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2020 war Disruption pur. Die Pandemie führte zu einem ungeahnten Digitalisierungsboom. Der Kapitalmarkt adaptierte und wandelte sich auch in Bezug auf die Art und Weise, wie Unternehmen mit Investoren und Aktionären kommunizieren. Nicht zuletzt hat COVID-19 die Investor-Relations-(IR-)Organisation und Investorenansprache vor große Herausforderungen gestellt.

Das interne und externe IR-Erwartungs­management wurde immer schwieriger. Präsenzmeetings und Reisen waren faktisch nicht mehr plan- und darstellbar. Auch die Herangehensweise der Unternehmen an einen Börsengang hat sich stark verändert. Die Platzierungs­phase wurde dank virtueller Roadshows deutlich digitaler und schlanker. Damit einhergehend haben kürzere Roadshows das Marktvolatilitäts- und Preisrisiko reduziert. Eine aktuelle Studie von DIRK und EY zeigt, wie sich die IR-Funktion wandelt und für die Zukunft aufstellt.

IR-Ziele: Sicherstellung eines offenen Kapitalmarktzugangs gewinnt an Bedeutung

Die Erfahrungen aus der Krise zeigen sich auch in der veränderten Gewichtung der Ziele. Dabei hat sich die Reihenfolge der Top-Five-Ziele von Investor Relations durch die Pandemie nicht verändert. An erster Stelle steht weiterhin der Erhalt des Investorenvertrauens, gefolgt von niedrigen Kapitalkosten und regulatorischer Compliance – jedoch gewinnen an vierter und fünfter Stelle die Sicherstellung eines offenen Zugangs zum Kapitalmarkt und eine geringe Aktienkursvolatilität in ­Zukunft für IR Officer eine höhere ­Bedeutung.

Dabei werden in der Kommunikation der Capital Market Story Themen wie ­Purpose und Nachhaltigkeit immer ­wichtiger. Diese werden zunehmend durch einen Mix aus nichtfinanziellen und lang­fristigen Leistungsindikatoren untermauert.

Digital-IR: schneller, besser, weiter

IR agierte schnell auf die pandemie­bedingten Veränderungen im Kapitalmarkt. Etablierte IR-Formate wurden schnell ­neugestaltet und der Situation angepasst. Digitale Roadshows, Videokonferenzen und virtuelle Hauptversammlungen ­bestimmen seither das Bild in der Finanzkommunikation. Die Umfrage zeigt: ­Virtuelle Formate bleiben mit hohem Stellenwert im Mix der IR-Formate. Zu den wichtigsten IR-Formaten zählen digitale Roadshows, virtuelle Investorenkonferenzen und Hauptversammlungen. In Zukunft planen Investor Relations Officer (IROs), traditionelle Formate auch weiterhin überwiegend virtuell, aber auch in persön­lichen Meetings anzubieten. Dabei empfiehlt die Mehrheit eine Dauer von 45 Minuten. Im Hinblick auf die Uhrzeit ergibt sich keine klare Präferenz. Von IROs werden als Vorteile dieser digitalen Formate genannt: Kosteneinsparungen insbesondere im ­Bereich der Reisekosten, eine größere Reichweite insbesondere in neuen geo­grafischen Regionen und Märkten, die ­Flexibilität und die Möglichkeit von Ad-hoc-Meetings mit Investoren und die ­bessere Möglichkeit, flexibler und schneller Termine mit Vorstand und Investoren über digitale Formate zu arrangieren. Es werden aber auch Nachteile gesehen: kein persönlicher Kontakt, technische Probleme und geringere Interaktion.

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Knigge in der digitalen Investorenkommunikation

Videomeetings mit Livebildern ersetzten in den vergangenen zwölf Monaten den üblichen Webcast. Damit änderten sich auch die Art der Kommunikation und ihre Anforderungen – weg vom persönlichen multidimensionalen Erlebnis und Eindruck, hin zu einem zweidimensionalen digitalen Medium samt neuen Heraus­forderungen und Erfahrungen mit „Dos und Don’ts“. Zum Knigge der digitalen Kommunikation besonders in Videokonferenzen zählen nach Aussagen der befragten IROs das Einschalten der Kamera, Maßnahmen zur Steigerung der Interak­tivität z.B. über Live-Umfragen oder Chatfragen, professionelle Dresscodes und Bildhintergründe, eine funktionierende Technik und Pünktlichkeit.

So zählen zu den am häufigsten verwendeten Kommentierungen im Jahr der Pandemie: „Can you all hear me?“, „You are on mute.“, “I will share my screen.“ 76% der IROs geben an, dass Investoren sehr offen für virtuelle Formate sind. 41% ­empfehlen für den Erstkontakt mit Investoren ein persönliches Treffen und darauffolgend digitale Investorenformate. Lediglich 24% geben an, wieder zu persönlichen Formaten überzugehen, sobald es möglich ist.

