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Im letzten Teil dieser Kolumne haben wir uns damit beschäftigt, wie sich Vorstand und Aufsichtsrat auch außerhalb einer konkreten Übernahmesituation vorbereiten können, um im Fall einer (drohenden) Übernahme handlungsfähig zu sein und nicht zuletzt frühzeitig Freund von Feind unterscheiden zu können. In dieser Ausgabe widmen wir uns der Diskussion um die Annäherung von UniCredit an die Commerzbank.
Die italienische UniCredit, die bereits im Jahr 2005 die bayerische Hypo- und Vereinsbank übernommen hatte, machte im September Schlagzeilen, weil sie 4,49% der Aktien an der Commerzbank von der Bundesregierung erworben hatte. Der Bund hatte sich in der Finanzkrise signifikant an der Commerzbank beteiligt und ist seither deren größter Aktionär. Anfang September gab er bekannt, dass er beabsichtige, seine Beteiligung zu verringern. Erst nachdem die UniCredit im Rahmen eines Accelerated Bookbuilding am 10. September den Höchstpreis geboten und die Aktien vom Bund erworben hatte, wurde bekannt, dass sie über Aktien und Instrumente bereits zuvor eine Position von insgesamt rund 4,5% aufgebaut hatte. Am 23. September erhöhte UniCredit durch Erwerb weiterer Instrumente ihren Zugriff auf insgesamt 21,21%.
Der Bundesregierung wurde vorgeworfen, man habe das Institut, welches eine maßgebliche Bedeutung für die Finanzierung des deutschen Mittelstands spiele, „auf dem Silbertablett“ der Übernahme durch ausländische Wettbewerber preisgegeben. Rufe nach einer Gesetzesreform wurden laut: Die Eingangsmeldeschwellen für Aktien und Instrumente sollten jeweils abgesenkt, die Frist von vier Bankarbeitstagen für die Abgabe von Stimmrechtsmitteilungen verkürzt und der Meldetatbestand für Instrumente generell vorverlagert werden, um ein solches „Anschleichen“ in Zukunft verhindern zu können. Unabhängig von der Wirksamkeit der geforderten Maßnahmen und ihrer Umsetzbarkeit in der Praxis ist fraglich, ob dieser Fall überhaupt Anlass für Verschärfungen im Kapitalmarktrecht geben sollte.
Das Kapitalmarktrecht dient schließlich weder dem Schutz der Unternehmen vor unerwünschten (feindlichen) Übernahmen noch dem Schutz des Markts vor ausländischen Investoren. Es dient vielmehr der Transparenz und der Schaffung fairer Bedingungen für alle Marktteilnehmer und mit dem dadurch geschaffenen Vertrauen in den Markt und seine Preisbildung letztlich der Effizienz des Kapitalmarkts. Zu einem effizienten Kapitalmarkt gehört aber auch ein funktionierender Übernahmemarkt („market for corporate control“). Das Auftürmen immer neuer, komplexerer gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Regelungen steht dem aber gerade entgegen. Schon heute gibt es in Deutschland im Vergleich weniger Übernahmen als in anderen, reiferen Märkten wie den USA oder dem Vereinigten Königreich. Internationales Kapital wendet sich von Deutschland ab. Wie sich auch im Falle gesellschaftsrechtlicher Übernahmeschutzkonstruktionen (z.B. Rechtsform der KGaA) zeigt, führt eine fehlende Übernahmefantasie in der Regel zu Kursabschlägen. Das Fehlen eines wirklich aktiven „market for control“ ist eine weitere Schwäche des deutschen Kapitalmarkts im internationalen Wettbewerb.
Die Abwehr von Übernahmen aus übergeordneten politischen Überlegungen sollte daher nicht dem Kapitalmarktrecht überantwortet werden. Die Frage, wer der richtige Eigentümer für ein als systemrelevant eingestuftes Finanzinstitut ist, sollte anhand der Maßstäbe des Inhaberkontrollverfahrens nach dem KWG oder des Außenwirtschaftsgesetzes beantwortet werden. Letzteres bietet eine Grundlage, um Übernahmen zu prüfen und abzuwehren, wenn (Sicherheits-)Interessen der Bundesrepublik betroffen sind. Hier sind die übergeordneten Fragen zum Schutz deutscher Unternehmen vor unerwünschten Bietern richtig verortet. Wo die Voraussetzungen nicht vorliegen, bleibt eine Übernahme hinzunehmen – alles andere widerspräche unserer freiheitlichen Marktordnung und damit letztlich dem Interesse an einem funktionierenden, und lebhaften, Kapitalmarkt.
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Autor/Autorin
Dr. Lars-Gerrit Lüßmann
Dr. Lars-Gerrit Lüßmann ist Partner für Gesellschaftsrecht und M&A und Co-Lead of Germany bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Gowling WLG. Er berät schwerpunktmäßig im Aktien- und Kapitalmarktrecht, insbesondere bei öffentlichen Übernahmen und Takeover Defence.