event als Handout in angepasster Stückzahl – CO2-Fußabdruck minimierend – gedruckt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Markus Rieger, Gründer und Vorstand der GoingPublic Media AG, begrüßte die Gäste und zitierte aus einer kürzlichen Adhoc-Meldung, die symptomatisch für die Wahrnehmung des deutschen Kapitalmarkts stehe. In besagter Meldung von Mitte September beklagt die DFV Deutsche Familienversicherung in einer Art Brand-Adhoc die hohen Kosten der Börsenzulassung1 in Deutschland verbunden mit der Konsequenz, dass man ein Delisting beschlossen habe. Die Diskussion darüber verschoben die Teilnehmenden in die finale Diskussionsrunde, um nicht gleich allzu schwerverdaulich in den Event einzusteigen.
1 So sicherlich nicht wirklich korrekt: Gemeint waren wahrscheinlich eher die Börsenfolgepflichten oder noch eher die Kosten des öffentlichen Kapitalmarktauftritts ganz allgemein.
Weiter ging es also mit acht Impulsvorträgen, die sich in ein Zeitfenster von rund 90 Minuten einfügten. Den Auftakt machte Kay Bommer, zweifellos allen Anwesenden als langjähriger Geschäftsführer des DIRK und heute Ehrenmitglied hinlänglich bekannt. Er sieht die Verantwortung für ESG-Kompatibilität vorrangig bei den Emittenten – kritisch beäugt von Investoren, die entsprechende ‚Investierbarkeit‘ in diesem Sinne von Kapitalmarktemittenten einfordern müssten. Fonds und andere institutionelle hätten allemal die Deutungshoheit darüber. Diese sollten und müssten sie ihrerseits wahrnehmen – und nötigenfalls mit den Füßen abstimmen.
Die Überleitung zu einem Emittentenvertreter hätte kaum besser sein können: Dr. Cornelius Simons, Leiter Recht, Patente und Marken der Alzchem Group, erzählte von seinen Erfahrungen mit den neuen ESG-Auflagen. Die Alzchem war 2023 das einzige deutsche Unternehmen am Kapitalmarkt, das gewagt hatte, einen Klimabeschluss vorzulegen – auch auf das Risiko hin, dafür auf der HV von gewohnheits- oder berufsmäßig kritischen Investoren quasi ‚gefleddert‘ zu werden. Doch welch Überraschung: Der Mut zur Transparenz zahlte sich aus und die Zustimmung zum Say on Climate (=Klimabeschluss) der Alzchem erhielt eine fast schon sozialistische Zustimmungsquote von rund 95%.
Weiter ging es mit Timo Theobald, der sich dem sogenannten Fast Close des Reportings widmete – andere Themen als ESG und die neuen Regulierungsanforderungen gab es tatsächlich auch. Der Accounting Advisory Manager der CFGI referierte über den Trade-off zwischen besagten Regulierungsanforderungen und Stakeholder-Wünschen. Immerhin erfordert ein Monatsabschluss im Durchschnitt knapp acht Tage, ein Jahresabschuss rund 26. Mit entsprechender Koordination ginge es schneller – falls man denn möchte oder müsse. Dem schloss sich Nikolaus Färber von der WTS Advisory an, der über den Einsatz von KI oder AI im Reporting referierte. Ein rotes Tuch? – vielerorts noch. Vorrangig aus Gründen des Datenschutzes. Ebenfalls sicherlich ein Thema, das gekommen ist, um zu bleiben.
Im Anschluss ging es ins Jahr 2044 – einem Rückblick aus der Zukunft, skizziert von Dr. Matthias Bextermöller, Gründer und Geschäftsführer der Hamburger berichtsmanufaktur. Gegenstand war, wie man zwei Jahrzehnte später wohl auf die Anfänge der ESG-Berichterstattung zurückblicken würde: Was verhaftete, was wurde wieder gekippt? Passend dazu, obgleich ein Blick in die Vergangenheit, die ganz aktuelle Studie von Kirchhoff Consult, die sich die nicht-finanzielle Berichterstattung von DAX & Co im DACH-Raum genau unter die Lupe nahmen. Hängen blieb: Hiesige deutsche Emittenten bleiben in punkto Emissionsreduzierung ziemlich klar hinter dem Schweizer SMI und dem österreichischen ATX zurück. Co-Studien-Leiter Jan-Ole Brandt vermochte keine Korrelation zwischen Taxonomiekonformität und erreichten CO2-Reduktionen auszumachen. Eine Bestandsaufnahme, die ganz sicher einer jährlichen Aktualisierung bedarf.
Den Ausklang der Impulsvorträge im Sinne von Denkanstößen für die abschließende Generaldiskussion kam Axel Müller von firesys zu. Auch er stellte in seinem Mikrovortrag zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung und XBRL-Tagging die Frage: „Wo wollen wir mit all diesen Daten eigentlich hin?“
Die Antwort darauf mochte Kay Bommer in der abschließenden Diskussionsrunde in den Raum werfen: „Lasst uns wieder mehr Kür wagen!“ Die zu einer Art Telefonbüchern ausgearteten Geschäftsberichte würden ohnehin nur noch Maschinen auf der Suche nach verarbeitbaren Daten durchsieben – angefertigt ganz im Sinne der aktuellen regulatorischen Vorgaben. Diesen Eindruck untermauerte auch Moderator Patrick Kiss, der ja zugleich Emittentenvertreter ist: „Machen wir das gesamte Nachhaltigkeits-Reporting eigentlich nur für den Gesetzgeber?“ Die Nachfragequote von Seiten der Investoren der Deutschen EuroShop AG sei verschwindend vernachlässigbar, zitierte Kiss eine aktuelle Umfrageauswertung.
Der IR, der Investor Relations, käme der aktuellen Sachlage zufolge die Aufgabe zu, den Additional Value eines Emittenten zu erläutern, nicht mehr dem Geschäftsbericht, der zu einer statischen Datensammlung zur maschinellen Auslesbarkeit avanciert sei – früher galt er noch als Visitenkarte eines Unternehmens. Demnach müsse gelten, wie es aus dem Publikum verlautbarte: „Nicht der Geschäftsbericht selbst kann unsere Kapitalmarktkommunikation sein, sondern einzelne, ausgewählte Aspekte.“ Eben der Added Value oder ganz generell die Besonderheiten des Emittenten. Solche eben, die man nicht in Maschinenlesbarkeit habe übersetzen können. Das Fazit also: „Wir müssen die Kür offenbar erst wieder erlernen“.
Hier geht es zum Special „Reporting Trends 2024/2025“
Autor/Autorin
Falko Bozicevic
Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide.