Das GoingPublic Magazin sprach mit Fondsmanager Florian Homm über das Wesen von Short-Spekulationen und warum sie für einen Interessenausgleich an Kapitalmärkten unerlässlich sind – zumindest sein sollten.
GoingPublic: Herr Homm, haben Sie im Frühjahr den Fall Wirecard – egal ob aus der Ferne oder der Nähe – etwas verfolgt und wie beurteilen Sie das Eingreifen der BaFin mit Verweis auf mögliche Finanzmarktinstabilitäten?
Ein Verbot von Leerverkäufen ist allgemein ja nicht ganz neu…
…in der Tat zuletzt im Zuge der Finanzmarktkrise 2008/09. Mit Betonung auf Krise.
Einen Einzeltitel auszusetzen, noch dazu wie hier bei Wirecard unter Hinweis auf die Finanzmarktstabilität, ist eine Intervention, von der ich überhaupt nichts halte. Eine effiziente Preisfindung ist für alles Geschehen am Kapitalmarkt absolut essenziell. Ohne Leerverkäufe wären die Preisblasen bei fragwürdigen Unternehmen wie Enron, Arcandor oder WorldCom damals noch wesentlich weitergelaufen – und der zwangsläufige Crash noch viel härter ausgefallen. Gäbe es keine Shortseller, stünden einem völlig unbegrenzten Aktien-Push Tür und Tor offen. Andere Marktmeinungen als die steigender Kurse müssen zwangsläufig auch erlaubt sein – und umsetzbar. Das ist eine Frage effizienter Kapitalallokation.
Ist das Verbot von Leerverkäufen eine veritable Einschränkung der Meinungsfreiheit am Kapitalmarkt?
Und genau deswegen generell zu verurteilen. In London oder New York würde ein Eingriff wie bei Wirecard zu hohlem Gelächter führen.
Was halten Sie vom Argument, dass Shortselling eigentlich nur das Pendant vom Aktienkauf auf Kredit ist – nur, dass letzteres allgemein akzeptiert, sogar üblich ist und nie verboten wird?
Der Vergleich ist nicht von der Hand zu weisen. Und noch mehr: Shortseller agieren ganz selten mit Hebel, also zusätzlichem Fremdkapital. Bei einer Long-Spekulation ist das aber gang und gäbe. Deswegen sind solche Indikatoren auch gut für die Prognose von möglichen Crashs. Also was ist da spekulativer und führt zu Exzessen: Shortselling oder gehebelte Long-Spekulationen?
Nach welchen Kriterien wählen Sie Unternehmen aus, die quasi short-fähig sind? Überbewertete Aktien gibt es sicherlich viele, aber nur wenige, für deren Normalisierung ihrer Überbewertung man seine Hand ins Feuer halten würde.
Überbewertung allein reicht natürlich bei Weitem nicht. Denn die kann theoretisch Niveaus erreichen, die man sich heute noch gar nicht vorstellen kann. Auch kann ein Unternehmen in seine zunächst hohe Bewertung hineinwachsen. Das kann es also nicht sein. Ich habe stets nach Kapitalvernichtern Ausschau gehalten, also Unternehmen, die ihren Shareholder Value herunterwirtschaften. Liberale, noch eher aggressive Bilanzpraktiken sind ebenfalls ein wichtiger Indikator. Zyklik, kapitalintensive Branche, schwache Konkurrenzposition. Und bringen wir es mal auf den Punkt: Für ein Shortselling sucht man sich nicht das stärkste Unternehmen der Branche aus, sondern den überteuerten, Wert vernichtenden Rohrkrepierer oder die Zombie-Firma, um hier einen Begriff von Buchautor Markus Krall zu übernehmen.
Thema IR – inwieweit sind Short-Attacken gegen einen Emittenten die Folge einer offenbar schlechten IR-Arbeit des betroffenen Unternehmens?
Investor Relations sind definitiv ein Teilaspekt. Vergessen wir nicht, dass kein Shortseller die geringste Chance gegen ein erstklassig gemanagtes Unternehmen hat, mit guten Cashflows und ordentlicher Marktposition. Lassen Sie mich hier zu Wirecard als Beispiel zurückkehren: Die Bilanz ist eher straff und durch die Softbank-Anleihe mittelfristig gestärkt, die Branche hat Rückenwind und die Eigenkapitalrendite ist relativ attraktiv. Das sind drei Kriterien, die Wirecard für mich nicht als einen klassischen Short-Kandidaten ausweisen.
GoingPublic: Herr Homm, danke für Ihre wie gewohnt kurzweiligen und interessanten Einschätzungen!
Das Interview führte Falko Bozicevic und erschien zuerst in der Juni-Ausgabe des GoingPublic Magazins.
Florian Homm wurde bekannt als Co-Gründer der auf kleine und mittlere Unternehmen spezialisierten Investmentgesellschaft Value Management & Research AG (VMR) und später als Gründer des Hedgefonds Absolute Capital Management Holdings Ltd. (ACM). Nach einer wechselvollen und ereignisreichen Episode in Übersee ist Homm seit 2014 zurück in Deutschland. Mit seinem neuen Long-Short Investment Brief hat er seit Ende 2017 rund 40% Total Return nach Abzug aller Kosten generiert.