Im ersten Teil unserer Kolumne haben wir die Erwartung geäußert, dass im zweiten Halbjahr 2024 wieder mit anziehenden Übernahmeaktivitäten zu rechnen ist. Mittlerweile hat die EZB den Leitzins gesenkt und im Markt scheint eine gesteigerte Aktivität spürbar zu sein. Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen können sich unversehens in einer Übernahmesituation wiederfinden. Wie können wirksame Vorbereitungen getroffen werden? Darf eine Verteidigungsstellung bezogen werden?

Vorstand und Aufsichtsrat des Zielunternehmens müssen zu einem Übernahmeangebot Farbe bekennen. Der begründeten Stellungnahme kommt dabei ein hohes Maß an Bedeutung zu. Das Management muss also einerseits Stellung beziehen. Andererseits hat es unter Berücksichtigung der Stakeholder-Interessen sorgfältig sämtliche Aspekte des Angebots zu berücksichtigen und abzuwägen.

Dabei kommt dem sog. Verhinderungsverbot maßgebliche Bedeutung zu. Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots durch den Bieter darf der Vorstand keine Handlungen mehr vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Ausnahmen stellen Handlungen dar, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unabhängig von einer Takeover-Situation vorgenommen hätte, Maßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats oder die Suche nach einem weißen Ritter („White Knight“), d.h. einem weiteren Bieter, der ein konkurrierendes Angebot unterbreitet, das aus Sicht von Unternehmen und Stakeholdern attraktiver ist (beispielsweise weil die strategische Logik eines Zusammenschlusses überlegen ist, Standorte erhalten oder weniger Arbeitsplätze abgebaut werden). Richtschnur jeglichen Handelns ist dabei stets das Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre sowie maßgeblichen Stakeholder.

Außerhalb der konkreten Übernahmesituation besteht mehr Handlungsspielraum. So kann man an gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zum Übernahmeschutz denken. Hierzu zählen die Wahl der Rechtsform (KGaA), die Einführung von Vorzugsaktien oder sogenannter „Super Majorities“ für wesentliche Hauptversammlungsbeschlüsse. Auch die neu eingeführten Mehrstimmrechtsaktien können eine Übernahme verhindern. Zu bedenken ist aber, dass ein effektiver Übernahmeschutz eine Übernahmephantasie von vornherein ausschließt, was sich wiederum negativ im Aktienkurs auswirken kann. Ob dies im Interesse der Aktionäre ist, bleibt fraglich, denn ein funktionierender „Market for Corporate Control“ ist wesentlicher Bestandteil effizienter Kapitalmärkte.

Nach Bekanntwerden der Bieterabsichten läuft die Zeit. Der Vorstand sollte daher zu jeder Zeit die Bewertung seines Unternehmens, den Markt und den Wettbewerb im Auge haben. Um eine geeignete und interessengerechte Reaktion parat zu haben, ist ein sogenanntes „Defence-Manual“ empfehlenswert. Darunter versteht man einen Leitfaden, in dem neben den Notfallnummern des Defence-Teams ein Fahrplan für die ersten Stunden des „Verteidigungsfalls“ ausgearbeitet ist, der Verhaltensmaßregeln und Reaktionsmöglichkeiten für den Umgang mit kritischen Situationen wie feindlichen Übernahmen, Maßnahmen aktivistischer Investoren oder Cyberangriffen an die Hand gibt.

Übernahmeschutz ist aber kein Selbstzweck und jede Vorbereitung dient nur dazu sicherzustellen, dass Vorstand und Aufsichtsrat in der konkreten Situation pflichtgemäß handeln. Die Entscheidung über den Erfolg eines Angebots sollte bei den Aktionären liegen. Aus deren Sicht ist der beste Übernahmeschutz ein starkes Management mit einer klar kommunizierten – nachhaltigen – Strategie, die die Märkte überzeugt.

Autor/Autorin

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann ist ­Partner für Gesellschaftsrecht und M&A und Co-Lead of Germany bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Gowling WLG. Er berät schwerpunktmäßig im Aktien- und ­Kapitalmarktrecht, insbesondere bei öffentlichen Übernahmen und Takeover Defence.