Ausnahme bei bestehenden Zustimmungskompetenzen der Hauptversammlung

Zudem steht es den Mitgliedsstaaten frei, im Einklang mit der Richtlinie bestimmte Transaktionen von den Transparenz- und Zustimmungspflichten auszunehmen oder Ausnahmen in das Ermessen der Gesellschaft zu stellen. Eine Ausnahme kann nach der Richtlinie unter anderem für Geschäfte bestehen, die nach nationalem Recht bereits einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.

Zwar führt der Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft die Geschäfte grundsätzlich weisungsfrei und unabhängig. Allerdings sieht auch das Aktiengesetz in bestimmten Fällen die Zustimmung der Hauptversammlung vor. Dieser bedarf es zum einen regelmäßig im Zusammenhang mit der Durchführung von Kapitalmaßnahmen. Dies gebietet schon der Schutz der Aktionäre, da in diesen Fällen deren Mitgliedschaftsrechte in der Regel unmittelbar betroffen sind. Eine weitere gesetzlich normierte Zustimmungskompetenz der Hauptversammlung besteht, wenn der Vorstand beabsichtigt, das gesamte Gesellschaftsvermögen zu übertragen. Daneben treten Strukturmaßnahmen nach dem Umwandlungsrecht, die grundsätzlich ebenfalls einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.

Neben den enumerativ im Gesetz angeführten Zuständigkeiten der Hauptversammlung haben sich durch die sogenannte „Holzmüller/Gelatine“-Rechtsprechung Fallgruppen ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen herausgebildet. Danach sollen jedoch nur ganz außergewöhnliche Maßnahmen, die eine wesentliche Veränderung der Unternehmensstruktur, zumeist im Zusammenhang mit der Ausgliederung oder Veräußerung wesentlicher Beteiligungen bzw. wesentlicher Betriebsteile, zur Folge haben der ungeschriebenen Zustimmungskompetenz der Hauptversammlung unterliegen. Die „Holzmüller/Gelatine“-Rechtsprechung hat in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt, da es keine gesetzlich normierten Voraussetzungen gibt, nach denen bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen als zustimmungspflichtige Transaktionen gelten und der Hauptversammlung zur Zustimmung vorzulegen sind. Ausschlaggebend ist somit stets die Prüfung im Einzelfall.

Eine Zustimmung der Hauptversammlung, die allein auf Grundlage der „Holzmüller/Gelatine“-Rechtsprechung erfolgt, wird aber eine Ausnahme von den Transparenz- und Zustimmungspflichten der Richtlinie wohl nicht begründen können. Denn der Wortlaut der Richtlinie stellt in diesem Zusammenhang auf „genau festgelegte Arten von Geschäften“ ab, für die nach nationalem Recht die Zustimmung durch die Hauptversammlung erforderlich ist. Hierfür dürften gesetzlich nicht normierte, von der Rechtsprechung herausgebildete, ungeschriebene Zustimmungserfordernisse wohl nicht ausreichend sein.

 

Fazit und Ausblick

Für die Praxis bleibt spannend, wie der deutsche Gesetzgeber die Anforderungen der reformierten Aktionärsrechterichtlinie umsetzen wird. Denn insbesondere im Bereich der Festlegung der Kriterien, die eine Related Party Transaction zu einer wesentlichen Transaktion machen, besteht für den nationalen Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum.

Der administrative Aufwand für börsennotierte Aktiengesellschaften wird jedenfalls im Hinblick auf die geforderten Transparenzpflichten erneut steigen. Im Hinblick auf das Zustimmungserfordernis zu Related Party Transaction steht zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber die Kompetenz zur Zustimmung aus Gründen der Praktikabilität dem Aufsichtsrat und nicht der Hauptversammlung einräumen wird. Somit wird bei börsennotierten Publikumsaktiengesellschaften ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand vermieden. Zu prüfen bleibt jedoch stets im Einzelfall, ob die in Frage stehende Related Party Transaction nicht ohnehin nach Gesetz oder in Anwendung der „Holzmüller/Gelatine“-Rechtsprechung der Zustimmungspflicht der Hauptversammlung unterliegt.

Autoren

Dr. Mirko Sickinger, LL.M., RA und Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek m.sickinger@heuking.de

Lena Pfeufer, RAin, und Salaried Partnerin, Heuking Kühn Lüer Wojtek l.pfeufer@heuking.de

 

Der Beitrag erschien zuerst in der Sonderausgabe  des hvmagazin, der HV-Recht