Die Londoner Börse (London Stock Exchange, LSE) möchte Medienberichten zufolge ein neues Marktsegment auflegen – die Vorschriften dafür wären indes zunächst ‚gewöhnungsbedürftig‘.

Von Plänen für ein neues Marktsegment der LSE berichtete die vergangenen Tage zuerst das Wall Street Journal unter Berufung auf Vorschläge an die heimische Aufsichtsbehörde FCA sowie das britische Finanzministerium.

Im Fokus stünden schnell wachsende Technologieunternehmen, für die aufgrund zu hoher Auflagen bis dato kein Marktsegment passend oder machbar wäre – und die daher auf eine frühzeitige Börsennotiz verzichten bzw. verzichten müssen. Für zahlreiche Startups wirken gängige Börsenauflagen häufig abschreckend.

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Um diese Hemmschwelle abzubauen, plant die LSE offenbar ein Retuschieren der Grenze zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen. Die sicherlich gewöhnungsbedürftigste Lockerung: Ein Handel der Wertpapiere würde nach Wahl lediglich an einem bis fünf Werktagen im Monat, im Quartal oder im Halbjahr erfolgen.

Intern soll der Vorschlag MTF-light heißen. MTF ist die Abkürzung für Multilateral Trading Facility, de facto eine außerbörslicher Handelsplattform, wie sie in vielen Ländern bekannt ist, jedoch nicht als Börse im strengen Sinn. Unter dem Strich würde der LSE-Vorstoß einer vorbörslichen Beteiligungsmöglichkeit gleichkommen – allerdings ohne die bisher üblichen Auflagen an Nettoinvestitionsvermögen wie etwa 1 Mio. EUR oder dergleichen, wie sie regelmäßig nur für professionelle und semiprofessionelle Investoren darstellbar sind.

Hintergrund dürfte die seit mehr als einem Jahrzehnt zurückgehende Zahl an notierten Unternehmen an der LSE sein – allerdings zeitigen andere Börsenplätze inklusive Frankfurt das gleiche Phänomen: Es gibt seit einigen Jahren mehr De-Listings als Börsendebütanten.

Bei den Londonern kommt der Sonderfall BrExit hinzu und damit die Frage nach der künftigen Attraktivität des Finanzplatzes London im Speziellen. Seit dem EU-Austritt steht London de facto in direktem Wettbewerb mit seinen einstigen Nachbarn, die zuvor quasi zur Familie gehörten: London war anerkanntermaßen der Primus inter pares.

Eine offenbar nicht bedachte Nebenwirkung der Pille BrExit ist, dass der einstige Platzhirsch nicht mehr per se als europäische Nummer Eins gesetzt scheint und nunmehr hinterfragt wird. Allerdings ist dessen legitime Nachfolge genauso wage: Es wäre vielleicht Zeit, dass man in Eschborn – für Frankfurt – die Hand hebt und dies vorzugsweise mit der einen oder anderen Initiative garniert. Oder in Brüssel für die paneuropäische EuroNext. Die Alternative scheint lediglich, dass Europa als Ganzes verliert und die Gewinner des Kampfes um die Attraktivität des Börsenplatzes einmal mehr jenseits des Atlantiks zu finden sein werden.

Fotos: @LSE, pixabay