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Die vergangenen 25 Jahre deutscher Kapitalmarkt möchten wir in drei Abschnitte unterteilen, die prägend für Emittenten, Investoren und die begleitenden Akteure waren.
Die erste Etappe umfasst die Jahre 1997 bis 2003, die den rasanten Aufstieg und den Absturz der Wachstumsbörse „Neuer Markt“ beschreibt. Für den deutschen Kapitalmarkt hat der Neue Markt eine Revolution ausgelöst. Junge Technologieunternehmen konnten alternativ zu einer langwierigen und damals sehr kleinteiligen VC-Finanzierung auf einmal beachtliche Mittel zu einer hohen Bewertung an der Börse einwerben. In den sieben Jahren wurden 510 Unternehmen an den deutschen Börsenplätzen eingeführt, davon 354 oder fast 70% im Frankfurter Segment „Neuer Markt“. Weder vorher noch danach gab es in so kurzer Zeit eine so große Anzahl von IPOs am deutschen Kapitalmarkt. 2003 verabschiedete sich die Deutsche Börse leider wieder von dieser Idee.
Die nächste Etappe, sie währte von 2004 bis 2009, beschreibt man am besten als eine Fülle von Bemühungen der Börsen, den Freiverkehr für weniger kapitalisierte Emittenten aufzuwerten. Die Frankfurter Börse startete den „Entry Standard“ und die Münchner Börse den „m:access“ mit weniger strengen Folgepflichten als in den gesetzlich regulierten Marktsegmenten. Von den 145 IPOs in die-sem Zeitraum gingen 68 oder 47% in eines dieser aufgewerteten Freiverkehrssegmente. Ebenfalls explodierte die Anzahl der neuen Emittenten im nicht börsenregulierten Freiverkehr in Form eines einfachen Listings. Bis zur Freiverkehrsreform der Frankfurter Börse im Jahr 2012 sind über diesen Weg mehr als 750 Unternehmen auf Parkett gekommen. Die meisten verschwanden jedoch wenig später wieder.
Der dritte Zeitraum, zwischen 2010 und 2019, gebar zunächst ein neues Finanzierungsinstrument: „die börsennotierte Mittelstandsanleihe“ für klein- und mittelgroße Unternehmen. Sämtliche deutsche Regionalbörsen warben mit einem eigenen Anleihesegment um Emittenten. Zugleich wurde für die Zeichnung von Neuemissionen eine Online-Zeichnungsfunktion angeboten, die vor allem Privatanleger adressierte. Die sogenannte Eigenemission, um die Emittenten unabhängiger von den Emissionsbanken zu machen, konnte durch diese technische Innovation einfacher umgesetzt werden. Über 200 sogenannte Mittelstandsanleihen sind zwischen 2010 und 2019 platziert worden.
Im Gegensatz dazu kühlten sich die IPO-Aktivitäten in dieser Dekade deutlich ab: nur noch 106 IPOs und weniger als 50 Listings an den deutschen Börsen. 17 in China ansässige Emittenten endeckten den deutschen Börsenplatz. Leider enttäuschten alle. Innerhalb der Listingaktivitäten wurde das „Safe-IPO“ mit 14 Neuzugängen salonfähig. Hier wird dem Listing an der Börse eine Privatplatzierung vorgeschaltet. In diesem Zeitraum entdeckten 17 deutsche Unternehmen erfolgreich ausländische Börsen-plätze, darunter die BioNTech SE, die ihr IPO an der NASDAQ mit American Depositary Shares (ADS) vollzog.
Anfangs 2020 gab es eine Finanzinnovation, die bis zu diesem Zeitpunkt kaum Beachtung fand: die Special Purpose Acquisition Company (SPAC). In den USA explodierte die Anzahl der IPOs in nur drei Jahren (2020 bis 2022) auf über 1.600. Ursächlich waren SPACs, die rund 58% der gesamten IPOs ausmachten. Die Negativzinsen spülten Gelder der institutionellen Anleger in diese Übernahmevehikel, da sie ihnen eine risikofreie Mindestverzinsung garantierten. An den deutschen Börsen fiel diese SPAC-Euphorie verhaltener aus: sechs SPAC-Emissionen von insgesamt 22 IPOs und 18 Listings seit 2020. Dennoch konnten acht deutsche Zielunternehmen diese Vehikel für ihren Börsengang nutzen, wovon jetzt zwei an der Frankfurter Börse notieren.
Wir hoffen, dass dieser kleine Rückblick auf 25 Jahre deutscher Kapitalmarkt verdeutlicht, wie plötzlich neue Trends und Innovationen entstehen und auch wieder verschwinden können. Einige dieser Innovationen konnten überdauern und erweitern das Spektrum für die Emittenten am Kapitalmarkt. Es bleibt daher zu wünschen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Zukunft den Raum für Innovationen nicht zu sehr einengen und uns die notwendige Flexibilität belassen.