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Seit dem 13. Februar 2023 ist es infolge einer Grundsatzentscheidung der BaFin möglich, nunmehr auch den Überbezug1 von Aktien im Zuge eines Bezugsangebots im Rahmen eines Wertpapier-Informationsblatts (WIB) prospektfrei abzuwickeln. Diese Variante wird seitdem zunehmend nachgefragt.
Mit Änderung des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) im Juli 2019 haben Emittenten, die nicht im regulierten Markt notieren, die Möglichkeit, Bezugsrechtsemissionen an mehr als 149 Aktionäre im Gegenwert von 0,1 Mio. bis 8,0 Mio. EUR mithilfe eines Wertpapier-Informationsblatts (WIBs) durchzuführen. Der erforderliche Wertpapierprospekt ist seitdem nicht mehr erforderlich. Das WIB umfasst nur drei Seiten und kann schneller als ein Wertpapierprospekt von der BaFin gebilligt werden.
Hinzu kommt, dass bei dieser Transaktionsart die in § 6 WpPG genannten Einzelanlageschwellen nicht beachtet werden müssen, sondern jeder Aktionär den ihm zustehenden Bezug betragsunabhängig ausüben kann und lediglich die allgemeinen Vorschriften (§§ 4 und 5 WpPG) für ein WIB gelten. Ein Angebot an Nichtaktionäre ist ausgeschlossen. In der Praxis wird daher oftmals parallel zur Bezugsrechtsemission eine Privatplatzierung an Dritte vorgenommen.
WIB-Emissionsvolumina mit Überbezug deutlich höher
Die BaFin registrierte einen deutlichen Anstieg eingereichter WIBs, nämlich von 14 (2018) auf 55 (2019). Die Beliebtheit bei der Unternehmensfinanzierung (Emissionen von Aktien und Unternehmensschuldverschreibungen) nahm in den Folgejahren weiter zu: von 95 (2020) auf 164 (2021). 2022 wurden 147 WIBs gestattet. Die durchschnittlichen Volumina bewegten sich über die Jahre hinweg zwischen 2 Mio. und 3 Mio. EUR.2
Die Grundsatzentscheidung der BaFin, den Überbezug von Aktien bei diesen Transaktionen einzuschließen, führte zu deutlich höheren Emissionsvolumina. Bis Ende November haben in dem für Small Caps schwierigen Börsenjahr 2023 neun Gesellschaften zehn Bezugsrechtsemissionen mit WIBs abgewickelt. Das durchschnittliche Volumen bei WIB-basierten Transaktionen lag 2023 bei 4,85 Mio. EUR (Median: 3,60 Mio. EUR). In 60% der Fälle wurde Aktionären dabei ein Überbezug gewährt. Beobachtbar ist zudem, dass verschiedene Regionalwerte-AGs, die nicht an einer Börse notiert sind und als Bürgeraktiengesellschaften für nachhaltige Projekte agieren, mit Bezugsrechtskapitalerhöhungen inkl. Mehrbezug auf Kapitalsuche waren.
Über die Bedeutung des Überbezugs bei Bezugsrechtsemissionen
„Überbezug bei Kapitalerhöhungen“, GoingPublic Magazin 1/2022.
https://bit.ly/gp_0122
Fazit
Die geplante Änderung, Kapitalerhöhungen bis zu 20% ohne Bezugsrecht durchzuführen, könnte zwar künftig die Bezugsrechtsemissionen etwas zurückdrängen, da Privatplatzierungen, die über Emissionsbanken an institutionelle Anleger platziert werden, rasch und ohne Dokumente durchzuführen sind. Gewähren Emittenten ihren Aktionären ein Bezugsrecht, dann dürfte die Bezugsrechtsemission inkl. Überbezug künftig die beliebteste Transaktionsart darstellen.
1) Über die Bedeutung des Überbezugs bei Bezugsrechtsemissionen siehe „Überbezug bei Kapitalerhöhungen“, GoingPublic Magazin 1/2022.
2) Vgl. Jahresberichte der BaFin. Die BaFin veröffentlicht in ihren Jahresberichten die Anzahl der WIBs, jedoch nicht den jeweiligen Emittenten, die Transaktionsart und das Wertpapier. Auf der Webseite der Aufsicht gibt es eine Datenbank, in der WIBs zusammen mit Wertpapierprospekten nach dem Anfangsbuchstaben des Emittenten bzw. des Anbieters der Wertpapiere hinterlegt sind. Eine chronologische Sortierung ist leider nicht möglich.
Autor/Autorin
Dr. Andreas Beyer
Dr. Andreas Beyer ist Small-Cap-Experte und publiziert im GoingPublic Magazin seit vielen Jahren Standpunkte, Kommentare und Fachartikel.