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Der Vorstandsvorsitzende der bayerischen Traditionsbank ist regelmäßiger Gast wie auch Diskussionsteilnehmer der CIRA-Jahreskonferenz – und wie gewohnt meinungsstark. Das GoingPublic Magazin sprach mit Nico Baader u. a. über unklare ESG-Vorgaben, verdiente Börsenjubiläen und spärliche IPO-Beispiele. Immerhin: Mit Bitpanda könnte Österreich schon bald groß aufspielen.
GoingPublic: Herr Baader, Sie waren Teilnehmer gleich des ersten Panels auf der CIRA-Jahreskonferenz, Titel: „Worüber die Finanzwelt 2021 spricht“. Also: Worüber haben Sie gesprochen?
Baader: Die Themen in Österreich sind keine anderen als nicht nur, aber auch in Deutschland: Das ist mehrheitlich ESG. Da ist sehr viel noch unklar, nicht geregelt und nicht eindeutig. Viele Emittenten wie auch Dienstleister versuchen, es nach bestem Wissen und Gewissen zu bewerkstelligen, was absolut legitim ist. Aber deswegen besteht eben Diskussionsbedarf – nicht nur in Österreich.
Sind wir bei ESG-Thematiken bereits im Hypestatus?
Nein, aber man muss aufpassen. Meiner Ansicht nach sind die Unternehmen teilweise deutlich weiter als die Politik. Eigentlich wäre die Politik in der Verantwortung, einen verlässlichen Rahmen für ESG-Themen zu schaffen, um eine Standardisierung zu ermöglichen.
Sind nicht auch andere in der Bringschuld für eine Nomenklatur und einen konkreten Rahmen, z.B. Ratingagenturen, Research oder gar Investoren?
Die Ratingagenturen waren ja wie gewohnt eher schnell und haben sich einige Modelle zur Bewertung von ESG-Kriterien ausgedacht. Das ist nun nicht der Weisheit letzter Schluss, aber immerhin ein erster Wurf. Für die Frage „Was kann ich als Firma oder Emittent konkret tun?“ gibt es derzeit kein wirklich verlässliches Rahmenwerk. Banken sind beispielsweise angehalten, Kredite nach gewissen ESG- Kriterien zu vergeben – das ist aber recht schwierig, wenn die Kriterien so unklar sind und überall verschieden. Bei der einen Ratingagentur ist Tesla der ESG- Goldstandard, bei anderen aufgrund der Ausbeutung knapper Rohstoffe das Gegenteil. Die Firmen tasten sich vor, aber im Rahmenwerk fehlt noch ganz viel.
Warum ist das so schwer, sich in den Vorgaben zu einigen?
Ich verstehe, dass sich die Politik mit einer Festlegung regelmäßig schwertut – solange man nicht weiß, ob etwas gut ankommt oder ggf. auch gar nicht funktioniert. Da führen wir zu häufig Detaildiskussionen, anstatt uns auf den großen Rahmen zu konzentrieren, zu einigen und erst dann über letzte Details zu fachsimpeln. In umgekehrter Richtung kommen wir jedenfalls nicht voran.
Viele IPOs gab es heuer nicht am Kapitalmarkt Österreich – obwohl der ATX Total Return vor Kurzem ein Allzeithoch markierte. Haben Sie eine gute Erklärung dafür?
Die Erklärung ist komplex. Sowohl der IPO-Boom wie in anderen Ländern als auch das SPAC-Thema sind am österreichischen Kapitalmarkt vorbeigelaufen. Ich möchte mal behaupten, da ist auch nichts in der Pipeline zu erkennen.
Bei hohen oder höheren Bewertungen sollte es doch eigentlich Börsenaspiranten geben…
Sie müssen aber schauen, wo die Börsengänge in Deutschland herkamen – viele aus vorheriger Private-Equity-Hand. Mir fallen aber nicht so viele Firmen in Österreich ein, die sich derzeit im Bestand von Private Equity befinden.
Gibt es dafür mehr Übernahmen oder auch Kapitalerhöhungen, die möglicherweise in Richtung M&A zielen – und damit später ggf. auch als IPOs infrage kommen?
Ja: im Bereich M&A z.B. CA Immobilien, S-IMMO, IMMOFINANZ. Bei Start-ups gab es durchaus eine ganze Reihe von Kapitalerhöhungen, aber davon profitiert der IPO-Markt nicht zeitnah. Da gibt es beispielsweise die Gruppe rund um Michael Tojner. Mit VARTA, AluFlex und Montana hat er seine IPOs aber schon bewerkstelligt. Dann gibt es in Österreich noch die Industrieholding B&C-Gruppe – aber das ist eine Privatstiftung und die verkauft ihre Beteiligungen nicht.
In Deutschland waren 2021 besagte Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) ein relevantes Thema – was ja auch unter M&A fällt. Lassen sich in Österreich ähnliche Bestrebungen beobachten?
In Österreich mangelt es etwas an der Firmengröße, für deren Einbringung sich eine SPAC prädestinieren würde. Zumindest ist die Auswahl deutlich kleiner als in einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland. Daher wundert mich nicht, dass SPACs in Österreich bisher kein Thema darstellten. HomeToGo beispielsweise hatte ja rund 1,5 Mrd. EUR Volumen – in diesem Bereich wird die Luft schon dünner.
Die Börse Wien feiert heuer 250-jähriges Bestehen. Was bringen Sie mit dem Jubiläum in Verbindung?
Vor allem die Expansion Richtung Osteuropa und damit einhergehend die Einbringung der Xetra-Plattform in z.B. Prag oder Budapest – alles auf Basis der Xetra-Technologie der Deutschen Börse. Schmackhaft gemacht und verkauft hat sie ihnen die Wiener Börse, nicht die Deutsche Börse, denn erstere hatte sich geschickt an einigen osteuropäischen Börsen beteiligt und dann ihr Handelssystem mit eingebracht. Das war sicherlich ein kluger Schachzug.
Wie steht es mit dem Kapitalmarkt Österreich in Richtung Zukunft: Stichwort Blockchain, Digital oder Kryptoassets?
Da sehe ich Österreich ziemlich weit vorne mit dabei. Mit Bitpanda gibt es ja inzwischen einen ziemlich großen heimischen Player. Bitpanda gilt als Österreichs Unicorn mit einer Bewertung außerhalb des Kapitalmarkts von bereits über 4 Mrd. USD. Herr Baader, ganz herzlichen Dank an Sie für Ihren direkten Input von der CIRA-Jahreskonferenz und zu den aktuellsten Themen!
Das Interview führte Falko Bozicevic.
ZUM INTERVIEWPARTNER
Nico Baader ist seit 2015 Vorstandsvorsitzender der Baader Bank AG, zuvor seit 2009 im Vorstand. Ab dem Jahr 2000 trieb er maßgeblich die Entwicklung des Hauses vom Börsenmakler zur Vollbank inkl. Aufbau des Investmentbankings voran. Baader ist Mitglied des Börsenrats der Börsen München und Frankfurt sowie der EUREX.
Dieser Beitrag ist Teil des GoingPublic Specials „Kapitalmarkt Österreich 2021“ und auch im kostenlosen E-Magazin zur Ausgabe enthalten.