Handlungsbedarf bei Routine-TOP?
Jedes Jahr steht die Wahl des Abschlussprüfers auf der Tagesordnung der Hauptversammlung. Das ist normalerweise ein eher langweiliger Punkt der Agenda, zu dem es nicht viel zu berichten gibt – die Texte des Vorjahres werden mit „Copy“ und „Paste“ übernommen, das Geschäftsjahr aktualisiert und das war es. Derzeit gibt es jedoch rechtliche Entwicklungen, die es erfordern, sich zu diesem TOP etwas mehr Gedanken zu machen.
Wie so häufig in der aktuellen Rechtsentwicklung am Kapitalmarkt ergeben sich die Änderungen auch hier aus europäischem Recht. Seit Juni 2016 gilt die Abschlussprüfer-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 537/2014) europaweit unmittelbar und im Zuge dessen wurde auch das nationale Recht geändert. Mit Beginn des noch jungen Jahres 2017 wird die geänderte Rechtslage für viele Unternehmen bei der Durchführung ihrer Hauptversammlung erstmalig relevant.
Neue Vorgaben für die Prüferauswahl
Die neue Abschlussprüfer-Verordnung sieht Vorgaben für das Verfahren zur Auswahl des Abschlussprüfers vor, die im Rahmen der Vorbereitung der Hauptversammlung beachtet werden müssen. Allerdings sind diese Regelungen nicht für jedes Unternehmen relevant. Vielmehr gelten sie nur für sogenannte „PIE“. Dieser Begriff hat nichts mit dem griechischen Alphabet oder dem Verhältnis zwischen dem Umfang eines Kreises und seinem Durchmesser zu tun, sondern bezeichnet „Public Interest Entities“. Dies umfasst sogenannte kapitalmarktorientierte Unternehmen, d.h. Unternehmen, deren Wertpapiere an einem regulierten Markt in der EU zugelassen sind. Hinzu kommen bestimmte Banken und Versicherungen. Grundlage für die Auswahl des Abschlussprüfers muss hier ein durchgeführtes öffentliches Auswahlverfahren sein, wobei „öffentliches Verfahren“ nicht im Sinne eines Vergabeverfahrens zu verstehen ist. Vielmehr ist die Veröffentlichung auf der Internetseite des Unternehmens sowie im Bundesanzeiger ausreichend, um die Ausschreibung publik zu machen. Verantwortlich für die Ausgestaltung und Durchführung des Verfahrens ist der Prüfungsausschuss. Diesem obliegt die Verfahrensherrschaft. Gibt es keinen Prüfungsausschuss, ist der Gesamtaufsichtsrat zuständig. Die Aus
schreibung muss stets an transparente und diskriminierungsfreie Kriterien anknüpfen und in der Bewertung objektiv sein. Es muss allen Prüfungsgesellschaften, also auch solchen mit kleinem Marktanteil, möglich sein, an der Ausschreibung teilzunehmen.
Nach durchgeführtem Auswahlverfahren legt der Prüfungsausschuss dem Aufsichtsrat eine begründete Stellungnahme mit zwei möglichen Kandidaten und einer gewichteten Präferenz vor. Auf Grundlage dieses Berichts entscheidet sich der Aufsichtsrat für einen möglichen Abschlussprüfer und schlägt diesen der Hauptversammlung vor. Weicht er dabei von der Wahlempfehlung des Prüfungsausschusses ab, so hat er diese Abweichung der Hauptversammlung anzuzeigen und die abweichende Entscheidung zu begründen.