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Dieser Artikel ist Teil des neuen Going Public 1/2025, welches vor kurzem erschienen ist.

 

In einem kurzen, aber intensiven Wahlkampf war eines klar: Die Themen Kapitalmarkt und „Aktie“ spielen in den Wahlprogrammen der Parteien kaum eine Rolle. 

Die FDP führt mit vier Erwähnungen, inkl. Aktienrente und Venture Capital, während sich die CDU auf zwei Nennungen zum Aktienrecht beschränkt. GRÜNE und die SPD erwähnen Aktien nicht, Die Linke nur im Kontext einer ­Ablehnung der Aktienrente und der Bahn AG. Die AfD nennt dreimal Aktien und ­sogar einmal ETFs.

Die Vernachlässigung zeigt ein grund­legendes Problem: Die Aktie hat in Deutschland keine Lobby. Während in anderen Ländern die Politik Chancen und den Mehrwert eines funktionierenden Kapitalmarkts längst erkannt hat, wird das Thema Börse im Bundestag schlichtweg ignoriert. In Berlin gibt es nun einmal keine Institutionen, die sich aktiv für den Aktienmarkt ­einsetzen. Viele politische Akteure stehen Unternehmen und der Wirtschaft ohnehin kritisch gegenüber – für die Themen Aktien und Kapitalmarkt bleibt da erst recht kein offenes Ohr. Dabei könnte ein effizienter Kapitalmarkt einen bedeutenden Beitrag für die Finanzierung von Zukunftsherausforderungen leisten.

Kurszettel in gesetzlich ­regulierten Segmenten halbiert

Tatsächlich erleben wir das Gegenteil. Von einem Spitzenwert mit 750 Unternehmen vor rund 20 Jahren hat sich die Zahl der in gesetzlich regulierten Marktsegmenten ­notierten Unternehmen auf rund 370 halbiert – und das, obwohl in dieser Zahl noch Firmen enthalten sind, die ihren Abschied von der Börse bereits angekündigt, aber noch nicht vollzogen haben.

Es braucht nicht nur dringend eine Lobby für die Aktie, sondern zugleich vertrauens­bildende Maßnahmen aus der Wirtschaft. Dann ließe sich mit dem Kapitalmarkt Großes erreichen.

Besserung ist nicht in Sicht, denn ­welche Anreize gibt es für einen Mittelständler, sein Unternehmen an die Börse bringen? Um sich in einem Übermaß an ­Regulierung zu verlieren? Oder weil Investoren ohnehin wenig Interesse an kleinen und mittelständischen Unternehmen ­zeigen? Vielversprechende Start-ups zieht es längst in die USA. Die FAZ beschrieb es kürzlich treffend: In den USA gehen Unternehmen an die Börse, weil sie dort bessere Finanzierungen erhalten als durch private Geldgeber – in Deutschland geschieht das oft erst, wenn alle anderen Finanzierungswege ausgeschöpft sind.

Doch was ließe sich mit einem funktionierenden Kapitalmarkt alles realisieren? Die Energiewende könnte so wesentlich ­effizienter finanziert werden. Infrastrukturprojekte würden nicht am Geld scheitern. Was ist mit den viel gerühmten und selten realisierten Public-Private Partnerships (PPPs)? Start-ups könnten über die Börse leichter an Kapital für Forschung und Innovation gelangen – wenn das Umfeld stimmen würde.

Neuer Bundestag bietet kaum Hoffnung für Besserung

Der neue Bundestag – noch vor der Bildung einer neuen Regierung – lässt kaum Hoffnung zur Wende. Aktien haben dort keine Lobby. Und dabei sollte der Erfolg des ­norwegischen Staatsfonds doch inspirieren. ­Allerdings ist nicht nur die Politik in der Verantwortung: Auch Kapitalmarkt und Wirtschaft selbst haben einiges an Vertrauen im Umgang mit der Politik verspielt.

Fazit

Es braucht also nicht nur dringend eine Lobby für die Aktie, sondern zugleich vertrauensbildende Maßnahmen aus der Wirtschaft. Dann ließe sich mit dem Kapitalmarkt Großes erreichen. Um den Kapitalmarkt zu stärken, müsste eine neue Regierung viele regulatorische Vorgaben auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Und wenn sich eine neue Koalition nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt, dann wäre zumindest die Aktienrente ein Fortschritt für alle.

Autor/Autorin

Susan Hoffmeister

Susan Hoffmeister ist Gründerin und Geschäftsführerin der Kapitalmarktberatung CROSS ALLIANCE.

Dr. Götz Schlegtendal

Götz Schlegtendal ist Managing Partner bei CROSS ALLIANCE.