Die Prognoseberichte der DAX-Gesellschaften werden transparenter. Einen Blick über den Einjahrestellerrand hinaus wagt allerdings nur eine Minderheit der Gesellschaften. Von Marc Tüngler

Prognoseberichte gehören gerade für Privatanleger nach wie vor zu den beliebtesten Informationsquellen, wenn es darum geht, die zu erwartende Geschäftsentwicklung eines Unternehmens zu bewerten. Daran haben auch ständig online verfügbare Daten, Zahlen und Berichte bisher nichts ändern können. Im Prognosebericht, der ja Teil des Geschäftsberichts ist, formuliert das Management selbst, welche Ziele es für erreichbar hält – und muss sich daran dann auch messen lassen. Umso wichtiger sind natürlich die Transparenz, Verständlichkeit sowie Informationstiefe dieser Berichte – und da gibt es durchaus Positives zu berichten.

Tendenz geht in die richtige Richtung

Das zeigt die Analyse der von den DAX-Konzernen im Jahr 2018 vorgelegten Prognoseberichte, die die DSW erneut gemeinsam mit der Hamburger Agentur für Finanzkommunikation Kirchhoff Consult AG erstellt hat. So quantifizierten mittlerweile alle untersuchten Aktiengesellschaften ihre Ergebnisprognose auf Konzernebene und/oder für alle Konzernsegmente. Im vorherigen Jahr hatten die Lufthansa AG und die Merck KGaA noch auf eine solche Quantifizierung verzichtet, was ihnen eine Einordnung in die Kategorie „Niedrige Transparenz“ einbrachte.

Die Lufthansa konnte sogar direkt in die Kategorie „Hohe Transparenz“ aufsteigen. Sie ist damit eine von 15 DAX-Gesellschaften in der höchsten Transparenzklasse – im Vorjahr waren das noch 13 Unternehmen. Henkel, Munich Re und SAP schafften ebenfalls den Sprung in die höchste Kategorie, während thyssenkrupp in die „Mittlere Transparenz“ abrutschte und Linde aus der Wertung fiel, da der Konzern keinen Prognosebericht vorgelegt hatte. Die meisten Transparenzanforderungen erfüllte – wie schon im Vorjahr – die Deutsche Telekom.

Immerhin 24 der untersuchten Unternehmen stellten ihre Ergebnisse des Geschäftsjahres 2018 einer im Geschäftsbericht des Vorjahres abgegebenen quantitativen Prognose gegenüber. Davon haben 16 ihre Prognose erreicht oder übertroffen, während 8 das prognostizierte Ergebnis unterschritten. Im Vorjahr hatten noch 19 Unternehmen die Prognose mindestens erreicht – 6 hingegen unterschritten. Positiv zu vermerken ist immerhin, dass im Falle einer (positiven oder negativen) Abweichung von der Prognose 11 Unternehmen selbige erläutert haben.

Nichtfinanzielle Leistungsindikatoren

Die Ergebnisse der diesjährigen Studie zeigen zudem, dass sogenannte nichtfinanzielle Leistungsindikatoren offenbar immer wichtiger werden und entsprechend häufiger in den Prognoseberichten auftauchen. Hier scheint langsam, aber sicher die Erkenntnis zu reifen, dass es auch über die reinen Finanzkennzahlen hinaus Informationen gibt, die zum einen für den Unternehmenswert relevant sind und zum anderen die Unternehmensphilosophie vermitteln können. Die im Vorjahr vor dem Hintergrund des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes im Rahmen der Studie erstmalig erhobene Anzahl der Prognosen zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren ist in diesem Jahr von 12 auf 14 gestiegen – 10 davon in quantifizierter Form (Vorjahr: 9). Knapp die Hälfte der DAX-Konzerne hält zumindest einzelne nichtfinanzielle Indikatoren also mittlerweile für so relevant, dass sie für diese Prognosen abgibt.

Insgesamt ist die kontinuierlich steigende Transparenz der Prognoseberichte durchaus erfreulich und sicher ein wichtiges Signal an die Investoren. Auf der anderen Seite stellt sich natürlich gerade aktuell die Frage, was Prognosen wirklich wert sind, wenn gefühlt eine Gewinnwarnung nach der anderen kommt. Prognosen sollten keine Schönwetterberichte sein, sondern – auch wenn es insbesondere in einem sich eintrübenden Konjunkturumfeld durchaus unangenehm sein kann – ein möglichst emotionsloser Blick auf die zu erwartende Geschäftsentwicklung. Und dieser sollte sich optimalerweise nicht ausschließlich, wie es bei den meisten AGs mittlerweile leider üblich ist, auf einen Einjahreszeitraum beschränken.

Langfristprognosen bleiben in der Minderheit

Gerade Privatanleger sind, wenn sie ihr Geld in Aktien investieren, oft langfristig orientiert. Da ist die Tendenz vieler Unternehmen, auf Aussagen über mehrjährige Zeiträume hinweg zu verzichten, ein echtes Ärgernis. Eine Prognose im engeren Sinne wäre dafür nicht einmal zwingend erforderlich. Entscheidend ist, dass die Anleger eine Perspektive erhalten, die sie in Relation zum Markt oder zur jeweiligen Branche setzen können. Hier braucht es dringend wieder mehr Mut. Dass einige Gesellschaften diesen Mut aufbringen, zeigt etwa die Ströer SE & Co KGaA: Der Vermarkter von Werbeflächen hat zuletzt eine Perspektive für einen 10-Jahres-Zeitraum vorgelegt. Im DAX wagen 8 Gesellschaften einen Blick in die weitere Zukunft.

Fazit

Die Frage ist also, warum nicht mehr Unternehmen, die über ein stabiles, planbares Geschäftsmodell verfügen, dies für sich nutzen. Die Kapitalmarktteilnehmer würden es mit Sicherheit positiv aufnehmen. Doch offenbar ist die Angst zu groß, im Falle eines Verfehlens vom Markt abgestraft zu werden. Ein Ausweg könnte sein, nicht mit dem Tool „Prognose“ zu arbeiten, sondern von Perspektive oder Aspiration zu sprechen. Am Ende kommt es weniger auf die Zahlen oder auf die konkrete Entwicklung für die nächsten Jahre an. Entscheidend ist vielmehr, dass erläutert wird, warum das Unternehmen sich in die eine oder andere Richtung entwickeln sollte. Natürlich gibt es auch AGs, die sich in so stark verändernden Märkten bewegen, dass eine Vorausschau über die nächsten 12 Monate hinaus nicht wirklich seriös möglich ist. Das ist jedoch ebenfalls eine wichtige Information für die Anleger, die in ihrer Wertigkeit nicht hinter einer längerfristigen Perspektive zurücksteht.

Der Gastbeitrag erschien ursprünglich in der Jahresausgabe Geschäftsberichte & Trends 2019.