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Die Vorlage der Jahresbilanz ist in den Kalendern schon weit im Voraus dick und rot markiert. Investoren, Analysten, Medien, Mitarbeitende – alle schauen hin. Was man aus den Jahresbilanzpressemitteilungen der DAX40-Unternehmen für die eigene Finanzkommunikation lernen kann.

Grau = Branchen mit nur einem Konzern; Quelle: DIRK

Das Geschäftsjahr ist vorbei. Zeit für die bilanzielle Rückschau: Wie sind Umsatz, Gewinn und die wesentlichen Kennzahlen ausgefallen? Wie hat sich das operative Geschäft entwickelt, welche strategischen Entscheidungen wurden getroffen? Wurde die Prognose erfüllt? Und wie sieht der Ausblick für das neue Jahr aus? Um die Antworten auf diese Fragen in den Markt zu tragen, steht der Finanzkommunikation ein großer Werkzeugkasten zur Verfügung: Geschäftsberichte, Investorenpräsentationen, Bilanzpressekonferenzen, Fact Sheets, Einzelgespräche bis hin zur Social-Media-Kommunikation.

Der Pressemitteilung zu den Jahreszahlen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Sie verdichtet die wichtigsten Entwicklungen, liefert die relevanten Informationen und ordnet ein. Nicht selten verweist die Kommunikation auf anderen Kanälen zunächst auf die Pressemitteilung.

Enorme Unterschiede im Branchenvergleich

Im Durchschnitt ist die Pressemitteilung zu den Geschäftszahlen eines DAX-Konzerns stolze sechs Seiten lang, Tabellen und Anhänge nicht mitgerechnet. Das ist weit entfernt vom Standard, der ein bis zwei Seiten beträgt. Einige wenige Unternehmen schaffen es sogar, ihre Jahreszahlen auf einer Seite zusammenzufassen. Andere benötigen dafür bis zu zwölf Seiten.

Wie lässt sich das erklären? Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße – gemessen an Umsatz oder Beschäftigten – und dem Umfang. Betrachtet man hingegen die Branchen, in denen die Unternehmen tätig sind, zeigen sich deutliche Unterschiede. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass einige Branchen nur von einzelnen Unternehmen im DAX vertreten werden. Dennoch: Technologieunternehmen kommen mit deutlich weniger Seiten aus als Unternehmen aus dem Finanzsektor – und auch bei Versicherungen und in der Chemiebranche ist die Pressemitteilung zur Jahresbilanz überdurchschnittlich lang.

Darüber hinaus spielen Faktoren eine wesentliche Rolle, die von außen nicht messbar sind. An der Vorbereitung der Jahreszahlenkommunikation wirken viele Abteilungen mit. Das Stakeholdergeflecht ist komplex, der endgültige Entwurf das ­Ergebnis umfangreicher und nicht immer konfliktfreier Abstimmungsschleifen.

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Bilanzkommunikation ist Chefsache

Was alle 40 DAX-Unternehmen hingegen eint: Es sind stets die CEOs, die in der Pressemitteilung zu Wort kommen und eine Einordnung geben. Angesichts der Bedeutung der Bilanzvorlage und der Rolle eines CEOs in der Kommunikation mit Investoren überrascht diese Erkenntnis nicht.

In der Kapitalmarktkommunikation vieler Unternehmen spielt neben dem CEO der CFO die wichtigste Rolle. Beim Blick in die Bilanzpressemitteilungen kommen hingegen nur 22 der insgesamt 40 Finanzvorstände zu Wort. Das überrascht, geht es bei der Bilanzvorlage zum abgelaufenen Geschäftsjahr doch stark um eine Einordnung und Bewertung der finanziellen Performance.

Kurzfristige Themen dominieren – Strategie fehlt

Mit Blick auf die Inhalte der untersuchten Pressemitteilungen haben in der letzten ­Bilanzsaison kurzfristige Themen dominiert. Dividende, Krieg, Kosten und Inflation zählten ebenso zu den häufigsten Schlagwörtern wie Wachstum und Rekorde.

Eine Kommentierung langfristiger Werttreiber findet deutlich seltener statt. Nur etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen hat die eigene Unternehmensstrategie in ihren Mitteilungen thematisiert. Dabei bietet doch gerade die Strategie häufig Orientierung für externe Zielgruppen. Ist das Unternehmen mit der Umsetzung der Strategie weitergekommen – und wie schlägt sich das in den Zahlen nieder? Hier besteht Nachholbedarf. Auch andere langfristige Themen tauchen kaum auf; Innovationen werden beispielsweise nur von sechs Unternehmen überhaupt erwähnt.

Wächter der Bedürfnisse

Finanzkommunikation ist eine komplexe Kommunikationsdisziplin. Sie erfordert Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Bedürfnissen und Erwartungen von unterschiedlichen internen und externen Anspruchsgruppen – und bewegt sich in einem rechtlichen Rahmen, der enger ist als bei anderen Kommunikationsdisziplinen. Nur nach der Pfeife der Stakeholder zu tanzen ist keine Lösung: Denn wenn alles wichtig ist, ist am Ende leider nichts mehr wichtig.

Es hilft deshalb, die eigenen Prozesse und Vorlagen bisweilen zu hinterfragen. Wenn sich in der Vorbereitung die Unterlagen in einem fortgeschrittenen Stadium befinden, ist dies ein guter Zeitpunkt für einen Schritt zurück. Den Sachstand noch einmal auf einer einzigen Seite zusammenzufassen schärft den Fokus auf das, was wirklich wichtig ist.

Bei der Bewertung und Einordnung einzelner Zahlen kann man zudem immer wieder fragen: Warum ging Kennzahl X hoch? Weil im operativen Geschäft Y passiert ist. Warum ist Y passiert? Weil es unter Z in der Strategie steht. Und schon hat man die langfristige und strategische Perspektive mit eingebaut.

Zu guter Letzt kann man seine „Kunden“ konsultieren. Im direkten Gespräch mit engeren Investoren-, Analysten- oder Medienkontakten nach Feedback zu fragen kann wertvolle Impulse liefern, die eigene Arbeit immer wieder ein Stück weit zu verbessern.

Autor/Autorin

Alexander Styles

Alexander Styles ist selbstständige Berater für Unternehmens- und Finanz­kommunikation und Certified Investor Relations Officer (CIRO). Zuletzt leitete­ er bis 2022 die Wirtschafts- und Finanz­kommunikation der Onlineplattform ZalandoSE und war zuvor für die strategische Kommunikationsberatung Kekst CNC in Frankfurt und London tätig.