GoingPublic im Interview mit Stephan Däschler, Peter List, Bernhard Orlik und Klaus Schmidt zum Thema coronabedingte Digitalisierung.
Meine Herren, seit rund einem halben Jahr finden Hauptversammlungen, Konferenzen und Roadshows coronabedingt ausschließlich virtuell statt. Wie lautet Ihr erstes Zwischenfazit?
Däschler: Das Feedback fiel sehr positiv aus – sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Investoren und Analysten, auch wenn einige natürlich den persönlichen Kontakt bevorzugt hätten. Die Emittenten haben sich aber sehr schnell auf die vielfältigen Möglichkeiten eingelassen, die ihnen der virtuelle Raum für ihre Kapitalmarktkommunikation bietet. Es war während des Lockdowns allerdings auch die einzige Möglichkeit, den Kontakt zu den Investoren nicht abreißen zu lassen. Wir konnten unsere Kunden hierbei mit unseren Audio- und Video-Webcasts professionell unterstützen. Wir haben im letzten halben Jahr selbst auch zahlreiche virtuelle Veranstaltungen angeboten und beispielsweise in Webinaren die neuesten Entwicklungen in den Bereichen Investor Relations und Compliance vorgestellt. Im Oktober laden wir dann zur „European Compliance & Ethics Conference“, der ersten europaweiten Konferenz für die Compliance-Community, ins Internet ein.
Schmidt: Das Format der virtuellen Hauptversammlung funktioniert. Unter den gegebenen Umständen konnten trotz diverser Einschränkungen Hauptversammlungen rechtssicher durchgeführt und Beschlüsse gefasst werden.
List: Wir müssen hier als schwedisches Unternehmen, mit Niederlassungen in Hamburg und London, differenzieren. In Deutschland und UK war es für viele Unternehmen ungewohnt, rein digital zu arbeiten. Britische Unternehmen taten sich noch etwas schwerer als deutsche. Nach ein bis zwei Monaten hatte man sich dann auch in UK besser auf Online meetings und digitale Zusammenarbeit eingestellt. Corona war also für Deutschland und UK eine Art Wake-up Call, die Digitalisierung ihrer Prozesse zu beschleunigen. Unsere Produkte für die digitale Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat wurden schneller noch stärker nachgefragt, da sie alle Krisenanforderungen erfüllen. In Schweden lief unser Geschäft fast geräuschlos und sehr erfolgreich weiter. Es wurde deutlich, dass Schweden bzgl. Digitalisierung im Vergleich zu Deutschland und UK einen klar erkennbaren Vorsprung hat.
Orlik: Die letzten sechs Monate waren für uns HV-Dienstleister sehr herausfordernd. Aber so viel wie in diesen sechs Monaten hat sich in meiner über 20-jährigen HV-Zeit nicht verändert. Noch im Januar hätten die meisten Vorstände, Aufsichtsräte und viele Justiziare die Online-HV „nicht mit der Kneifzange“ angefasst, und nun finden sich immer mehr Befürworter, auch zukünftig virtuelle HVs durchzuführen.
Ganz konkret und praktisch gefragt: Wie haben Sie als Dienstleister diese Zeit des Umbruchs erlebt?
Däschler: Wir waren gut vorbereitet. Schon sehr frühzeitig und innerhalb von nur drei Tagen haben wir die Firma komplett auf Remote Work umgestellt – dabei konnten wir auf unsere bewährten digitalen Prozesse vertrauen, sodass wir sofort vollumfänglich produktiv waren. Im Homeoffice sahen wir uns dann einem wahren Ansturm auf unsere Audio-Webcast-Lösungen gegenüber, was nochmal zeigt, wie schnell unsere Kunden auf die neue Situation reagiert haben. Wir konnten die deutlich höhere Nachfrage zwar mit unseren Systemen gut auffangen. Das Problem war jedoch, dass die Anbieter für die begleitenden Telefonkonferenzen teilweise keine freien Slots mehr hatten – das gab es bisher noch nie.
Orlik: Ja, sehr intensiv – wir waren in regem Austausch: intern unsere Berater mit Entwicklern, extern mit Rechtsanwälten und Kunden. Man muss sich auch vergegenwärtigen, dass das COVID-19-Gesetz ja in die Zeit des strengsten Lockdowns gefallen ist. Hier ist allen Beteiligten wirklich viel abverlangt worden. Da die ersten Termine für virtuelle Hauptversammlungen ja bereits sehr rasch für Ende April/Anfang Mai terminiert worden sind, war auch der Zeitdruck immens.
Schmidt: In der Tat – das war eine sehr intensive Zeit für unsere Kunden, aber auch für uns als Dienstleister. Schließlich mussten wir gemeinsam in sehr kurzer Zeit zahlreiche Aktivitäten unter suboptimalen Bedingungen erledigen. Das war erfolgreich und bringt uns alle voran. List: Aufgrund des plötzlichen Bedarfs an „schnellerer Digitalisierung“ stieg die Nachfrage nach sicheren europäischen Cloudlösungen rasant. Wir hatten aber keine Probleme, eine Vielzahl von Onlinemeetings zu vereinbaren und durchzuführen. Dienstleister mit US-amerikanischer Muttergesellschaft wurden zunehmend gemieden, was aber nicht nur in der Coronakrise begründet liegt. In Schweden lief unser Geschäft fast genauso weiter wie bisher: Dies lag sicherlich vor allem an der bereits beschriebenen fortgeschrittenen Digitalisierung in Schweden. In Deutschland, Schweden und UK blieb unsere tägliche operative Arbeit weitestgehend gleich. Einzige Änderung: Wir stellten komplett auf Onlinemeetings um. Dies fiel uns aber nicht schwer, da wir ohnehin die meisten Kundenmeetings als Onlinemeetings durchführen.
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