Mit der am 3. Juli 2016 in Kraft getretenen Europäischen Marktmissbrauchsverordnung (MAR) wurde der Pflichtenkatalog für Emittenten von Finanzinstrumenten, die im Freiverkehr gehandelt werden, an die höheren Standards des regulierten Marktes angeglichen, insbesondere mit Blick auf die beachtenden Regelungen zur Ad-hoc-Publizität (Art. 17 MAR), zur Führung von Insiderlisten (Art. 18 MAR) und zu Directors’ Dealings (Art. 18 MAR). Verstöße können teuer geahndet werden. In der Folge erwägen gerade auch Unternehmen aus dem Freiverkehr deshalb vermehrt ein Delisting. Von Dr. Alexander Thomas und Natalie Stark
Während ein Delisting vom regulierten Markt in § 39 Abs. 2 Satz 2 Börsengesetz (BörsG) normiert ist, fehlen entsprechende gesetzliche Bestimmungen für einen Börsenrückzug aus dem Freiverkehr. Vor dem Hintergrund behandelt der Artikel die Frage nach den Voraussetzungen eines Delistings von Emittenten im Freiverkehr.
Delisting – Begriff und Rechtslage
Unter „Delisting“ versteht man den Widerruf der Zulassung von Aktien zum Handel an einem regulierten Markt. Der Widerruf der Zulassung aus dem regulierten Markt ist in § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG geregelt. Hiernach darf der Widerruf nicht dem Schutz der Anleger widersprechen. Bei einem Delisting von Aktien aus dem regulierten Markt sieht das Gesetz zudem vor, dass Emittenten bei Antragsstellung über das Delisting eine Unterlage über ein Angebot zum Erwerb aller Aktien nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) vorlegen. Letzteres gilt erst seit der Neuregelung des BörsG im November 2015. Der Gesetzgeber griff mit dieser Regelung eine Forderung von Anlegerschützern auf. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) 2013 mit der FRoSTA-Entscheidung seine langjährige Rechtsprechung zum Delisting geändert hatte, waren aus Sicht der Anlegerschützer mit einem Delisting erhebliche Kursverluste für die Aktionäre verbunden. Der BGH hatte in Abkehr von seiner rund elf Jahre bestehenden Macrotron-Rechtsprechung entschieden, dass Aktiengesellschaften keinen Hauptversammlungsbeschluss und vor allem kein Abfindungsangebot an die Aktionäre benötigen, wenn sich Emittenten zumindest in ein qualifiziertes Freiverkehrssegment zurückzuziehen.
Beendigung der Notierung im Freiverkehr
Die Vorschrift des § 39 Abs. 2 Satz 2 BörsG und der darin angelegte Anlegerschutz bei einen Widerruf im regulierten Markt finden allerdings unmittelbar keine Anwendung auf einen Widerruf der Einbeziehung von Gesellschaften im Freiverkehr und damit auch nicht auf Emittenten, die in qualifizierten Freiverkehrssegmenten (wie z.B. Scale der Börse Frankfurt, m:access der Börse München oder Primärmarkt der Börse Düsseldorf) einbezogen sind. Die Beendigung der Notiz in einem solchen Segment erfordert daher lediglich eine Kündigungserklärung des Emittenten unter Berücksichtigung der jeweils einschlägigen AGB der betreffenden Börse. Der Kündigungserklärung geht regelmäßig ein Beschluss des Vorstands unter Zustimmung des Aufsichtsrats voraus. Eine Beschlussfassung der Hauptversammlung ist hierzu nicht vorgesehen. Darüber hinaus stellt das geplante Delisting eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation dar.