Bildnachweis: Oxygen Pictures GmbH, Karin Hofelich GPM-PLS, Urs Moesenfechtel GPM-PLS, Urs Moesenfechtel.
An Geschäftsideen und aussichtsreichen Start-Ups mangelt es in der deutschen Life-Science-Industrie nicht. Worauf es bei einem langfristig tragfähigen Geschäftsmodell ankommt und wie der lange Weg von der Grundlagenforschung zu kommerziell erfolgreichen Produkten und Technologien durch Privatkapital und die Börse finanziert wird, stand im Mittelpunkt des diesjährigen Finance Day der Going Public Media in Leipzig.
„Ein Feuerwerk an Innovationen und Anregungen“ für die Life-Science-Branche hatte Prof. Dr. Andreas Zaby (Innovationsmanager, SPRIND) als Moderator der ersten Panel-Diskussion auf dem Finance Day 2024 in Leipzig angekündigt. Der von der Plattform Life Sciences organisierte Event bot den rund 180 Teilnehmern reichlich Diskussionsstoff zu den unterschiedlichsten Themen, die von 35 Referenten und Experten kommentiert wurden. Eine Frage zog sich dabei wie ein roter Faden durch alle Vorträge. Mit welcher Strategie ein aus einer Geschäftsidee entstandenes Life-Science-Unternehmen in Deutschland den langen Weg bis zur Kommerzialisierung der eigenen Produkte und Medikamente finanziert, bleibt der Schlüssel für den Erfolg.
Vier Punkte zogen sich durch alle Podiumsdiskussionen und Unternehmenspräsentationen. Neu gegründeten Unternehmen, darüber waren sich die Branchenexperten einig, mangelt es nicht an Möglichkeiten für Seed-Finanzierungen, um die Basis für Forschung und operatives Geschäft auf die Füße zu stellen. Der darauffolgende Schritt, die Anschlussfinanzierung für die Weiterentwicklung zu den ersten Meilensteinen in Richtung Kommerzialisierung, erweist sich dann als die Hürde, an der die meisten Unternehmensgründungen am Ende scheitern. Um dieses finanztechnische „Tal des Todes“ zu umgehen, müssen sich die Unternehmen frühzeitig Ankerinvestoren ins Boot holen, die bereit sind, auch längere Durststrecken bei der Umsetzung der Unternehmensziele mitzugehen. Kooperationen und strategische Partnerschaften sind ein weiteres Vehikel, das für den kommerziellen Erfolg unumgänglich ist. Und zu guter Letzt stellt ein Börsengang die letzte Etappe, um die Firma auf dem Kapitalmarkt zu etablieren.
Venture Capital und Kooperationspartner
Wie sich mehr Privatkapital mobilisieren lässt, stand im Mittelpunkt der ersten Panel Diskussion. Für Dr. Heiko Frank von der auf die Beratung von Transaktionen spezialisierten WTS Advisory sollten die Unternehmen in den einzelnen Schritten ihrer Finanzierung vor allem drei Faktoren berücksichtigen: „Keine Verwässerung des Unternehmenswerts in Frühphasen, nicht zu früh vom Exit träumen und bei der Zeitplanung für die einzelnen Etappen den Faktor Drei einplanen.“ Langfristig erfolgsentscheidend, darüber waren sich alle vier Diskussionsteilnehmer einig, ist jedoch die strategische Klarheit im Business Plan: Nur wenn die Unternehmensgründer eine kohärente Equity Story mit zeitlich und inhaltlich genau definierten strategischen Etappen präsentieren, sind Investoren bereit, ein langfristiges Commitment einzugehen.
Die zweite Diskussionsrunde drehte sich um die Frage, wie erfolgreiche Kooperationen mit und Übernahmen durch Pharmakonzerne zustande kommen. Andreas Kastenbauer, Partner bei MIG Capital, sieht die unterschiedliche Deal-Formen mehr als nur ein Vehikel, um an Geld zu kommen, sondern auch als Schritt, um die eigenen Netzwerke zu erweitern und die Internationalisierung der Firma voranzubringen. Mit dem Erwerb von Unternehmenswerten per Asset Deal, Lizenzdeals, Entwicklungspartnerschaften oder der Beteiligung am Firmenkapital stehen völlig unterschiedliche Optionen zur Verfügung. Start-Ups müssen sich dabei vor etlichen juristischen Fallstricken in Acht nehmen, warnte Dr. Manja Epping, Partnerin bei Taylor Wessing. Bei der Lizensierung von Patenten und Produkten sollte sich das Management immer einig über den Vermögenswert sein, der bei dieser Transaktion vergeben wird. Partnering Deals für die ersten Produkte bieten die Chance, sich Wissen über die Branche und einzelne Prozesse in der Weiterentwicklung von Produkten zur Marktreife anzueignen. Bei Marketing-Abkommen sollte die eigene Verhandlungsposition im Idealfall so stark sein, um die Marketingrechte für die USA als global wichtigsten Absatzmarkt zu behalten.
