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Der von den Bundesministerien der Finanzen und der Justiz in die Ressortabstimmung gegebene Referentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG-E) stellt einen großen Schritt vorwärts dar, um den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern, den Finanzstandort Deutschland zu modernisieren und überdies die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für Start-ups und in diesem Bereich tätige Fonds zu verbessern.
Der Gesetzgeber sucht in dem nun vorliegenden Referentenentwurf die erkannten Defizite, die das im Juli 2021 in Kraft getretene Fondsstandortgesetz hinterlassen hat, zu beheben. Die wesentlichen Änderungen des Gesetzes, das mit wenigen Ausnahmen am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten soll, sind im Folgenden kurz dargestellt, Kommentierungen des Fachautors sind kursiviert.
Steuerrechtliche Rahmenbedingungen
Die durch die Unschärfe des bei der Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 8 lit. h UStG verwandten Begriffs „Wagniskapitalfonds“ entstandene Unsicherheit, ob hierunter nur Venture Capital- oder auch Private Equity-Fonds fallen sollen, wird behoben (Art. 17 ZuFinG-E): Durch die vorgenommenen Streichungen wird die Verwaltung aller alternativen Investmentfonds iSv § 1 Abs. 3 KAGB von der Umsatzsteuer befreit. Damit wird eine längst überfällige Gleichstellung in Deutschland beheimateter Kapitalverwaltungsgesellschaften von AIF im europarechtlichen Umfeld erreicht und ein wesentlicher Standortnachteil behoben.
Der Steuerfreibetrag für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung nach § 3 Nr. 39 EStG soll von derzeit EUR 1.440 auf EUR 5.000 erhöht werden. Dies mag für Aktienoptionsprogramme etwa börsennotierter Gesellschaften von Bedeutung sein, nicht aber im Start-up-Bereich, da hier die Mitarbeiterbeteiligung nicht jährlich in kleinen Schritten erfolgt, sondern auf das einmalige Ereignis eines möglichst erfolgreichen Exits ausgerichtet ist. Überdies bleibt es dabei, dass nach § 3 Nr. 39 S. 2 EStG die Mitarbeiterbeteiligung allen mindestens 1 Jahr Beschäftigten angeboten werden muss; im Start-up-Umfeld wird sie aber nur ausgewählten Kräften angeboten.
Von wesentlicher Bedeutung für die Mitarbeiterbeteiligung im KMU-Bereich ist hingegen, dass der Anwendungsbereich von § 19a EStG zur aufgeschobenen Lohnbesteuerung des geldwerten Vorteils einer eingeräumten Mitarbeiterbeteiligung deutlich ausgeweitet und überdies der Dry Income-Besteuerung wie folgt entgegengewirkt wird:
- Verdoppelung der KMU-Voraussetzungen, also Erfassung auch von Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern, Jahresumsatz von EUR 100 Mio. und einer Jahresbilanzsumme von EUR 86 Mio. sowie Ausweitung des maßgeblichen Gründungszeitpunkts von 12 auf 20 Jahre vor dem Beteiligungszeitpunkt. Für den Großteil von Start-ups (mit Ausnahme einiger weniger Unicorns) vermutlich eher irrelevant.
- Finale Besteuerung nicht schon nach 12, sondern erst nach 20 Jahren. Auch diese Verlängerung des Zeitraums ist wegen der höheren Fluktuation, aber auch der geringeren Haltedauer von VC-Beteiligungen, die allein schon auf der befristeten Laufzeit von VC-Fonds und dem hieraus resultierenden Exit-Druck beruht, im Start-up-Umfeld von eher geringer praktischer Bedeutung.
- Maßgeblichkeit der im Leaver-Fall tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Vergütung statt des höheren geldwerten Vorteils bei Einräumung der Beteiligung durch Einfügung eines zweiten Halbsatzes in § 19a Abs. 4 EStG. Dies behebt systemwidrige Belastungen von Mitarbeitern insbesondere dann, wenn Fälle der Eigenkündigung als Bad-Leaver-Fall qualifiziert sind und daher Mitarbeiter zum Buchwert abgefunden werden.
- Durch § 19a Abs. 4a EStG-E erhält der Arbeitgeber die Möglichkeit, anstelle der anhand der individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale nachzuholenden Besteuerung einen Pauschalsteuersatz von 25% anzusetzen. Dies kann von großem praktischen Nutzen sein und führt zu einer Besteuerung, die dem internationalen Vergleich Stand hält.
- Erklärt der Arbeitgeber in den Fällen eines Ausscheidens oder spätestens nach 20 Jahren bei der dann folgenden Lohnsteueranmeldung unwiderruflich, dass er im Fall der späteren Übertragung der Beteiligung für die Lohnsteuer haftet, erfolgt die Besteuerung nach § 19a Abs. 4b EStG-E erst beim späteren Verkauf. Auch diese Regelung dient der Vermeidung einer möglichen Dry Income-Besteuerung und stellt den Steueranspruch des Fiskus auch in Fällen sicher, in denen Mitarbeiter unbekannt ins Ausland verzogen sind. Für Bad Leaver-Fälle wird der Arbeitgeber jedoch schwerlich freiwillig eine solche Haftung übernehmen.
