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IPO, Spin-off, Direct Listing: Unternehmen können beim Gang an die Börse zwischen verschiedenen Optionen wählen. Renata Bandov, bei der Deutschen Börse verantwortlich für den Bereich Pre-IPO & Capital Markets, klärt über die Unterschiede auf.
GoingPublic: Frau Bandov, Sie sind seit über 15 Jahren im Pre-IPO- & Capital-Markets-Bereich unterwegs. Was sind die häufigsten Motive von Unternehmen beim Gang an die Börse?
Bandov: In den meisten Fällen besteht ein langfristiger Finanzierungsbedarf, der nicht mehr allein aus dem eigenen Cashflow oder einer Bankfinanzierung gedeckt werden kann. Dafür gibt es vielfältige Gründe: die Internationalisierung des Geschäfts, eine Vergrößerung der Produktionskapazitäten, die Digitalisierung von Prozessen oder auch die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen. Insbesondere wenn es um große Volumina geht, bietet ein Börsengang neue Entwicklungschancen. Mit der Innenfinanzierung, Bankkrediten oder zusätzlichem Gesellschafterkapital sind diese Herausforderungen meist nicht mehr zu stemmen.
Sprechen wir über die verschiedenen Arten eines Börsengangs. Die bekannteste und meistgewählte Variante bleibt das IPO. Was passiert hier genau?
IPO steht für Initial Public Offering. Dabei platziert ein bislang noch nicht börsennotiertes Unternehmen weltweit erstmals Aktien an einer Börse – entweder als AG, KGaA oder SE. Das sind in der Regel Aktien der bisherigen Anteilseigner sowie neue Aktien, die aus einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft stammen. Die neuen Aktien werden vor dem ersten Handelstag an der Börse zunächst öffentlich zur Zeichnung angeboten. Die Gewinne daraus fließen der Gesellschaft zu, um beispielsweise das Wachstum langfristig zu finanzieren. Altaktionäre profitieren ebenfalls von der öffentlichen Platzierung der bestehenden Aktien. Sie haben dadurch die Möglichkeit, ihre Anteile zu verkaufen, um Liquidität zu generieren, oder weiterhin zu halten, um an der künftigen Entwicklung teilzuhaben.
Um den Verkauf von Anteilen ging es zum Beispiel beim IPO des schwäbischen Technologieunternehmens TeamViewer.
Genau, TeamViewer ging im September letzten Jahres an die Frankfurter Börse. Das IPO ermöglichte es dem Finanzinvestor Permira, der 2014 in TeamViewer investiert hatte, die Monetarisierung seiner Anteile anzustoßen. Das hat sich auch gelohnt: Innerhalb kurzer Zeit hat die Aktie hohen zweistelligen Zuwachs verzeichnet. Zudem hat die Gesellschaft neues Kapital von rund 1 Mrd. EUR aufgenommen, unter anderem für weitere Akquisitionen.
Der Technologie-Investor Brockhaus wiederum entschied sich im Juli dieses Jahres für eine sogenannte Privatplatzierung. Wie unterscheidet sich diese Variante vom klassischen IPO?
Bei einer Privatplatzierung, oder auch Private Placement, werden die Wertpapiere nicht öffentlich angeboten, sondern nur einem ausgewählten Investorenkreis zugänglich gemacht. Im Fall von Brockhaus Capital Management (BCM) beteiligten sich Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Mitarbeiter von BCM sowie Mitglieder der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften mit insgesamt 1 Mio. EUR an der Kapitalerhöhung. Eine solche Privatplatzierung unterliegt nicht der Prospektpflicht, wenn der Verkauf der Aktien ausschließlich an professionelle Anleger wie etwa Fonds erfolgt und es weniger als 100 Anleger sind. Die Aktien stammen in diesem Fall entweder von den Altaktionären oder aus einer Kapitalerhöhung.
Für Emittenten eröffnet die Privatplatzierung die Möglichkeit, ihr Unternehmen mit den neu eingeworbenen Mitteln weiter entwickeln zu können, ohne zwingend auf einen unmittelbaren Gang an den Kapitalmarkt angewiesen zu sein. Zudem kann man so die Transaktionssicherheit für das IPO erhöhen. Beteiligen sich bekannte Investoren im Vorfeld des IPO an der Gesellschaft, ist dies ein starkes positives Signal für die IPO-Vermarktung.