Der Gang an die Börse
Die Voraussetzungen für den Börsengang waren das Thema der dritten Diskussionsrunde. Dr. Andreas Eckert, langjähriger Vorstandsvorsitzende der Eckert & Ziegler SE und treibende Kraft für den Börsengang von dessen Spin-Off Pentixapharm Anfang Oktober, erläuterte die Gründe für den IPO in Frankfurt, der die erste Börsenpremiere einer Biotechfirma in Deutschland seit 2016 bildete. Über das Verfahren der Abspaltung kam Liquidität in die Aktie, weil Aktionär von Eckert & Ziegler automatisch Aktionär der Pentixapharm Holding wurde. Als Garanten für einen erfolgreichen Biotech-Börsengang sieht Dr. Eckert das den Zeichnungsprozess flankierende Marketing der Equity Story und die Beteiligung von Langfristinvestoren.
Prof. Niels C. Riedemann, Vorstandschef von InflaRx aus Jena, ging dagegen den Weg anderer deutscher Biotechs in den letzten Jahren und entschied sich 2019 für ein Listing an der Nasdaq. Den Ausschlag dafür gaben der Status der USA als der weltweit mit Abstand größte Kapitalmarkt für Biotechs und die Rolle des Landes als wichtigster Absatzmarkt für die eigenen Produkte. Der eigene Fokus auf Nischenindikationen und erfolgreiche Wirksamkeitsstudie vor dem IPO gab Riedemann zufolge den Ausschlag, dass Blackrock als Investor bei InflaRx einstieg.
Investitionsklima hellt sich auf
Die aktuell niedrigen Börsenbewertungen der Biotech Small Caps nach den kräftigen Kursverlusten der letzten drei Jahre stehen im Gegensatz zu den wieder steigenden Finanzierungsvolumina bei Private Equity. Mathias Klozenbücher, Managing Partner bei FCF Fox Corporate Finance, hob in seinem Vortrag hervor, dass Stand Ende September die Finanzierungsvolumina in Europa um 10% und in den USA 20% über dem Vorjahreswert lagen. Als bisheriges Highlight des Jahres erläuterte er die eine Mrd. USD, die Xaira Therapeutics, eine auf AI-basierte Medikamentenentwicklung spezialisierte Firma aus San Francisco, im April eingeworben hatte. Mit CatalYm (139 Mio. EUR als Series-D-Finanzierung) und Tubulis (128 Mio. EUR im Rahmen einer Sieres-B2-Runde) schafften es 2024 auch zwei deutsche Biotechs, über ein Konsortium dreistellige Millionenbeträge einzusammeln.
60% der Investitionen gehen den monatlichen Erhebungen von FCF zufolge in den Biotech- und Pharmasektor und 4% in den neuen Bereich TechBio. TechBio hat sich zum Ziel gesetzt, mittels datengetriebener Analysetools die präklinische Forschung von In-Vitro-Anwendungen in In-Silico-Tests zu verlagern. Martin Zimber, Manager der Beratungsfirma CFGI, erläuterte in seiner Präsentation, dass die Unternehmensbewertungen in diesem Jahr wieder deutlich gestiegen sind. Biomanufacturing, Bioprinting, Herzerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen sowie KI-basierte Anwendungen sind Zimber zufolge die Themen, bei denen Investoren verstärkt bereit sind, höhere Bewertungen in Kauf zu nehmen.
Deutsche Erfolgsstories …
Die Vertreter von Seamless Therapies, C-LEcta, ITM Isotope Technologies und SciRhom erläuterten im vierten von Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland, moderierten Panel, wie Geschäftsideen erfolgreich kommerzialisiert werden. Zentraler Bestandteil von ITM Isotope und der auf die Enzymproduktion spezialisierten c-LEcta ist das Generieren von eigenen Umsätzen für Auftraggeber und Kunden. Das Management von c-LEcta ist nach dem Verkauf an die britische Kerry Group 2022 weiter im Unternehmen tätig. ITM Isotope erzielt mit seinen radioaktiven Isotopen für die Diagnose konstante Erlöse. Die im Juni 2024 über eine Finanzierungsrunde eingeworbenen 188 Mio. EUR dienen vor allem der Finanzierung der drei eigenen Phase-3-Studien.
… und der Biotechstandort Sachsen
Zuvor hatten Noah Molinski, Leiter R&D des Von Ardenne Instituts für Angewandte Medizinische Forschung, André Hofmann als Geschäftsführer von biosaxony, und Prof. Dr. Dr. Ulrike Köhl als Leiterin des Fraunhofer IZI Leipzig die vielfältigen Forschungs- und Entwicklungsinitiativen wie auch die finanziellen Fördermöglichkeiten des Freistaats Sachsen vorgestellt. Insgesamt sieben Start-Ups präsentierten ihr Geschäftsmodell und ihren Finanzierungsbedarf im Rahmen von Elevator Pitches. Dazu zählte Primogene aus Leipzig, eine Biotechfirma, die für ihr Modell für die synthetische Herstellung von bioaktiven Komponenten aus der Muttermilch für die Ernährung von frühgeborenen Säuglingen in diesem Jahr den dritten Platz bei der Verleihung des Sächsischen Gründerpreises erhalten hatte.
Die sich dem Event anschließende Abendveranstaltung bot allen Teilnehmenden im informellen Rahmen reichlich Raum für das Netzwerken und die Diskussion über die Themen des Tages.
Weitere Fotos und einen Film zur Veranstaltung finden Sie hier: Finance Day Leipzig
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.
