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Der Einsatz von W&I-Versicherungen wird auch beim Verkauf einzelner Geschäftssparten größerer Konzerne zunehmend selbstverständlich. Gerade bei komplexen internationalen Gestaltungen erfordern diese Szenarien aufgrund ihrer strukturellen Besonderheiten angepasste Lösungen – sowohl in der Due Diligence als auch bei der vertraglichen Gestaltung. In ganz besonderem Maße gilt dies für die Deckung von steuerlichen Risiken.
Infolge des Kapitalbedarfs zahlreicher Unternehmen aufgrund der COVID-19-
Pandemie hat sich ein bereits zuvor zu beobachtender Trend beschleunigt: In großem Umfang entscheiden sich breit aufgestellte Konzerne, einzelne Sparten zu veräußern, um sich im verbleibenden Kerngeschäft den Herausforderungen der Digitalisierung, neuer Wettbewerber und eines sich international weiterhin rasant verändernden Umfelds stellen zu können. Die zur Umsetzung erforderlichen Carve-out-Transaktionen zeichnen sich in verschiedener Hinsicht durch besondere Komplexität aus.
Regelmäßig sind die zu veräußernden Unternehmensteile nicht nur operativ tief in den bisherigen Konzern integriert, sondern stellen auch rechtlich keine abgeschlossene Einheit dar. Dementsprechend liegen für die zu veräußernde Zielgruppe häufig weder (geprüfte) Jahresabschlüsse noch passgenaue Steuererklärungen oder -prüfungen vor und es stellen sich komplexe Fragen sowohl bei der Kaufpreisgestaltung als auch bei der Zuordnung einzelner Vermögensgegenstände, beim Umgang mit etwaigen Fehlallokationen und bei den erforderlichen Transitional Services seitens des Verkäufers.
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Trotz der Komplexität hat sich die Nutzung von M&A-Versicherungen auch bei Carve-outs inzwischen großflächig durchgesetzt, nachdem sie in „klassischen“ M&A-Transaktionen einschließlich Private-Equity-Investments und Nachfolgethemen sowie bei Joint Ventures auch im Falle kleinerer und mittlerer Transaktionen schon länger zum Marktstandard geworden war.
Due Diligence
Bei der Due Diligence im Rahmen einer Carve-out-Transaktion macht es einen grundsätzlichen Unterschied, ob die Ausgliederung in eine eigenständige rechtliche Konstruktion vorbereitend vollständig umgesetzt wurde und es idealerweise bereits einen geprüften Jahresabschluss gibt, oder ob erst im Rahmen der Transaktion, häufig eines gemischten Share/Asset Deals, die diversen Bestandteile der zu veräußernden Sparte aus dem Konzern herausgelöst werden.
Im ersten Fall handelt es sich letztlich um einen verhältnismäßig regulären M&A-Prozess, bei dem die bereits erfolgte rechtliche und bilanzielle Separierung Gegenstand der Due Diligence ist, aber keinen spezifischen Schwierigkeiten begegnet; dies gilt insbesondere in solchen Fällen, in denen sich auch konzerninterne Dienstleistungen auf einen klar identifizierbaren Kernbestand beschränken, der auch im Anschluss an die Transaktion übergangsweise in weitgehend unveränderter Form erbracht werden kann. Die Beendigung finanzieller Verflechtungen mittels Cashpools und Ergebnisabführungsverträgen ist in diesen Szenarien eine rein technische Frage.
Wesentlich komplexer gestaltet sich die Situation, wenn der Carve-out mittels der Transaktion durch direkte Übertragung an einen externen Dritten erfolgt. Nicht nur entfällt hier eine Übergangsphase, in der man sich auf den konzerninternen Goodwill verlassen kann, etwaige Unschärfen noch auszubügeln; auch ein gestaffelter Übergang in aufeinanderfolgenden Schritten ist nur eingeschränkt möglich. Diese Komplexität spiegelt sich im Erfordernis einer kleinteiligen Due Diligence, welche die ggf. über zahlreiche rechtliche Einheiten verstreuten Vermögensgegenstände ebenso abdeckt wie die möglicherweise ebenso verstreuten Mitarbeiter. Nochmals gesteigert wird dies, wenn die Transaktion zusätzlich einen Reverse-Carve-out beinhaltet, also nicht nur Gesellschaften und Vermögensgegenstände gekauft werden, sondern die zu kaufenden Gesellschaften zugleich bestimmte Assets zurücklassen und an den abgebenden Konzern übertragen. Hier ist sehr detailliert zu prüfen, welche potenziellen Haftungsrisiken bei den zu erwerbenden Gesellschaften verbleiben.
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Spezifischen Schwierigkeiten sieht sich gerade in der letzteren Gestaltung nicht nur die Legal Due Diligence ausgesetzt, sondern insbesondere die Financial- und Tax Due Diligence: Denn unter diesen Umständen kann sie regelmäßig nur auf ungeprüften Pro-forma-Bilanzen basieren. Gerade bei diesen ist es in der Praxis häufig der Fall, dass eine erhebliche Menge an Annahmen getroffen werden muss bzw. bestimmte Zuordnungen getroffen werden, die für die Berater des Käufers nicht ohne Weiteres zu erkennen sind.
Im Ergebnis folgt aus der Komplexität des Geschehens, dass eine für Zwecke der M&A-Versicherung hinreichende Due Diligence nahezu zwingend eine umfängliche Vendor Due Diligence beinhalten muss. Nur über den direkten Zugang zum Management im Rahmen der Vorbereitung der Transaktion und eine entsprechende Darstellung in den Vendor-Due-Diligence-Reports ist es möglich, dem Erwerber und damit der Versicherung die erforderliche Transparenz zu verschaffen. Dies gilt in ganz besonderem Maße für die in der Financial Due Diligence unterstellten Annahmen, insbesondere zu solchen Betriebsteilen und Assets, die im Wege von Asset Deals übertragen werden bzw. für die noch kein gesonderter Jahresabschluss vorliegt.