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Kapitalmarktorientierte Unternehmen in der EU bzw. EU-Emittenten müssen – nun bereits zum dritten Mal – ihre Jahresfinanzberichte im ESEF-Format erstellen. Dabei ist die Etikettierung der primären Abschlussbestandteile, die bereits für die Jahresfinanzberichte 2020 und 2021 vorgenommen worden ist, in der bevorstehenden ESEF-Phase für den Jahresfinanzbericht 2022 um die Etikettierung des IFRS-Anhangs zu erweitern: Die ESEF-Verordnung verlangt die Etikettierung aller im IFRS-Anhang offengelegter Angaben, die den 252 Elementen aus Tabelle zwei des Anhangs II der ESEF-Verordnung entsprechen.
Einen Großteil dieser obligatorischen Elemente stellen sogenannte Textblock-Elemente dar, mit denen sowohl einzelne als auch mehrere Textabschnitte im IFRS-Anhang zu etikettieren sind. Dabei kann es durchaus sachgerecht sein, einen Textabschnitt mit mehreren unterschiedlichen Etiketten zu versehen. Ebenfalls möglich ist es, ein Textblock-Element an mehreren unterschiedlichen Positionen im Anhang für die Etikettierung zu verwenden.
Die Etikettierungsanforderungen erstrecken sich auch auf im IFRS-Anhang enthaltene Tabellen und Zahlen. Bei Verweisen im IFRS-Anhang auf andere Teile des Jahresfinanzberichts, beispielsweise auf die Risikoberichterstattung im Lagebericht, ist es unter Umständen nötig, Etikettierungen außerhalb des IFRS-Anhangs vorzunehmen.
ESEF-Basistaxonomie 2021 ebenfalls zu beachten
Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass EU-Emittenten mit Blick auf die primären Abschlussbestandteile ab dem Geschäftsjahr 2022 auch die ESEF-Basistaxonomie 2021 obligatorisch zu verwenden haben. Hier bedarf es neben den routinemäßigen Überprüfungen (beispielsweise hinsichtlich der korrekten Vorzeichenlogik) auch einer expliziten Anpassungsprüfung von vormals erstellten Erweiterungs-Taxonomieelementen. Ebenfalls zu prüfen ist die Relevanz der geänderten Taxonomielogik zu den Angaben des verwässerten und unverwässerten Ergebnisses je Aktie. Eine vorzeitige freiwillige Anwendung der ESEF-Basistaxonomie 2022 wird für die meisten EU-Emittenten aufgrund des voraussichtlich zu späten Inkrafttretens nicht infrage kommen.
Die Etikettierung des Anhangs stellt EU-Emittenten, Softwareentwickler, Dienstleister und Abschlussprüfer aktuell vor zahlreiche Herausforderungen und Zweifelsfragen: von inhaltlichen Fragen, beispielsweise zur Detailtiefe des Anhang-Taggings, über Diskussionen zur korrekten Maschinenlesbarkeit von Tabellen bis hin zur Planung der zeitlichen Einbettung dieser sehr zeitintensiven Aufgabe in den Abschlusserstellungs- und Prüfungsprozess.
Testlauf angeraten
Im Zusammenhang mit der Planung des gesamten Prozesses ist es den Emittenten sehr zu empfehlen, einen Testlauf für die Etikettierung des IFRS-Anhangs – beispielsweise auf Basis des IFRS-Konzernabschlusses für das Geschäftsjahr 2021 – vorzunehmen. Ein solcher Test sollte im besten Fall bis spätestens Ende Dezember 2022 durchgeführt und mit dem Abschlussprüfer besprochen worden sein. So können Überraschungen im Frühjahr 2023 verhindert oder zumindest deren Eintrittswahrscheinlichkeit minimiert werden. Jedenfalls sollte in Bezug auf den Abschlussterminplan ausreichend Puffer eingeplant werden. Inwiefern die Hinnahme einer Nachtragsprüfung zur zeitlichen Entzerrung von den Erstellern akzeptiert wird, bleibt abzuwarten.
Jetzt schon an 2023 denken
Softwareentwickler müssen ihre ESEF-Software permanent an die neusten Gegebenheiten anpassen, wie zuletzt nach der Veröffentlichung des ESEF Reporting Manual durch die ESMA, in welchem einerseits inhaltliche Themen konkretisiert und andererseits zahlreiche softwaretechnische Aspekte ausgeführt werden. Eine große Herausforderung stellt sicherlich auch die Weiterentwicklung der Fortschreibefunktionalität (das sogenannte Vorrollen) für die Anhangetikettierung dar: Je größer die automatische Übertragungsrate der gesetzten Textblock-Etikette von einem bereits etikettierten Anhang (Testlauf) auf einen neu erstellten, noch nicht etikettierten Anhang ist, desto entlastender wird sich der Abschlusserstellungs- und Prüfungsprozess im Frühjahr 2023 gestalten.
Dabei spielt vermutlich auch das Format des aufgestellten Abschlusses eine Rolle (üblicherweise also Word oder PDF). Sollten technische Vorteile für das eine bzw. gegen das andere Format sprechen, so ist nicht auszuschließen, dass für Zwecke der Erstellung der ESEF-Unterlagen ein perfekt gelayouteter Abschluss ungeeignet sein könnte.
Anforderungen dürften weiter zunehmen
Fraglich ist, ob die gegenwärtigen ESEF-Anforderungen an die Etikettierungen von IFRS-Anhängen insoweit genügen, als die Informationsbedürfnisse von Konsumenten von ESEF-Unterlagen vollumfänglich bedient werden können. Da die IFRS- bzw. ESEF-Basistaxonomie weitaus umfangreichere Etikettierungen von IFRS-Anhängen ermöglicht, kann davon ausgegangen werden, dass die aktuell geltenden ESEF-Anforderungen perspektivisch eher weiter zu- als abnehmen werden: Grundsätzlich ist es vorstellbar, dass die Etikettierung des IFRS-Anhangs noch granularer vorzunehmen sein wird, wenn beispielsweise alle in einer deklarierten Währung angegebenen Zahlen im Anhang mit einem monetären Etikett, Tabellen dimensional mit Achsen, Dimensions-Membern und monetären Line-Items (analog zur bekannten Etikettierungslogik der Eigenkapitalveränderungsrechnung) zu versehen sind und weitere Text- und Textblock-Elemente hinzukommen.
Aber auch an der Verzahnung von ESEF mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird kein Weg mehr vorbeiführen: Denn die CSRD sieht vor, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Einklang mit den ESEF-Anforderungen ebenfalls etikettiert wird. Für diese Zwecke hat die EFRAG bereits einen Exposure Draft veröffentlicht, der auch eine Proof-of-Concept-XBRL-Taxonomie enthält. Auch vonseiten der IFRS Foundation existiert bereits ein „Staff Draft“ einer IFRS Sustainability Disclosure Taxonomy – ebenfalls als XBRL-Taxonomie. Somit werden künftig auch Nachhaltigkeitsinformationen maschinenlesbar gemacht.
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