Anstelle dieser (entsprechend den deutschen Eigenheiten) immer komplexer werdenden Regelungen wäre eine einfachere Besteuerung mit 25% bei Verkauf der Beteiligung sicher praktikabler. Nicht abgeholfen ist bislang den Unsicherheiten der Bewertung, da die durch § 19a Abs. 5 EStG vorgesehene Anrufungsauskunft des Betriebstättenfinanzamts erst nach Übertragung einer Vermögensbeteiligung eingeholt werden kann und damit die im Vorfeld bestehenden Unsicherheiten nicht behebt.
Besserer Zugang zum Kapitalmarkt
Hier sieht das ZuFinG im vorliegenden Entwurf eine Absenkung der Mindestmarktkapitalisierung für einen Börsengang in § 2 Abs. 1 S. 1 BörsZulV-E von derzeit 1,25 Mio. EUR auf € 1 Mio. EUR vor, Art. 4 ZuFinG-E.
Der Entwurf ermöglicht die Ausstattung von Namensaktien mit Mehrstimmrechten (dual class shares) bis zum 10-Fachen der einfachen Stimmen, im Fall von börsennotierten Gesellschaften bis zur Übertragung der Aktie, spätestes 10 Jahre nach Börsennotierung, siehe § 134 Abs. 2 AktG-E, Art. 12 Nr. 9 ZuFinG-E. Dies soll den Einfluss von Gründern auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens nach einem Börsengang sichern, so wie in anderen Rechtsordnungen möglich.
Vorgesehen ist die Anhebung der Grenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss im Aktienrecht von bisher 10 % auf 20 %, §186 Abs. 3 S. 4 AktG-E, sowie eine Erhöhung der Grenzen des bedingten Kapitals insbesondere für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung von 10 % auf 20 %, § 192 Abs. 3 S. 1 AktG-E, Art. 12 Nrn.10, 11 ZuFinG-E.
Geplant ist die Einführung spezieller Regelungen für eine Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG, Art. 10 ZuFinG-E mit neuem Abschnitt 4a im Anschluss an § 43 BörsG-E).
Das Vorbild der Special Purpose Acquisition Company (SPAC) aus den USA ist in der letzten Zeit eher wieder aus der Mode gekommen, doch werden durch diese neu eingefügten Regeln die bisherigen Friktionen mit den allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen behoben. Insb. wird durch § 46 BörsG-E klargestellt, dass die Hauptversammlung über die Zieltransaktion zu entscheiden hat. Ferner sollen Aktionäre, die hiergegen Widerspruch eingelegt haben, nach § 47 BörsG-E das Recht auf Andienung ihrer Aktien gegen Abfindung in Höhe der geleisteten Bareinlage haben; zum Zweck der Bedienung dieser Abfindungsansprüche soll die für den Erwerb eigener Aktien vorgesehene Grenze von 10 % in § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG auf 30% des Grundkapitals erhöht werden, womit ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr ausgeschlossen wird. Ob dies zu einer Wiederbelebung eines indirekten Börsengangs über eine BMAG führt, bleibt abzuwarten.
Der Entwurf sieht eine Angleichung der Haftungsregeln für Anlagebasisinformationsblätter beim Crowdinvesting vor in §§ 32c, d WpHG-E an diejenigen des WpPG und des VermAnlG für die Projektträger und Dienstleister nach der VO (EU) 2020/1503, Art. 5 ZuFinG-E.
Modernisierung des Finanzmarkts
Hier gibt es eine Ausnahme der AGB von Finanzdienstleistern in Verträgen über erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen von der AGB-Kontrolle, bei KMU-Dienstleistern, wenn diese für das vertragsgegenständliche Geschäft eine aufsichtsrechtliche Genehmigung haben, § 310 Abs. 1a BGB-E, Art. 2 ZuFinG-E.
Die Ausgabe von Namensaktien als elektronische Aktien, die in ein Kryptowertpapierregister gem. § 16 eWpG eingetragen werden und bei denen die Verbriefung in diesem Fall auszuschließen ist, wird zugelassen, § 10 Abs. 6 AktG-E iVm § 67 Abs. 1 S. 2 AktG-E, Art. 12 ZuFinG-E.
Dies entspricht dem Ziel des ZuFinG-E, den deutschen Finanzmarkt zu digitalisieren und zu entbürokratisieren. Doch erscheint im Hinblick auf die vorgesehene Digitalisierung von Aktien das notarielle Formerfordernis für die Übertragung von Geschäftsanteilen, sei es bei der GmbH oder auch der UG (haftungsbeschränkt), und die Verpflichtung hierzu nach § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG nun erst recht wie ein Fremdkörper.
Da der mit diesem Formerfordernis verbundene Zweck einzig und allein die Verhinderung eines spekulativen Handels mit Geschäftsanteilen ist und dieser Zweck bereits durch die mögliche Vinkulierung und die durch das MoMiG eingeführte Gesellschafterliste erfüllt wird, sollte dieses Formerfordernis, auch im Hinblick auf die damit verbundene Erleichterung einer Mitarbeiterbeteiligung, im Rahmen des ZuFinG-E abgeschafft werden.
Autor/Autorin
Dr. Wolfgang Weitnauer
Dr. Wolfgang Weitnauer ist Partner der Kanzlei Weitnauer Partnerschaft mbB. Er berät schwerpunktmäßig Beteiligungsgesellschaften und junge Technologieunternehmen in allen rechtlichen Themen von Finanzierungsrunden und bei Verkaufstransaktionen.