
Die Finanzkrise 2008 hat das Milieu für Börsengänge weltweit nahezu ausgetrocknet. Der US-amerikanische IPO-Markt konnte sich jedoch erholen und bot in den darauffolgenden Jahren wieder ein gutes Klima für das „Going Public“. Auch Unternehmen aus dem Industrial-Biotech-Sektor profitierten von diesem Trend. Obwohl seit dieser Zeit sieben Unternehmen ein erfolgreiches Debüt an der US-Technologiebörse NASDAQ absolvierten, haben drei Firmen ihre IPO-Pläne bereits wieder abgebrochen. Die Börsenlandschaft ist und bleibt als Exit-Kanal unsicher.
Die Folgen der Finanzkrisen
Im Februar 2012 konnte das kanadische Unternehmen Enerkem mit dem mittlerweile sechzehnten „Filing“ (Ausdruck für das Anmeldeverfahren eines IPOs) innerhalb der letzten rund zwei Jahre belegen, dass der Industrial-Biotech-Sektor zurück in den Fokus der Finanzindustrie gerückt ist. Ein positiver Trend für eine Branche, die mit starken Reputationsproblemen zu kämpfen hatte und durch die weltweite Finanz- und Staatsschuldenkrise mit Finanzierungsengpässen konfrontiert war. Die problematische öffentliche Wahrnehmung dieser Industrie, die auf dem Spannungsfeld hinsichtlich der Nutzung von Nahrungsmittelressourcen zur Biotreibstoff-Produktion beruht, hat die Kapitalakquise der Firmen zusätzlich erschwert. Doch nicht nur das geschlossene IPO-Fenster fiel in dieser Zeit als Exit-Kanal weg, die Finanzkrise hatte auch ihren Einfluss auf die Finanzierung zahlreicher Forschungsprojekte und verzögerte die Entwicklung von Technologieplattformen und Pilotanlagen. Trotz positiver Tendenzen hat beispielsweise Enerkem Ende April 2012 aufgrund des weiterhin sehr verhaltenen Finanzmarktumfeldes die Börsenpläne wieder eingestellt. Auch Genomatica hat die Börsenpläne mittlerweile wieder begraben und sich in einer 41 Mio. USD-Finanzierungsrunde Liquidität bei privaten Investoren beschafft.
Biotreibstoffe, Plattformchemikalien, Kosmetika
Die Produktpaletten der Biotech-Firmen reichen von Spezialölen, Ethanol und Butanol für die Biofuel-Produktion bis hin zu Plattformchemikalien, Nahrungsergänzungsmitteln und Zusatzstoffen für Kosmetika. Neben den zur Produktion genutzten Mikroorganismen, in denen teils jahrelange Forschungsanstrengungen stecken, ist für die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells vor allem die verwendete Rohstoffbasis relevant. Firmen wie Amyris, die bei ihrer Produktion nahezu komplett auf billigen Rohrzucker setzen, gehen in Brasilien Joint Ventures ein, um sich einen stetigen Nachschub an dem begehrten Gut zu sichern. Einige Marktbeobachter sprechen bereits von der „Glucose Economy“, in Anlehnung an die heutige „Oil Economy“. Ebenso wirtschaftlich attraktiv scheint es zu sein, bei der Kommerzialisierung zuerst auf High-Value-Produkte (meist Spezialchemikalien) zu setzen, da diese eine um ein Vielfaches höhere Profitabilität im Vergleich zu Biokraftstoffen versprechen.
Knackpunkt: Rohstoffbasis
Trotz des laufenden „Green Equity“-Börsenmarktes bieten die aktuellen Technologieansätze hinsichtlich Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gewissen Zündstoff, da Korn und Zuckerrohr in den bisherigen Marktszenarien als Rohstoffbasis dominieren. Das bringt zum einen eine diskussionswürdige Umweltbilanz hinsichtlich der Landnutzung mit sich (in Brasilien werden noch immer Regenwaldbestände zum Anbau von Zuckerrohr gerodet), und gleichzeitig ergibt sich auch ein Einfluss auf die globale Nahrungsmittelversorgung, vor allem hinsichtlich Preissteigerungen aufgrund der verstärkten Nachfrage nach Getreide, Mais und Zucker. In den USA werden mittlerweile rund 40% der nationalen Maisernte jährlich für die Ethanolproduktion genutzt, was die Preise im ganzen nordamerikanischen Raum und auf dem Weltmarkt zusätzlich anziehen lässt. Bisherige Technologieansätze können daher nur eine Brücke sein, um als Übergangstechnologie den Weg für die effizientere Nutzung von zellulosehaltiger Biomasse (schnell wachsende Gräser, Pflanzenabfälle, Holz) zu ebnen. Da dies jedoch technologisch sehr viel schwieriger umzusetzen ist als die Herstellung von Ethanol oder Butanol aus Glukose, wird eine wirtschaftliche Nutzung noch einige Jahre dauern. Langfristig wird ein Umdenken aber nötig sein, denn die Korn- und Zuckerpreise korrelieren stark mit dem Ölpreis und eine Fokussierung auf zellulosehaltige Biomasse wird die Produzenten Preisanstiegen gegenüber unabhängiger machen.
Fazit
Die industrielle Biotechnologie bietet das Potenzial, in weiten Teilen der Wirtschaft Fuß zu fassen, die Ressourcennutzung effizienter zu gestalten und Materialien auf Rohölbasis zumindest teilweise zu ersetzen. Trotz einiger erfolgreicher Börsengänge konnten sich aufgrund des aktuellen Finanzmarktumfeldes die Börsenkurse der meisten Firmen nicht halten und brachen teils massiv ein. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend verstetigt und im allgemeinen Marktsentiment dazu führt, dass IPOs als Exit-Kanal für Industrial-Biotech-Unternehmen zurzeit nicht in Frage kommen. Dies wird auch die strategischen Exit-Szenarien vieler Venture-Capital-Investoren beeinflussen.
Dieser Artikel ist erschienen in der Sonderausgabe Biotechnologie 2012.