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Im Rahmen unseres großen Online-Themenmonats rund um den Bereich M&A Insurance haben wir Experten befragt, welche Trends Sie sehen und wie die weitere Entwicklung sich gestalten wird. Heute: Das Interview mit Dr. Marco Niehaus, NORTON ROSE FULBRIGHT.

Bereits vorab haben wir die wichtigsten Fakten in unserem großen Übersichtsbeitrag für Sie zusammengestellt. Online zu finden sind bereits die Interviews mit Dr. Mirjam Boche sowie Robert Engels, Dr. Markus Rasner und Dr. Markus Messinger.

Unser Themenmonat erscheint vorab zu unserem großen Special „M&A Insurance 2021“, das wir Ende August als Magazin und E-Magazin veröffentlichen. Hier finden Sie unser Special aus dem letzten Jahr. Und das ist nicht alles: Wir begleiten unser Engagement im Bereich M&A Insurance mit unserem Netzwerk-Event „M&A Insurance Summer Forum“. Hier lesen Sie mehr zur Veranstaltung und können das Event des letzten Jahres (nach-)sehen.

 

GoingPublic: Wird 2021 das Jahr für W&I Versicherungen –  welche Erkenntnisse ergeben sich aus Ihrer Beratungspraxis?

Dr. Marco Niehaus: Der M&A Markt 2021 zieht nach einem bereits starken letzten Quartal 2020 weiter an, und mit ihm der Markt für W&I Versicherungen. Im ersten Halbjahr 2021 wurde bereits eine Reihe großvolumiger Transaktionen unterzeichnet. Fast durchgängig waren dort W&I Versicherungen integraler Bestandteil der Transaktionsdokumentation.

2020 beklagte der Markt noch ein vergleichsweise schleppendes Prämienwachstum und sinkende Verkaufszahlen, wobei die Marktdynamik den Regeln der Versicherungslogik zu trotzen schien, da die Schadensfälle zunahmen. Reichlich vorhandene liquide Mittel und Investitionsdruck der Private Equity Häuser treffen 2021 nun auf zunehmend freundlichere Marktbedingungen eines aktiven Verkäufermarktes, die allerdings durch die nach wie vor recht unklaren Auswirkungen des Brexit und die anhaltende COVID-19-Pandemie wieder ausgebremst werden könnten.

Welche Auswirkungen des Brexit und der Pandemie sehen Sie aktuell?

Gerade die Fortsetzung des zollfreien Handels post-Brexit sollte dem Deal Flow unter britischer Beteiligung gut tun, während nach wie vor offen ist, wie sich eigentlich der Finanzsektor konkret aufstellen wird. Die allmähliche Loslösung vieler britischer Unternehmen vom EU-Binnenmarkt wird sicher auch vom Transaktionsmarkt mit Spannung verfolgt werden.

Positive Zeichen gibt es aber auch hier. Was die COVID-19-Pandemie betrifft, so hört man aus dem M&A Markt dieselben Argumente wie im letzten Jahr: Gelingt eine weitgehende Durchimpfung der Bevölkerung, bringt das eine Stabilisierung der allgemeinen Wirtschaftslage mit sich, die auch gegen etwaige zukünftige Lockdowns besser aufgestellt ist als bislang der Fall.

Erst dann wird sich allmählich eine stärkere Vertrauenslage in die wichtigsten Marktmechanismen bilden, und erst dann wird der M&A Markt zu einer vollständigen Aufholjagd aufbrechen. Bei allen Unsicherheiten des Marktes auch 2021: Die Konjunktur für großvolumige Deals zieht gewaltig an, und mit ihr die Zahl der erfolgreich verkauften W&I Policen. Insgesamt wird 2021 ein extrem spannendes Jahr für den W&I Markt bleiben. Sollten sich die positiven Entwicklungen des 1. Halbjahres fortsetzen, kann mit einem Rekordjahr gerechnet werden.

Lesen Sie hier unser aktuelles E-Magazin.

Welche Gründe sind Ihrer Erfahrung nach ausschlaggebend für die weiter steigende Zahl verkaufter W&I Policen?

Exemplarische Gründe für den aktuellen Boom von W&I Versicherungen sind:

  • Starker Verkäufermarkt: Trotz der COVID-19 Pandemie ist sehr viel Geld im Markt, und es besteht großes Interesse an attraktiven Assets in nahezu allen Industriebereichen.
  • Das Konzept des Clean Exit findet immer größere Verbreitung auf Käuferseite.
  • Die W&I Versicherer bieten mittlerweile hochinnovative und maßgeschneiderte Versicherungsprodukte an, mit denen die bislang verbleibenden Haftungsrisiken des Verkäufers weiter reduziert werden können.
  • Der Small- und Mid-Cap Markt hat das Produkt W&I für sich entdeckt. Befeuert wird das von angepassten Deckungssummen in den Policen, teilweise auch ohne Mindestprämie.

Gibt es neue Tendenzen im Beratungsmarkt bezüglich W&I Policen?

Die Beratungspraxis hat in den letzten Monaten einige entscheidende Erkenntnisse hinzugewonnen. Es steht mittlerweile fest, dass sich die umfassende COVID-19-Exclusion nie hat durchsetzen können. Die Zahl der Policen, in denen man eine solch umfassende Ausschlussklausel findet, wie sie der Markt in Q1 2020 erdacht hatte, dürfte gering bis verschwindend geblieben sein.

Ein Schwerpunkt des Underwritings bildet mittlerweile immer häufiger die Frage, wo im Garantiekatalog sogenannte Knowledge Scrapes gegeben werden können. Darunter versteht man eine Vereinbarung im Kaufvertrag, die besagt, dass für Zwecke der Schadensgeltendmachung und/oder Schadensberechnung, der bei bestimmten Gewährleistungen im Kaufvertrag vereinbarte Wesentlichkeits- und/oder Wissensvorbehalt nicht zur Anwendung kommen soll.

Auch Deckungsausschlüsse aufgrund entdeckter Risiken können mittlerweile über Sonderdeckungen in den Anwendungsbereich der Versicherung hineingezogen werden.

Setzen sich synthetische Policen weiter durch?

Synthetische Komponenten innerhalb der W&I Police werden zumindest vermehrt erwogen, vor allem dort, wo man sie immer als möglich und vernünftig vermutet hat: Bei Distressed M&A. Die Umsetzung bereitet aufgrund fehlender Markterfahrungen immer noch Schwierigkeiten.

Der Wunsch des Käufers, die Chance einer Versicherungsdeckung abseits des verhandelten, meist sehr kurzen Garantiekatalogs zu ergreifen, ist verständlich. Oft scheitert diese aber immer noch an den einfachsten Voraussetzungen – zum Beispiel wenn die entscheidenden Know-how-Träger das in Schieflage geratene Unternehmen bereits verlassen haben und damit die Aufbereitung der erforderlichen Informationsdecke Schwierigkeiten bereitet.

Es bleibt also dem Einzelfall überlassen, ob eine teilweise synthetische W&I Deckung gelingen kann. Ein standardisierter Wunsch danach oder dessen bindende Einplanung, noch bevor die Due Diligence überhaupt begonnen hat, muss jedoch kritisch gesehen werden. Auch hier wird der Markt in den kommenden Jahren zeigen, unter welchen Voraussetzungen auch in diesem Bereich Standards entwickelt werden können.

Sehr geehrter Herr Dr. Niehaus, vielen Dank für diese interessanten Einblicke.

Autor/Autorin

Stefan Preuß
Redaktionsleiter at GoingPublic Media AG | Website

Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".