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Mit der Implementierung der neuen Rechnungslegungsstandards IFRS 15 und IFRS 16 kommen auch für Investor Relations Manager neue Herausforderungen hinzu. Warum grundlegendes Finanzwissen für IROs enorm wichtig ist, erklären Kay Bommer und Dr. Martin Steinbach im Interview.
GoingPublic: Herr Bommer, Herr Dr. Steinbach, wie fit müssen IR-Manager überhaupt sein bei Rechnungslegungsthemen wie IFRS oder steuerlichen Angelegenheiten?
Bommer: Der IR-Manager muss kein IFRS oder gar Steuerquoten berechnen können. Er muss aber die Zusammenhänge verstehen und was das für die Bilanz bedeutet. Bei einigen IR-Managern fehlt oft buchhalterisches Wissen, so dass es für diese schwerer fällt, die Karriereleiter nach oben in Richtung CFO aufzusteigen. Es ist also wichtig, dass IROs ein solides Wissen über IFRS und Steuern aufbauen – um nicht nur vor den Investoren mit diesem Zahlenverständnis zu glänzen, sondern auch, um für weitere Karriereschritte solide ausgerüstet zu sein.
Dr. Steinbach: Die IR-Abteilungen müssen aus meiner Sicht sattelfeste Kenntnisse in der Rechnungslegung sowie in steuerbezogenen Themen aufweisen. Das ist deshalb so wichtig, weil der Kapitalmarkt in IFRS spricht. IFRS ist wiederum die weltweite Sprache der Zahlen. Das betrifft die Kommunikation der Quartalszahlen, der Guidance, aber auch wichtiger Kennzahlen, den sogenannten KPIs.
Inwiefern hilft solch ein Grundwissen in der täglichen IR-Praxis?
Dr. Steinbach: Durch IFRS schafft man eine weltweite Vergleichbarkeit für Investoren und Analysten. Für IROs ist es demnach nicht nur wichtig, dass sie die Finanzkenntnisse ihres eigenen Unternehmens perfekt beherrschen, sondern auch die der Peer Group kennen und verstehen, Um das eigene Unternehmen in der Öffentlichkeit darstellen zu können, müssen die Kennzahlen der Wettbewerber genauso verstanden werden. z.B. für den Vergleich von Bewertungsmultiples.
Bommer: Das kann ich unterstreichen. Der IR-Manager ist im Grunde eine eierlegende Wollmilchsau. Er muss ein guter Kommunikator sein, braucht juristische Grundkenntnisse, muss verstehen wie die Kapitalmärkte funktionierten und muss eben auch ein gewisses Zahlenverständnis aufbringen. Auch wenn er keine tiefgreifenden Finanzkenntnisse wie ein Controller oder ein Analyst benötigt, sollte er doch immer die groben Zusammenhänge verstehen und erklären können. Bei unseren Seminar-Angeboten vom DIRK beobachten wir schon lange, dass die Nachfrage deutlich höher ist als das Angebot. Das ist ein Zeichen dafür, dass bei solchen Themen einfach noch stärkeres Wissen benötigt wird.
Wie wollen Sie dieser erhöhten Nachfrage als Deutscher Investor Relations Verband nachkommen?
Bommer: Wir planen gemeinsam mit EY als starken Partner an unserer Seite Anfang nächsten Jahres, genauer am 30./31. Januar 2020, ein Seminar mit dem Titel „IFRS für die Kapitalmarktkommunikation“. Dabei werden die Anforderungen an die Rechnungslegung im Kapitalmarkt vertieft sowie kapitalmarktrelevante Positionen im Jahresabschluss und Steuern verständlicher für den Dialog auf Augenhöhe mit Investoren und Analysten gemacht. Zudem wird ein Überblick über aktuelle Änderungen in den IFRS und deren Auswirkungen auf die IR-Arbeit gegeben.
Im Bereich der IFRS gibt es fortlaufende Änderungen (z.B. aktuell: IFRS 15 & IFRS 16). Ist das nicht enorm herausfordernd für IR‘ler und was bedeutet das für die IR-Arbeit?
Bommer: Bei IFRS gibt es zwar ständig Änderungen, aber diese sind meist nicht so umfangreich wie von regulatorischer Seite, wie u.a. MiFID II oder ARUG II etc. Hier kommen ja meist aufbauend auf bestehenden rechtlichen Grundlagen noch zusätzlich neue Änderungen hinzu. Bei IFRS ist das ein bisschen anders – denn sobald etwas Neues hinzukommt, werden die alten Regelungen häufig ersetzt.
