2020 ist bislang ohne Frage ein sehr besonderes Jahr. Jedoch leider im negativen Sinn. Die Börsen führen teilweise ein Eigenleben. Der „Corona-Wahnsinn“ wird mit Sicherheit der ganzen Welt noch eine lange Zeit in Erinnerung bleiben – von Patrick Linden, Geschäftsführer Deutschland und Partner bei Clartan Associés

Immer neue Hitzerekorde, verrückte Börsen und die US-Präsidentenwahl im November, deren Ausgang noch ungewiss ist: Die Welt schein durchzudrehen.

Aber: Es tut sich einiges in der Corona-Forschung. Erste brauchbare Lösungen für den Feldeinsatz in Punkto Corona-Impfstoff werden für den Herbst erwartet. Klassische Branchen sehen eine starke Normalisierung ihres Geschäfts. Industrieaufträge boomen. Börsenseitig bietet sich aktuell immer noch eine eklatant große Preisdiskrepanz zwischen teuren Tech- und Pharma-Werten und dem Rest des Marktes. Ohne die fünf Tech-Schwergewichte wäre der S&P 500 heute noch deutlich im Minus. Selektion ist gefragt. Mit Einführung eines Impfstoffes könnte der Markt einen Ausstieg aus diesen teuren Werten und einen regelrechten „Flight to Quality-Value“ erleben.

Einblicke in die Realwirtschaft

Die Halbjahresberichte der Unternehmen liefern interessante Einblicke in die Realwirtschaft und machen die Auswirkungen der Pandemie greifbar. So ist nach Schätzung von BASF das weltweite Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr um 6 Prozent und die globale Industrieproduktion um 8 Prozent gesunken. Der Chemiekonzern verweist insbesondere auf den Produktionsrückgang in der Automobilindustrie um mehr als ein Drittel und die anziehende Industrieproduktion in China im zweiten Quartal.

Im Chemicals-Segment, das den übrigen BASF-Segmenten vorgelagert ist, agiert der Konzern an einem Massenmarkt, an dem Skaleneffekte erfolgsentscheidend sind. Hier gingen die Preise aufgrund der geringen Nachfrage um 25% massiv zurück, wodurch BASF als Marktführer seinen Marktanteil um 7% steigern konnte. Die Krise zementiert die Vormachtstellung der Marktführer.

Keine klare Linie erkennbar

Was die Investitionstätigkeit insbesondere im zweiten Quartal anbelangt, verdeutlicht der Bericht von Schneider Electric, wie sehr sich die Lage in Nordamerika und Europa mit Umsatzrückgängen um 20 bzw. 21% von der im asiatisch-pazifischen Raum – vergleichsweise moderater Rückgang um 7% dank einer Erholung um mehr als 10% in China – unterscheidet.

Mit Blick auf seine Auftragsbücher wagt Schneider einen Gesamtjahresausblick: Der Konzern rechnet mit einem Rückgang des organischen Wachstums um 7 bis 10%. Das Unternehmen zeigt sich gleichzeitig zuversichtlich, dass die Pandemie sein langfristiges Wachstumspotenzial von 3 bis 6% nicht in Gefahr bringt.

Die ausgezeichneten Zahlen von Givaudan (+4% insgesamt, +1% in den Industrieländern und +9% in den Schwellenländern) zeigen, dass sich der Konsum wacker schlägt. Demgegenüber steht das rückläufige Frachtvolumen bei Kühne + Nagel: In der Seefracht verzeichnete der Logistikkonzern im zweiten Quartal ein Minus von 12% nach 6% im ersten Quartal, in der Luftfracht stand nach dem Rückgang um 9% im ersten Quartal nun ein Minus von 22% zu Buche.

Amerikanische und Europäische Börsen driften außeinander

An den Börsen driftet die Entwicklung in Amerika und Europa immer stärker auseinander: So liegt der S&P 500 nach Zuwächsen um 5,5% im Juli im bisherigen Jahresverlauf nun um 1,3% und gegenüber dem Vorjahr um 10% im Plus.

Demgegenüber gab der Eurostoxx 600 im Juli um 1,1% nach und hat im bisherigen Jahresverlauf 14% und gegenüber dem Vorjahr 8% an Wert eingebüßt. Der Strom der kaufwilligen Anleger konzentriert sich mehrheitlich auf den amerikanischen Markt, obwohl die Pandemie dort wieder aufflammt und die wöchentlichen Neuanträge auf Arbeitslosengeld wieder steigen. An die europäischen Börsen hingegen wagen sich kaum Anleger, und das trotz der guten Nachrichten vom EU-Gipfel, auf dem sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Wiederaufbauplan verständigten und die Union so gleichsam auf ein neues Fundament stellten.

Dass sich die Börsen so sehr von der wirtschaftlichen Realität abkoppeln, stellt eine auf die Fundamentaldaten ausgerichtete Vermögensverwaltung vor Herausforderungen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Diskrepanzen nicht dauerhaft sind und es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die Rationalität der Marktteilnehmer wieder durchsetzt.

Über Clartan Associés

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Patrick Linden

1986 als unabhängige Vermögensverwaltungsgesellschaft unter dem Namen Rouvier Associés gegründet, verwaltet Clartan Associés Aktienportfolios für Privat- und institutionelle Kunden. Hierzu bietet die Gesellschaft im Rahmen ihrer Sicav Clartan vier Teilfonds – Clartan Patrimoine, Clartan Evolution, Clartan Valeurs und Clartan Europe – an, deren Management in Teamarbeit erfolgt und auf dem einzigartigen sogenannten „Quality & Value“-Ansatz basiert. Clartan gehört zu den Unterzeichnern der „Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren“ der Vereinten Nationen (UNPRI). Dadurch ist die gesamte Vermögensverwaltung auf die Einhaltung übergreifender Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet. Ergänzt wird die Fondsverwaltung durch Multi-Asset-Verwaltungsmandate für Privatkunden. Das verwaltete Vermögen beträgt derzeit ca. 1,4 Mrd. EUR (Stand: 31.12.2019)