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Die Hauptversammlungssaison 2020 ist in vollem Gange – aber dieses Mal ist alles anders: keine großen Präsenzveranstaltungen mit Tausenden Aktionären, sondern Treffen in Form einer virtuellen HV, die aus einem Studio übertragen werden.
Die COVID-19-Pandemie hat das Format der virtuellen Hauptversammlung möglich gemacht bzw. regelrecht erzwungen. Aufgrund behördlicher Einschränkungen und Veranstaltungsverbote war es das Mittel der Wahl, die HV schlicht ins Internet zu verlegen.
Die Gesellschaften standen vor der Herausforderung, schnell zu reagieren und mit ihren Dienstleistern die für die Vorbereitung und Durchführung der HV notwendigen Prozessanpassungen vorzunehmen. Nachdem bereits einige für Ende März bzw. Anfang April geplanten HVs abgesagt worden waren, setzten sich einige Häuser wie Bayer, Munich Re, Lufthansa und Allianz zum Ziel, den geplanten HV-Termin Ende April oder Anfang Mai zu halten und so die vorgesehenen Beschlüssezu fassen. Andere entschieden sich für eine VerschiebungDer klare Trend zur virtuellen Hauptversammlung kann für die Saison 2020 bereits aber heute festgestellt werden.
Coronakrise! – Was ist zu tun?
Die Vorbereitung, also Einberufung, Einladung und Anmeldung, verläuft weitgehend exakt wie bei Präsenz-HVs – es besteht jedoch die Möglichkeit, ein verkürztes Fristenregime anzuwenden oder die HV erst später im Jahr durchzuführen. Die virtuelle HV findet ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten statt – einzig der Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft ist vor Ort.
Um die fehlende Präsenz auszugleichen, muss die gesamte Veranstaltung in Bild und Ton übertragen werden.
Zusätzlich muss die Stimmrechtsausübung der Aktionäre auf dem Wege der elektronischen Kommunikation offeriert werden. Für viele Gesellschaften nichts Neues – einige mussten jedoch noch die Briefwahl einführen, auf Formularbasis, aber auch über den Onlineservice für Aktionäre. Die Annahme von Briefwahlstimmen und Weisungsänderungen muss auch während der HV möglich sein.
Den Aktionären bzw. ihren Vertretern muss eine Möglichkeit eingeräumt werden, Fragen einzureichen. Dies passiert auf elektronischem Wege und kann zwei Tage vor dem HV-Tag beendet werden. So können alle eingegangenen Fragen gesichtet, aufbereitet, thematisch gruppiert und für die Beantwortung während der HV aus dem Studio vorbereitet werden. Die Möglichkeit der Vorabeinreichung wird von den meisten Gesellschaften favorisiert. Eine direkte Onlineeinreichung während der Veranstaltung wird – nicht zuletzt wegen ungeklärter Rechtsfragen – nur sehr vereinzelt bei kleineren Gesellschaften genutzt.
Und schließlich sollen Aktionäre, die ihr Stimmrecht ausgeübt haben, auf elektronischem Wege Widerspruch gegen Beschlüsse der HV erklären können.
Alles in allem in der gegebenen Situation ein praktikables Paket für die rechtssichere Durchführung einer HV. Insbesondere für die Gesellschaften, die ihre HV bereits Ende April oder Anfang Mai angesetzt hatten, kommen eine Menge neuer Aufgaben hinzu. Da blieben den Verantwortlichen nur wenige Tage, die Veranstaltung zu „retten“. Umso erfreulicher, dass der Start in dieses neue Format gut geklappt und die ersten virtuellen HVs mit Bravour absolviert wurden. Kritik von Aktionären zu den damit verbundenen Einschränkungen und der mangelnden Interaktivität ist verständlich. Es gibt aber auch deutliches Lob von Investoren – begrüßt wurde nicht zuletzt, dass angekündigte Dividenden fristgerecht ausgezahlt werden können.
Digitalisierungsschub für die deutsche HV
Gesellschaften mit einem modernen Onlineservice für Aktionäre waren gut gerüstet und konnten die neuen Funktionalitäten kurzfristig integrieren. Für das Livestreaming wurden Kapazitätserweiterungen angestoßen, um so für steigende Nutzerzahlen gewappnet zu sein. Bei großen Publikumsgesellschaften loggen sich nach bisherigen Erfahrungen einige Tausend Aktionäre ein. Als Faustregel kann man in etwa das 1,5- bis Zweifache der bisher in einer Präsenz-HV teilnehmenden Aktionäre ansetzen. So waren beispielsweise bei der Allianz weit über 6.000 Aktionäre im geschlossenen Livestream bei der Frage-und-Antwort-Runde über den Onlineservice dabei. Über 100.000 der 700.000 Aktionäre waren angemeldet. In der Münchner Olympiahalle waren zuletzt ca. 4.000 bis 4.500 Aktionäre und Aktionärsvertreter anwesend. Die Reden von Vorstand und Aufsichtsrat waren schon bisher öffentlich übertragen worden.