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Im Zuge der wachsenden Bedeutung von ESG in der Geldanlage kommen Investoren häufig auf die Kernfragen zurück: Wie wirkt mein Geld, wie kann ich Einfluss ausüben? Der Begriff „Active Ownership“ („aktive Teilhabe“) steht für Aktivitäten, die ein Investor zur Einflussnahme auf Wertpapieremittenten ausübt. Dabei geht es einerseits um den direkten Austausch zwischen Investor und Emittent, das sogenannte Engagement, und andererseits um die Stimmrechtsausübung im Falle von Aktieninvestments.
Active Ownership ist ein effektiver und direkter Weg, um positive Veränderungen in Unternehmen zu bewirken, und hat sich deshalb als Instrument in der ESG-Integrations-Toolbox von Investoren etabliert. Zudem ergibt sich für die Unterzeichner der sechs UN-Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren ein allgemeiner Handlungsbedarf im Bereich des Active Ownership.
Active Ownership jenseits der Stimmrechtsausübung
Anleiheinvestoren sehen sich bei ihren Active-Ownership-Aktivitäten allerdings mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert: Anders als Aktieninvestoren verfügen sie nicht über Stimmrechte, und die Vielzahl an Emittententypen im Anleihebereich, die neben Unternehmen auch Staaten und supranationale Akteure umfasst, erhöht die Komplexität. Zusätzlich müssen Anleiheinvestoren qua ihres Investmentansatzes einen stärkeren Fokus auf Risiken legen und partizipieren nicht im selben Maße wie Aktieninvestoren an der Nutzung von ESG-Chancen.
Insbesondere aufgrund der fehlenden Stimmrechte bei Anleiheinvestments galt Active Ownership lange Zeit nur für Aktieninvestoren als relevant. Doch inzwischen haben sich verstärkt auch Anleiheinvestoren mit dem Thema auseinandergesetzt und Möglichkeiten und Mechanismen eruiert, Active Ownership jenseits von Stimmrechtsausübung zu leben – denn Anleiheinvestoren stellen bei vielen Emittenten einen wichtigen Kapitalgeber dar.
Engagement im Anleihenbereich
Viele Mechanismen des Engagements überschneiden sich Assetklassen übergreifend. Allerdings bestehen im Anleihenbereich Besonderheiten, etwa beim Zeithorizont oder bei der Zielerreichung, die für ein erfolgreiches Engagement berücksichtigt werden sollten:
- Priorisierung und Definition von Engagementauslösern: Faktoren hierbei können die Größe der Holdings oder die ESG-Risiken spezifischer Sektoren sein. Eine klare Definition von Engagementauslösern hilft bei der Struktur eines systematischen Prozesses. Neben kontroversen Meldungen zu einem Emittenten kann auch fehlende ESG-Transparenz ein Engagementauslöser sein.
- Ziele und Erfolgsmessung: Anleiheinvestoren sollten Meilensteine für ihre Engagements festlegen und diese dahingehend auf ihre Effektivität überprüfen. Nur so kann der Erfolg abschließend beurteilt werden. Die Ziele können dabei stark variieren: Sie können sich etwa auf die Erhöhung von Transparenz beziehen, auf Verhaltensänderungen, auf Implementierung spezifischer Maßnahmen oder auf konkrete Informationsbeschaffung im Falle kontroverser Meldungen. Kleinere Investoren haben jedoch teils Schwierigkeiten beim Zugang zu den Emittenten – eine Herausforderung, der u.a. mit kollaborativem Engagement gemeinsam mit anderen Investoren begegnet werden kann.
- Zeithorizont: Teilweise werden Anleihen kurzfristig emittiert. Im Falle von Neuinvestitionen muss die Investitionsentscheidung deshalb häufig in einem Zeitraum getroffen werden, in dem das Engagement noch nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Der Engagementprozess sollte dies mit der klaren Definition berücksichtigen, in welchen Fällen eine Investition bereits vor erfolgreichem Abschluss zulässig ist und in welchen Fällen das Engagement abgeschlossen sein sollte. Bei kontroversen Meldungen kann sich dies beispielsweise auf die Schwere der Kontroversen beziehen.
