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Die Medios AG aus Berlin (Börsenwert: rund 380 Mio. EUR) ist zum deutschlandweit führenden Hersteller von Spezialpharmazeutika aufgestiegen. Höhere Erträge lassen sich in diesem regulierten und fragmentierten Markt nur schwer erzielen. Aus diesem Grund spezialisiert sich das Unternehmen immer stärker auf die Herstellung von zugelassenen Arzneimitteln für spezifische ­Patientengruppen, beispielsweise in der Krebsmedizin. Aufgrund der komplexeren Verfahren sind damit deutlich höhere Preise möglich. Für die europaweite Expansion dieses Geschäfts ist die im März abgeschlossene Akquisition der niederländischen ­Ceban Pharmaceuticals B.V. eine wichtige Etappe. GoingPublic sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Matthias Gärtner.

GoingPublic: Herr Gärtner, Medios hat in den letzten fünf Jahren den Umsatz auf fast 1,8 Mrd. EUR mehr als verfünffacht. Im selben Zeitraum blieb die Umsatzrendite aber bei rund 1% hängen. Wie wollen Sie der Profitabilität einen neuen Schub geben?

Quelle: Eigene Recherche; Market Cap zum Redaktionsschluss

Gärtner: Wir sind in unseren beiden ­Geschäftssegmenten Handel und Herstellung extrem stark gewachsen. Das war der erste strategische Schritt, um im stark fragmentierten Pharmahandel eine kritische Größe mit bestimmten Handelsvolumina zu erreichen. Nur so werden wir auch von der Pharma­industrie als potenzieller Geschäftspartner wahrgenommen. Das ist uns hervorragend gelungen. Mittlerweile sind wir bei den Pharma­konzernen teilweise die besten ­Abnehmer für ausgewählte Produkte.

In anderen Ländern sind mit denselben Herstellungsprozessen bis doppelt so hohe operative Margen möglich wie in Deutschland.

Entscheidend für langfristigen Erfolg ist die Marge, um bei der Frage zu bleiben.

Im Pharmahandel geht ein solches exponen­tielles Umsatzwachstum anfänglich auf Kosten der Marge. Mit dem Erreichen der kritischen Größe sind wir hinsichtlich des Umsatzes der Marktführer in Deutschland. Jetzt konzentrieren wir uns auf die profitableren Bereiche ­unseres Geschäfts, also die Herstellung von Spezialpräparaten für patientenindividuelle Therapien. Darüber hinaus wollen wir bei den Umsätzen stärker über die Expansion in internationale Märkte wachsen.

Wie wollen Sie in Europa zulegen?

Marktstudien schätzen, dass der europäische Spezialpharmamarkt im Schnitt um jährlich 10% wachsen wird. Jedes Land hat dabei eine andere Regulatorik und Preisgestaltung. Dementsprechend verschieden sind die Spielräume bei den Margen. In Deutschland erzielen wir mit der Herstellung von Pharmazeutika eine EBITDA-Marge von ca. 10%. In anderen Staaten sind mit denselben Prozessen bis zu doppelt so hohe Margen möglich, je nachdem, wie hoch die Kostenerstattung durch die Krankenkassen ausfällt und wie stark die Herstellungsprozesse reguliert sind.

Erwarten Sie, dass hier in naher Zukunft EU-Regularien nationale Vorschriften im Pharmahandel ersetzen?

In Deutschland ist der Markt weitgehend ­reguliert. Im Handel sind die Margen niedrig und damit müssen alle zurechtkommen. EU-weite Regulierungen für grenzüberschreitenden Handel und Service würden uns mittel- bis langfristig neue Chancen eröffnen. Großbritannien ist auch interessant, aufgrund der Aus­wirkungen des Brexit jedoch ein schwieriger Markt. Partnerschaften könnten hier in ­Zukunft die erste Etappe für den Einstieg sein.

Quelle: stock3.com

Und was geht noch auf dem Heimatmarkt Deutschland? Dort ist Medios mit seinen Good- Manufacturing-Practice(GMP-)zertifizierten Laboren für die Produktion von patientenindividuellen Arzneien noch nicht flächendeckend präsent.

Medios ist von Berlin aus über Hamburg nach Westdeutschland expandiert und dann in den Südwesten. Wir haben noch weiße Flecken, beispielsweise in Bayern und in der geografischen Mitte Deutschlands. Mittelfristig könnten dort bis zu zwei eigene Labore dazukommen. Um den Markteintritt zu beschleunigen, wollen wir diese bevorzugt zukaufen und nicht selbst entwickeln, wie wir das häufig getan haben. Unsere Abnehmer sind die einzelnen Partner­apotheken, hinter denen mindestens ein Arzt oder eine Klinik steht, die wir als eigentliche Kunden beliefern. Mit diesem Geschäftsmodell können wir in Deutschland weiterwachsen, auch ausgehend von einer hohen Basis.

Welche Nischenmärkte hat Medios bei der individualisierten Produktion von zugelassenen Medikamenten im Visier?