Blicken wir in die USA: Dort erfreuen sich Direct Listings zunehmender Beliebtheit. Werden wir in Deutschland auch bald mehr Direktplatzierungen sehen?
Direct Listings sind ein Trend, der hierzulande erst am Anfang steht. Grundsätzlich steht dem Vorhaben nichts im Wege: Die technischen und rechtlichen Möglichkeiten sind auch bei uns vorhanden. Aktuelle Beispiele sind iQ International oder FCR Immobilien. Im Grunde verfolgen IPO und Direct Listing das gleiche Ziel: Ein privates Unternehmen wird zum öffentlichen Handel an der Börse eingeführt und gelistet. Dadurch verändert sich die Eigentümerstruktur, und durch die Kapitalaufnahme vergrößert sich auch der Aktionärskreis.
Im Unterschied zum klassischen IPO werden beim Direct Listing lediglich bestehende Aktien des Unternehmens zum Börsenhandel zugelassen. Vor der Börseneinführung findet kein Bookbuilding-Verfahren statt, was den Listing-Prozess flexibler macht und die Kosten senkt. Einen vorab festgelegten Preis für den Erwerb der Aktien gibt es daher nicht und somit auch nicht das Risiko von Preis- und Bewertungsabschlägen. Der Preis wird am ersten Handelstag durch Angebot und Nachfrage ermittelt. Zudem werden die Anteile der Gründer und Altaktionäre nicht verwässert, da keine neuen Aktien ausgegeben werden.
Ein anderer großer Trend in den USA sind SPACs. In diesem Jahr sind in New York sogar mehr SPACs als klassische Unternehmen an die Börse gegangen. Was sind SPACs genau?
SPAC steht für Special Purpose Acquisition Company. Es handelt sich dabei um eine Mantelgesellschaft, die zunächst Kapital über einen Börsengang einsammelt, um das Kapital anschließend für die Übernahme eines noch nicht identifizierten, operativ tätigen Unternehmens zu verwenden – das wiederum nicht an der Börse notiert. Geldgeber und Managementteam definieren vorab einen Zeitraum zur geplanten Umsetzung. Kommt es dann nicht zum Vollzug, wird die SPAC liquidiert und die Investoren erhalten ihr Kapital inklusive Zinsen zurück. SPACs eröffnen Retail-Investoren so die Möglichkeit, an der Entwicklung von nicht börsennotierten Unternehmen zu partizipieren. Zudem erweisen sich SPACs als resistenter gegenüber Marktvolatilitäten, da sie nicht an ein enges Zeitfenster gebunden sind. Das Interesse an SPACS steigt auch in Deutschland. Die Frankfurter Börse hat die Rahmenbedingungen für Unternehmen geschaffen – einem SPAC-Listing steht also auch in Deutschland nichts im Wege.
In Deutschland las man zuletzt häufiger von sogenannten Spin-offs oder auch Carve-outs. Wann eignet sich diese Variante für den Börsengang?
Ein Spin-off oder ein Carve-out kann für Unternehmen im Zuge einer Neuausrichtung interessant sein. Beim Spin-off wird aus einem Unternehmen bzw. einem Konzernverbund ein Tochterunternehmen oder eine Sparte ausgegliedert – und es entsteht ein neues, eigenständiges Unternehmen. Bei einer solchen Ausgründung verteilt die Muttergesellschaft die Anteile der ausgegliederten Tochtergesellschaft anteilig an ihre bisherigen Aktionäre in Form einer Sonderdividende. Mit der Abspaltung der Siemens Energy vom Siemens-Konzern fand vor Kurzem in Frankfurt einer der größten Spin-offs in Europa statt.
Eine ähnliche Variante bietet der Carve-out. Anders als beim Spin-off eines Tochterunternehmens behält die Muttergesellschaft jedoch die Mehrheit am Unternehmen. Der Carve-out dient also primär der Kapitalbeschaffung, ohne eine komplette Abspaltung des Geschäftsbereichs anzustreben. Erfolgreiche Beispiele dafür sind die Abspaltung der DWS Group von der Deutschen Bank oder die Abspaltung von LANXESS von Bayer.
Frau Bandov, vielen Dank für das Gespräch.
Über die Interview-Partnerin:
Renata Bandov ist Head of Department Pre-IPO & Capital Markets bei der Deutschen Börse AG. Sie ist seit 2009 für die Gruppe Deutsche Börse tätig und verfügt als Volljuristin über mehr als 15 Jahre Kapitalmarkt- und Bankingerfahrung.