Bildnachweis: © Gerry Weber.

Die Kette an Insolvenzen im Bekleidungseinzelhandel reißt nicht ab. Bekannte Marken, wie Reno, Peek & Cloppenburg Düsseldorf, Görtz, Pölking, Surf4shoes, Salamander sowie Keller Sports und Schödlbauer gehören zu den Betroffenen. Die Beratungsgesellschaft Falkensteg zählt im Bekleidungseinzelhandel in Deutschland im ersten Quartal 2023 allein 27 Insolvenzfälle – das ist eine veritable Branchenkrise.

In dieser Woche haben zwei weitere große deutsche Modehändler einen Insolvenzantrag gestellt. Das prominentere Unternehmen dabei ist der börsennotierte Gerry Weber-Konzern. Es ist bereits die zweite Insolvenz innerhalb von fünf Jahren, denn im Jahr 2019 wurde eine Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Die GERRY WEBER International AG erklärte in einer Pressemitteilung, dass sie beim Amtsgericht in Essen ein Sanierungsverfahren nach dem seit Ende 2020 gültigen neuen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz StaRUG, einleiten will.

Bei einem StaRUG-Verfahren geht es normalerweise um eine rein finanzielle Restrukturierung – es werden also Verbindlichkeiten in einem erheblichen Maße abgebaut – vorausgesetzt es kommt zu einer Einigung mit der Mehrheit der Gläubiger. Zuletzt hatte die Nürnberger Leoni AG ein solches Verfahren angekündigt. Ein bekannter Fall war auch der Hemdenhersteller Eterna. Üblicherweise sind StaRUG-Verfahren allerdings nicht öffentlich und sie müssen auch nicht in den Insolvenzbekanntmachungen aufgeführt werden. Damit soll eine Einigung erzielt werden können, ohne dass die Krisensituation öffentlich werden muss.

Aktionäre sollen komplett leer ausgehen

Bei Gerry Weber sieht das Restrukturierungskonzept nun vor, dass ein vollständiger Kapitalschnitt vorgenommen und das Unternehmen von der Börse genommen wird. Die Aktionäre würden in diesem Fall – eine Einigung vorausgesetzt – vollkommen leer ausgehen. Wesentliche Anteilseigner sind Robus Capital Management, Whitebox Advisors, die zusammen fast 80% des Kapitals halten. Bei JPMorgan liegen knapp 15% und der Streubesitz beträgt gemäß den Angaben auf der Website 7,02%. Schon bei der ersten Insolvenz im Jahr 2019 mussten die Aktionäre auf ihre Anteile verzichten – darunter auch die Gründerfamilie. Robus Capital und Whitebox Advisors schossen damals frisches Kapital zu und bekamen dafür Eigenkapital am Unternehmen.

Die Börse reagierte entsprechend: Nach Bekanntwerden der Sanierungsmaßnahmen am Mittwoch gab der Aktienkurs von 6 EUR bis zur Mitteilung des geplanten StaRUG-Verfahrens am Donnerstag auf bis zu 1,30 EUR nach.

Filialnetz kommt auf den Prüfstand

„Mit der Initiierung eines präventiven StaRUG-Verfahrens wollen wir eine Neuordnung unserer Passivseite vornehmen. Parallel dazu werden wir unser deutsches Retail-Geschäft im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens operativ restrukturieren und das Unternehmen damit zukunftsfähig und resilienter aufstellen. Das Wholesale-Geschäft, der E-Commerce und auch das Auslandsgeschäft sind von den Maßnahmen nicht betroffen“, sagt Florian Frank, CFO von Gerry Weber in einer Pressemitteilung. Im Zuge des Sanierungskonzeptes beantragte Gerry Weber beim zuständigen Amtsgericht Bielefeld für den Betreiber des Filialnetzes, die GERRY WEBER Retail GmbH ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Zum Sanierungsgeschäftsführer wurde Christian Gerloff von GL Law aus München ernannt, er kennt das Unternehmen schon vom ersten Insolvenzverfahren. Gerloff ist derzeit auch mit der Sanierung der Reno-Muttergesellschaft HR Group beschäftigt – zuvor hat er u.a. das Insolvenzverfahren der Adler Modemärkte begleitet. „Das Sanierungsvorhaben ist eine notwendige Reaktion auf die äußeren Umstände. Der Retail muss insgesamt neu ausgerichtet werden. Hierfür wollen wir das Filialnetz der Zukunft bauen. Denn wir glauben fest an die Filiale. Gleichzeitig müssen wir heute jeden Quadratmeter Fläche auf den Prüfstand stellen“, so Angelika Schindler-Obenhaus, CEO von Gerry Weber. Bis Juli muss nun eine Einigung erzielt werden.

Das Unternehmen wurde 1973 gegründet, hat 2.100 Beschäftigte und ist in 54 Ländern vertreten.  Im Februar 2021 betrieb Gerry Weber rund 200 Geschäfte in Deutschland. Erst vor gut drei Jahren musste sich der Modehersteller mithilfe eines Insolvenzverfahrens vor dem Aus retten.

Deutsche Scotch & Soda insolvent

Der deutsche Ableger des Modehändlers Scotch & Soda hat ebenfalls Insolvenz angemeldet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter des Modehändlers ist Rechtsanwalt Georg F. Kreplin von Kreplin Kuhlmann Nasser bestellt worden. Der Insolvenzantrag erfolgte beim zuständigen Amtsgericht in Düsseldorf. Die niederländische Muttergesellschaft mit mehr als 250 eigenständigen Geschäften und rund 7.000 weiteren Verkaufsstellen hatte zum Jahresbeginn Insolvenz angemeldet. Vor wenigen Woche wurde die Gesellschaft dann von Bluestar Alliance übernommen.

Autor/Autorin

Alexander Görbing

Als Redakteur der Schwesterpublikation Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.