Wir adressieren insgesamt sechs Indikationsgebiete. Nach der Onkologie, mit der die meisten GMP-Betriebe angefangen haben, haben wir vor allem die Augenheilkunde und die Hämophilie, also genetisch bedingte Bluterkrankungen, dank neuer Regulierungen erschlossen. In der Hämo­philie sind wir als First Mover mit Abstand Markt­führer. Aktuell kaufen wir lizenzierte Arzneien und bereiten diese individualisiert zu, auf ­Basis der Therapiepläne von Ärzten und Kliniken für Dosierungen auf einer Charge von eins als Mengeneinheit. Der nächste Schritt wird dann die personalisierte Medizin sein, die auf dem Zellmaterial der einzelnen Patienten basiert und noch gezielter eingesetzt werden kann.

Was macht Medios hier anders als die großen Pharmakonzerne?

Eine Roche in Basel oder eine Bayer in Leverkusen kann diese Produkte nur zentral konzipieren und herstellen. Genau hier kommen wir mit unseren Laboren vor Ort für Charge-eins-Herstellung und unseren Prozessen für die Qua­litätskontrolle für diese komplexen Produkte ins Spiel. Und wir werden unser europaweites Netzwerk an GMP-Laboren weiter ausbauen.

Dafür muss Medios mehr Geld in die Hand nehmen – wie zuletzt bei der Übernahme von Ceban Pharmaceuticals in den Niederlanden für 235,3 Mio. EUR in Barmitteln und 1,7 Mio. neuen Medios-Aktien im Wert von rund 23,9 Mio. EUR. Warum fiel die Wahl auf Ceban?

Aus einer internen Analyse sämtlicher europäischer Länder zusammen mit externen Partnern kamen die Niederlande und Belgien in die engere Auswahl als interessante Märkte. Aus der Short­list an potenziellen Übernahmeobjekten hat sich schnell Ceban herauskristallisiert. Das achtfache EBITDA als Bewertung ist sehr fair. Ermöglicht hat es das aktuelle Marktumfeld in der Life-Sciences-Industrie mit niedrigeren Firmen­bewertungen als noch vor wenigen Jahren.

400.000 auf einzelne Patienten individu­alisiert zubereitete Arzneien stellt Medios jährlich her.

Wie schafft es Ceban, mit voraussichtlich 18% in diesem Jahr eine deutlich höhere EBITDA-Marge zu erzielen als Medios mit seinen zuletzt 3,3%?

Die Regulatorik ist in den Niederlanden ­anders als in Deutschland. Nicht nur das Sterile Compounding in GMP-Laboren, also die Produktion alle flüssigen Verabreichungsformen, sondern auch das Non-Sterile Compounding, z.B. bei Cremes, können dort von Outsourcing-Firmen und nicht nur in Apotheken wie in Deutschland übernommen werden.

Medios arbeitet am Aufbau seiner europaweiten Spezialpharmaplattform. Mit welchem Alleinstellungsmerkmal wollen Sie punkten?

Unser Pluspunkt gegenüber Wettbewerbern ist das europaweite GMP-Netzwerk mit Fokus auf Charge eins, was uns von den großen ­Playern abgrenzt, die Hunderttausende von Badges herstellen. Nur mit der Produktion in GMP-Laboren vor Ort lassen sich Spezial­produkte in ihren Applikationen individuell für einzelne Patienten vor Ort aufbereiten.

Medios finanziert den Ceban-Zukauf über Kredite. Unter welchen Umständen könnten weitere Kapitalmaßnahmen notwendig werden?

Dazu besteht keine Notwendigkeit und es ist im aktuellen Zinsumfeld auch nicht wünschenswert. Medios hat eine extrem solide ­Bilanzstruktur. Wir waren bis zur Übernahme von Ceban meist schuldenfrei und haben ­unsere Gewinne reinvestiert. Dank des positiven Cashflows werden wir die jetzt aufgenommenen Kredite in den nächsten Jahren ­zurückzahlen können.

Wie erklären Sie sich die mäßige ­Performance Ihrer Aktie?

Das Marktumfeld ist weiterhin schwierig für Small- und Mid Caps, weil die Risikoaversion der Investoren bei Nebenwerten anhält, auch bedingt durch das veränderte Zinsniveau. ­Unser Geschäftsmodell ist erklärungs­bedürftig. Wir arbeiten hier verstärkt daran, unseren Investoren auf Roadshows und Investorenkonferenzen komplexe Sachverhalte noch griffiger zu erklären.

Wie sehen Sie Medios auf Sicht der nächsten drei Jahre in seinem Marktumfeld aufgestellt?

Mit dem fortschreitenden geografischen Roll-out werden wir das europaweit fortgeschrittenste GMP-Netzwerk aufbauen. Bei den Konzernergebnissen sollten wir dank des ­Fokus auf patientenindividuelle Therapien und der weiteren Internationalisierung deutlich bessere Margen abliefern. Darüber hinaus bin ich zuversichtlich, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre der Fokus perso­nali­sierte Medizin bei Umsatz und Rendite in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sichtbar wird.

Das Interview führte Stefan Riedel.


Zum Interviewpartner

Der studierte Informatiker Matthias Gärtner ist seit Oktober 2014 Vorstandsvorsitzender der Medios AG. Nach seinem Studium gründete er 1995 die Softwarefirma e.multi Digitale Dienste AG und brachte das Unternehmen als Vorstand und Mehrheits­aktionär an die Börse. Von 2007 bis 2010 war er in Sydney für den Aufbau der australischen Niederlassung eines europäischen Hedgefonds verantwortlich, ehe er als Investor nach Deutschland zurückkehrte.

Autor/Autorin

Stefan Riedel
Freier Redakteur at Büro für Kommunikation

Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.