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Der DAX wird auf 40 Werte anwachsen. Das hat die Deutsche Börse heute öffentlich gemacht. Mit dem Umbau soll die Qualität des deutschen Leitindizes steigen, man wolle den Dax an internationale Standards angleichen, so heißt es bei der Deutschen Börse. Zudem werden Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal gezogen: Es gelten fortan strengere Regeln für die Mitgliedschaft. Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., ordnet die Reform ein:

Am 1. Juli 1988 wurde der Börsenindex DAX aus der Taufe gehoben. Dass das Projekt der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Wertpapierbörsen, der Börse Frankfurt und der Börsen-Zeitung einmal der deutsche Leitindex werden würde, war damals nicht absehbar. Eigentlich sollte der DAX, der auf einem bereits seit 1959 von der Börsen-Zeitung veröffentlichtem Index beruht, lediglich eine Ergänzung sein. Es kam anders.

In den vergangenen Jahrzehnten etablierte der DAX30 sich als echte Börsenbundesliga. AGs, die es bis dort geschafft haben, gehören zur Creme de la Creme der deutschen Wirtschaft. Kritik, der Index sei zu behäbig, zu rückwärtsgewandt und zu wenig auf den Streubesitz ausgerichtet, perlten an der Deutschen Börse zuverlässig ab. Erst der tiefe Fall der Wirecard AG und die Umstände, die dazu geführt haben, sowie die tragische Tatsache, dass das Unternehmen selbst nach der Insolvenz noch eine ganze Zeit im DAX notiert war, hat zu einem Umdenken geführt.

Einen weiteren Schub dürften die Erneuerer durch die kritische Reaktion etlicher Marktteilnehmer auf die für Wirecard aufgerückte Gesellschaft Delivery Hero erhalten haben. Ein Unternehmen, das zwar große Zuwächse beim Umsatz vorweisen kann, aber noch keinen Cent Gewinn erwirtschaftet hat und zudem kein Geschäft in Deutschland macht, ist nicht unbedingt die richtige DAX-Besetzung – auch wenn es alle formalen Kriterien erfüllt.

Jetzt soll der in die Jahre gekommene Index von Grund auf renoviert werden. Die Deutsche Börse führte dazu eine Befragung der Marktteilnehmer durch. Die Umsetzung der Ergebnisse soll dann spätestens ab dem Frühjahr 2021 greifen. Einige Eckpunkte stehen aber schon jetzt fest: etwa die Erweiterung des DAX von 30 auf 40 Unternehmen. Ob das tatsächlich zielführend ist, wird sich zeigen. Immerhin könnte eine Erweiterung dafür sorgen, die Bildung von Branchenclustern, wie das in den letzten Jahren immer wieder zu beobachten war, zumindest zu erschweren. Zugleich schwächt man damit aber auch den MDAX.

Besonders im Fokus der Reformpläne steht – was mit Blick auf den Fall Wirecard nicht weiter verwundert – die Einführung neuer qualitativer Kriterien. So sollen nur noch profitabel arbeitende Gesellschaften eine Chance auf die Aufnahme in den DAX bekommen. Insolvente Unternehmen wiederum sollen binnen weniger Tage aus dem Index entfernt werden können. Zudem ist im Gespräch, dass die AGs ihre Quartalsberichte fristgerecht publizieren müssen. Und im Aufsichtsrat einer DAX-Gesellschaft wird es zukünftig wohl zwingend einen Prüfungsausschuss geben müssen, der vor allem Rechnungslegung und interne Risikomanagementsysteme im Blick haben soll.

Ebenfalls auf dem Prüfstand steht die Entstehung der Unternehmensrangliste, die über Auf- und Abstieg entscheidet. Der Anteil des Streubesitzes, also der von Privatanlegern gehaltenen Aktien, soll zukünftig verstärkt berücksichtigt werden und nicht wie bisher der Handelsumsatz. Das sind alles gute und nachvollziehbare Kriterien.

Trotzdem gibt es durchaus Verbesserungspotenzial. So sollten DAX-Gesellschaften – zusätzlich zu der Einrichtung eines Prüfungsausschusses – noch deutlich mehr Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance-Kodex erfüllen, da diese die fundamentalen Grundpfeiler guter Unternehmensführung darstellen. Zu nennen wäre hier etwa die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats, die verstärkt in den Fokus gerückt werden muss. Derartige Qualitätsanforderungen an die Unabhängigkeit der Direktoren bzw. des gesamten Boards sowie zusätzlich in Bezug auf die Sitzungsfrequenz sehen beispielsweise sowohl die NYSE als auch die NASDAQ vor. Es ist nicht zu erkennen, warum der DAX in diesen Fragen zurückstehen sollte.

Marc Tüngler
Marc Tüngler

Marc Tüngler ist Rechtsanwalt und seit 2012 Hauptgeschäftsführer der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) in Düsseldorf, für die er seit 1999 aktiv ist. Zugleich ist er Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und in verschiedenen Aufsichtsräten börsennotierter Gesellschaften. Daneben ist er Mitglied im Nominierungsausschuss der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR e.V.) sowie des Übernahmebeirats der BaFin. Seit 2011 ist Marc Tüngler geschäftsführender Vorstand des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat e.V. (AdAR) – der sich um die Qualifizierung und Weiterbildung von Aufsichtsräten im privaten sowie öffentlichen Sektor kümmert – und Herausgeber der vom Bundesanzeiger Verlag verlegten Zeitschrift BOARD.

 

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Die Redaktion der Kapitalmarkt Plattform GoingPublic (Magazin, www.goingpublic.de, LinkedIn Kanal, Events) widmet sich seit Dezember 1997 den aktuellen Trends rund um die Finanzierung über die Börse. Ob Börsengang (GoingPublic) oder die vielfältigen Herausforderungen für börsennotierte Unternehmen (Being Public), präsentiert sich GoingPublic cross-medial als Kapitalmarktplattform für Emittenten und Investment Professionals.