Diffizilerer Ansatz bei Staatsanleihen
Das Engagement bei Anleihen aus dem staatlichen und staatsnahen Bereich ist ein gesonderter Teilbereich des Active Ownership. Auch hier geht es in der Regel darum, Risiken durch zusätzliche Informationen zu sozialen und ökologischen Aspekten besser einzuschätzen. Anders als bei Unternehmen mit Investor-Relations-Abteilungen fehlt bei Staaten aber oft ein direkter Kommunikationskanal, Eskalationsmechanismen bei unbefriedigenden Gesprächsergebnissen sind begrenzt und die Abgrenzung zu Lobbyismus ist teilweise nicht klar. Doch auch dieser Teilbereich hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und internationale Initiativen für kollaborative Engagements wurden ins Leben gerufen.
Active-Ownership-Ansatz bei Berenberg
Im Berenberg Wealth and Asset Management ist Active Ownership ein wesentlicher Bestandteil unseres ESG-Ansatzes. Assetklassen übergreifend ist die direkte Ansprache für uns ein zentrales Instrument, um das ESG-relevante Handeln von Unternehmen und Emittenten zu verstehen und zu beeinflussen. Unsere Engagementrichtlinie fasst auf übergeordneter Ebene unser Vorgehen zusammen und in unserem jährlich erscheinenden Active Ownership Report berichten wir aggregiert über unsere Aktivitäten rund um Engagement und Stimmrechtsausübung.
Die Auslöser für ein Engagement bei Anleihen konzentrieren sich für uns auf zwei Fälle: zum einen, wenn uns relevante Informationen für die ESG- und Impact-Analyse fehlen und zum anderen, wenn kontroverse Meldungen vorliegen und Verbesserungspotenzial bei ESG-Themen besteht. Sowohl für bestehende Holdings als auch für potenzielle neue Investments finden ein systematisches Engagement und Austausch mit dem Emittenten durch das Portfoliomanagement und das ESG Office statt. Nach Abschluss des Engagements treffen wir – je nach Ausgang und Erfolg – unsere finale Investmententscheidung.
Engagement-Beispiel einer Unternehmensanleihe: Bei der Analyse einer potenziellen Investition in einen Green Bond eines deutschen Kreditinstituts wurden Unklarheiten im Green Bond Framework durch das Portfoliomanagement identifiziert. In einem Engagementgespräch wurden insbesondere die Mittelverwendung der Anleihe sowie der zulässige rückwirkende Zeitraum für die Projektfinanzierung diskutiert. Dabei spiegelte das Portfoliomanagement seine Perspektive und Erwartungen hinsichtlich Best-Practice-Standards, sowohl mit Blick auf das Green Bond Framework als auch mit Blick auf die allgemeine ESG-Strategie des Unternehmens. Mit den gewonnenen Erkenntnissen wurde entschieden, vorerst keine Investition für einen Fonds mit Fokus auf positive Wirkung zu tätigen.
Engagement-Beispiel einer Staatsanleihe: Vor dem Hintergrund einer Investition in Staatsanleihen eines südamerikanischen Staates identifizierte das Portfoliomanagement im Rahmen seiner Due Diligence verschiedene kritische Punkte im sozialen und ökologischen Bereich. Im Zuge einer Roadshow von Mitgliedern aus dem Finanzministerium des Staates wurde deshalb ein Engagementgespräch geführt. Dabei ging es um die aktuelle wirtschaftliche Situation und Entwicklung des Landes, das Green Bond Framework und eine geplante Emission sowie soziale Ungleichheiten und Unruhen im Land. Im offenen und konstruktiven Dialog wurde eine klare und konsistente Nachhaltigkeitsstrategie in Bezug auf Umweltaspekte kommuniziert. Allerdings wurden soziale Aspekte aus Berenberg-Sicht nicht ausreichend und transparent genug behandelt, weshalb schriftlich weitere Fragen gestellt wurden. Diese wurden ausführlich beantwortet und lieferten wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf allgemeine Investitionen sowie auf die kommenden Emissionen im Speziellen.
Fazit
Anleiheinvestoren können als aktive Anleger dabei helfen, langfristig das Nachhaltigkeitsprofil der Emittenten zu verbessern, Transparenz zu erhöhen und damit Risiken zu reduzieren. Auch wenn der Handlungsspielraum u.a. aufgrund fehlender Stimmrechte kleiner ist als bei Aktieninvestoren, können sie durch konkrete Spiegelung von Erwartungen und Einforderung von Best-Practice-Standards wirksame Engagements durchführen. Definierte Prozesse, welche die potenziellen Auslöser für Engagements, die Engagementziele sowie die Erfolgsmessung berücksichtigen, können hierbei wichtige Hilfestellung leisten.