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2020 war ein schwaches IPO-Jahr – insbesondere wegen der COVID-19-Pandemie. Das ergibt die jährlich durchgeführte IPO-Studie der Kirchhoff Consult AG. Die Zahl der Börsengänge im Prime Standard stieg im Vergleich zum Vorjahr von drei auf fünf, blieb aber dennoch deutlich unter dem Median der letzten 30 Jahre. Dieser liegt bei zwölf Börsengängen. Zugleich reduzierte sich das Emissionsvolumen um fast 75% auf rund 0,9 Mrd. EUR. 2019 lag das Emissionsvolumen bei 3,6 Mrd. EUR.

„Der IPO-Markt wurde im Jahr 2020 von der COVID-19-Pandemie gebremst. Hinzu kam die Ungewissheit über den Ausgang der US-Wahl. In diesem unruhigen Umfeld mussten zahlreiche Unternehmen ihre Börsenpläne absagen oder verschieben“, erklärt Klaus Rainer Kirchhoff, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Kirchhoff Consult AG. Dass überhaupt Börsengänge umgesetzt wurden, beweist laut Kirchhoff, „wie viele zukunftsfähige Unternehmen wir in Deutschland haben“. Für das kommende Jahr zeigt sich der Experte zuversichtlicher: „Sofern sich die Hoffnungen auf die Wirkung der Impfstoffe bestätigen und sich die Pandemie abschwächt, erwarten wir, dass viele Unternehmen 2021 einen neuen Anlauf für ihren Börsengang nehmen.“

2020: Wenige IPOs, geringes Emissionsvolumen

2020 entwickelte der IPO-Markt sich in einem unsicheren Marktumfeld schwach. Die COVID-19-Pandemie, die damit einhergehenden Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und der folgende Wirtschaftseinbruch ließen den deutschen Leitindex DAX in der Spitze um rund 40 Prozent fallen. Die Zahl der Umsatz- und Gewinnwarnungen lag im ersten Quartal 2020 auf einem Rekordniveau. Andere Indizes reagierten ähnlich stark. Die US-Wahl stellte im Herbst einen weiteren Risikofaktor dar.

Dennoch erholten sich die Aktienkurse insgesamt, sodass der DAX Ende November (Stand 30.11.20) ein Plus von rund 0,3% seit Jahresbeginn verbuchte. Grund dafür waren laut Kirchhoff Consult insbesondere die Abschwächung der Pandemie in den Sommermonaten und die nach wie vor expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Zudem erreichten die US-Börsen neuen Rekordhöhen. Aktien boten vielversprechende Renditen. In diesem Umfeld gelang dem Rüstungskonzern HENSOLDT mit einem Emissionsvolumen von 402,7 Mio. EUR der größte IPO des Jahres in Deutschland – das sind mehr als 40% des Gesamtemissionsvolumens. Mit Knaus Tabbert (Wohnmobile), PharmaSGP Holding (Pharma) und Compleo Charging Solutions (Ladesäulen) gingen drei Unternehmen an die Börse, deren Branchen trotz der COVID-19-Pandemie wuchsen.

Im Börsensegment Scale feierten im Jahr 2020 zwei Unternehmen ihr Debüt, nachdem es im Vorjahr keine IPOs gegeben hatte. fashionette und EXASOL kamen zusammen auf ein Emissionsvolumen von rund 200 Mio. EUR und erzielten damit den bisher höchsten Wert innerhalb eines Jahres im Scale.

Mittelstandsanleihen 2020 erneut mit Rückgang

Am Markt für neue Mittelstandsanleihen wurden bis Ende November 27 neue Anleihen begeben – vier weniger als im Gesamtjahr 2019. Das Gesamtemissionsvolumen belief sich auf 938 Mio. EUR – ein Minus von 33% (2019: 1,39 Mrd. EUR). Bis Jahresende könnten noch weitere Neuemissionen folgen. Auch der Anteil der Vollplatzierungen lag mit 37% deutlich unter dem Vorjahresniveau (2019: 65%). Die Unternehmen erreichten insgesamt 74% des angestrebten Zielvolumens und damit weniger im Vorjahr (2019: 81%). Der durchschnittliche Kupon blieb unverändert bei 5,5% (2019: 5,5%).

Wie in den beiden Vorjahren dominierten Anleihen aus dem Immobiliensektor den Markt für neue Mittelstandsanleihen. 10 der 27 Bonds stammten aus der Immobilienbranche bzw. dem Bausektor. Sie emittierten Anleihen mit einem Gesamtvolumen von 612 Mio. EUR. Drei der vier Anleihen mit einem Volumen von mindestens 100 Mio. EUR kamen aus dieser Branche.

2021: Anstieg bei Börsengängen und Mittelstandsanleihen erwartet

Nach zahlreichen abgesagten und verschobenen IPOs in den letzten beiden Jahren ist die Kandidaten-Pipeline prall gefüllt. Kirchhoff beruft sich auf offizielle Informationen und Marktgerüchte und geht davon aus, dass derzeit rund 100 Unternehmen einen Börsengang anstreben. Einige dieser Unternehmen könnten laut Agentur eine Marktkapitalisierung in Milliardenhöhe erreichen. Dazu zählten Suse (Unternehmenssoftwareentwickler), Springer Nature (Wissenschaftsverlag), Wintershall (Ölkonzern) und About You (Online-Modehändler).

Sofern sich die aktuellen Hoffnungen auf die Wirkung der Impfstoffe bewahrheiten und die COVID-19-Pandemie beherrschbarer wird, könnten 2021 laut Kirchhoff einige Unternehmen das IPO-Fenster nutzen. Die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und eine positive wirtschaftliche Entwicklung könnten ein attraktives Umfeld für Börsengänge unterstützen. Analysten gehen zudem davon aus, dass der DAX im Jahr 2021 weiteres Kurspotenzial hat und auf 14.000 Punkte steigt.

Vor diesem Hintergrund erwartet Kirchhoff Consult für das Jahr 2021 mit zwölf bis 15 Börsengängen deutlich mehr IPOs als 2020. Zugleich dürfte sich das Platzierungsvolumen deutlich erhöhen. Die gleiche Einschätzung gilt für den Markt für neue Mittelstandsanleihen.

Jens Hecht, Vorstand von Kirchhoff Consult: „Die Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft und eine Eingrenzung der COVID-19-Pandemie mehren sich. Zugleich sind viele attraktive Unternehmen bereit für die Börse. Daher erwarten wir daher eine deutliche Erholung am Markt für Börsengänge. Der Bond-Markt dürfte sich mit mindestens 30 neuen Mittelstandsanleihen ebenfalls positiv entwickeln.“

Autor/Autorin

GoingPublic Redaktion / iab