Virtuelle Hauptversammlung und IR-Budget

Erstmals erlaubte die Gesetzgebung pandemiebedingt eine rein virtuelle Hauptversammlung für eine Ausnahmeperiode. Die überwiegende Mehrheit der Befragten hat positive Erfahrungen mit der virtuellen HV gemacht. Unternehmen sparten laut der befragten IROs Kosten und senkten zudem den sonst hohen organisato­rischen Aufwand einer Präsenzveranstaltung. Besonders die HV ist ein hoher Posten im IR-Gesamtbudget. Weiter wurden die direkten HV-Abstimmungsergebnisse positiv hervorgehoben. Als nachteilig wurden die geringe Interaktion mit Aktionären sowie technische Risiken und ­Herausforderungen empfunden.

Die Mehrheit von 77% der IR Officer verfügt weiterhin über ein gleichbleibendes Budget, bei 17% ist es gesunken und bei 6% sogar gestiegen. Eine größere Gruppe von 32% der Befragten verfügt über ein IR-Budget (ohne Personalkosten) von 250.000 bis 500.000 EUR, kleinere ­Unternehmen von 100.000 bis 250.000 EUR und große Unternehmen von 500.000 bis 700.000 EUR, Unternehmen der großen Auswahlindizes über 1 Mio. EUR. Einsparungs- bzw. zu hebende Effizienzpotenziale für mehr Reichweite sehen die meisten IROs in geringeren Reisekosten für Road­shows und durch virtuelle Hauptversammlungen.

Die Zukunft zählt weiterhin

Pandemiebedingt stiegen die Umsatz- und Gewinnwarnungen von börsennotierten Unternehmen 2020 auf ein Rekordniveau. Prognosen verloren in rasantem Tempo ihre Gültigkeit. Und 2021 hatten wir eine Gegenentwicklung: Es war bisher ein ­Rekordjahr für Gewinnerwartungen. Wer kennt die Formulierungen nicht: „unpre­cedented times“ oder „New Normal“. Eine Guidance von Kennzahlen war nur noch schwer möglich. Die aktuelle Umfrage zeigt, dass die Guidance und die Analystenkonferenzen das wichtigste Medium bzw. Format für vorausschauende Aus­sagen von Unternehmen sind. Auch der übliche Prognosehorizont von zwölf ­Monaten verändert sich nicht. Umsatz, EBIT und EBITDA sind mit einer Aussage zur Dividendenpolitik die wichtigsten ­finanziellen Kennzahlen – auch in Zukunft. Als nichtfinanzielle Leistungsindikatoren werden CO2-bezogene Informationen, der Energieverbrauch, das soziale Engagement und die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit von den IROs genannt.

IR hat sich bewährt und für die Zukunft gut gerüstet

In der Krise und im zurückliegenden, ­virtuellen Kapitalmarktjahr hat sich gute IR wieder bewährt. Die IR-Funktion ist nahe am Geschehen ein wichtiger Anker in stürmischen Zeiten. Sehr schnell hat sich die Profession an die neuen Gegebenheiten angepasst und flexible, digitale ­Angebote für Investorenkommunikation geschnürt. Dass dies gut lief, liegt auch an den bereits geknüpften guten Beziehungen von IR zu Investoren und Analysten. Grundlage dafür sind das aufgebaute ­Investorenvertrauen zu den Unternehmensorganen und die Glaubwürdigkeit im IR-Erwartungsmanagement, die zukünftig in einem zunehmend digitalen Umfeld ­immer wichtiger werden.

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Positive Erfahrungen mit digitalen IR-Formaten werden den Mix an IR-Akti­vitäten und den Finanz- und Roadshow­kalender in Zukunft stark beeinflussen. Hier stehen der persönliche Kontakt und Eindruck im direkten Wettbewerb zur Reichweite und Flexibilität von digitalen Formaten. Eine Balance aus digitalen und Präsenzformaten wird sich in Zukunft ­bilden, um von den Vorteilen beider ­Welten zu profitieren. Mit digitalen oder hybriden Formaten sind neue Anforderungen des digitalen IR-Knigges für die ­Geschäftsleitung und die IR zu beachten. Wie die vorliegende Studie zeigt, gestalten IROs aktiv die Zukunft der Kapitalmarktkommunikation, schaffen Transparenz, bauen Vertrauen auf und sorgen für einen Mehrwert am Kapitalmarkt.

Autor/Autorin

Dr. Martin Steinbach
Partner, Head of IPO and Listing Services in Deutschland at Ernst & Young (EY) | Website

Dr. Martin Steinbach ist Partner und IPO-Leader bei EY. Er verantwortet seit April 2011 den Bereich IPO und Listing Services in Deutschland, Österreich und der Schweiz.