Dr. Steinbach: Das Wissen in der IFRS muss in der Tat ständig aktualisiert werden. Jüngst sind z.B. mit IFRS 15 Änderungen in der Umsatzrealisierung und mit IFRS 16 Neuerungen im Bereich des Leasings aufgekommen. Das führt zu Volatilitäten im Bilanzbild, die der IRO den Investoren natürlich erklären muss. Zudem müssen IR-Manager hier Erwartungsmanagement betreiben und den Investoren zeigen, was die Änderungen für Auswirkungen haben, um unschöne Überraschungen zu vermeiden. Bei IFRS 16 kommt es zum Beispiel häufig vor, dass die Bilanz aufgebläht wird. Das muss entsprechend erklärt werden. Durch gute IR-Arbeit können also Überraschungen vermieden werden.
Für viele Unternehmen spielen nicht-finanzielle Kennzahlen – z.B. in Bezug auf Nachhaltigkeit – heutzutage eine immer entscheidendere Rolle. Wie kommt hier IFRS ins Spiel?
Dr. Steinbach: Beim hochaktuellen Thema wie Sustainable Finance und der Debatte um langfristige Werttreiber ist das Verständnis von IFRS enorm wichtig. Der Unternehmenswert wird heute in der Tat häufig von langfristigen immateriellen Werttreibern bestimmt, die nicht immer vollständig in der Bilanz ausgewiesen sind. Über diese immateriellen Vermögenswerte muss der IR-Manager aber detaillierte Kenntnisse besitzen und gegenüber seinen Investoren erklären können. Besonders im Zeitalter zunehmender digitaler Geschäftsmodelle nehmen solche Werttreiber einen immer höheren Stellenwert ein. Heutzutage hat man es immer weniger mit Asset-starken Unternehmen zu tun, die z.B. große Maschinen, Fabrikgelände oder zig Immobilien besitzen. Vielmehr entwickeln wir uns immer stärker zu einem Asset-light-Modell hin, bei dem immaterielle Vermögenswerte eine größere Rolle spielen. Das können Aspekte sein wie Daten, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, Marken etc. Das heißt, der IR-Manager muss in der eigenen Bilanz lesen und analysieren können, ob solche Aspekte dort enthalten sind und in welchem Umfang.
…und im Bereich der zunehmenden Digitalisierung?
Dr. Steinbach: Die Digitalisierung erhält ganz klar Einzug in die Rechnungslegung, z.B. durch Künstliche Intelligenz. Analysten und Investoren können heute einfach einen Bot losschicken und sich sämtliche Finanzkennzahlen auswerten lassen. Doch nicht nur KI vereinfacht viele Prozesse in der Rechnungslegung, sondern auch das neue elektronische Berichtsformat ESEF, das ab 2020 erforderlich wird. Hier erfährt der IR-Manager eine Art Erleichterung in seiner täglichen Arbeit. Was aber nicht heißt, dass er kein Wissen in entscheidenden Finanzthemen mehr aufbauen soll. Im Gegenteil: IFRS-Kenntnisse sind die Basis für jeden Junior-IRO, die Pflicht für jeden Senior-IRO und unabdingbar auf den Weg in den Vorstand.
Bommer: Dem stimme ich zu. Es ist absolut tödlich für den IR-Manager, wenn er sich aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und neuen Möglichkeiten, wie u.a. Künstliche Intelligenz und XBRL, zurücklehnt und den Computer seine Arbeit machen lässt. Er muss nach wie vor vernünftig nach außen kommunizieren und seinen Investoren klare Antworten liefern. Zusätzlich sollte er durchaus wissen, wie ein Bot oder andere Instrumente der KI funktionieren – aber nur als Unterstützung seiner Arbeit und nicht als Ersatz. Ein detailliertes Wissen in jeglichen Bereichen der Finanzkommunikation und darüber hinaus ist heute demnach noch wichtiger denn je.
GoingPublic: Meine Herren, vielen Dank für das spannende Gespräch.
Dr. Martin Steinbach ist Partner und IPO Leader bei EY. Er verantwortet seit April 2011 den Bereich IPO und Listing Services in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Darüber hinaus leitet er das IPO Leader-Netzwerk in Europa, dem Mittleren Osten, Indien und Afrika
Kay Bommer (Rechtsanwalt, MBA) ist – mit einer Unterbrechung von 2011 bis 2012 – seit 2001 Geschäftsführer des DIRK – Deutscher Investor Relations Verband. Zudem ist er im Aufsichtsrat innovativer Aktiengesellschaften vertreten und nimmt Lehraufträge für Kapitalmarktrecht und Unternehmenskommunikation an renommierten Universitäten wahr
Interview: Svenja Liebig
Dieser Artikel erschien zuerst in unserem aktuellen Magazin