Erfinderhochburg, Stabilitätsanker, Musterbeispiel für die Verbindung aus wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung: Gerne rühmt sich Deutschland seiner starken mittelständischen Wirtschaft. Das Ausland blickt mit anhaltender Bewunderung auf den „German Mittelstand“ – und greift gerne zu, wenn sich Gelegenheiten zur Übernahme auftun. Doch bei Immobilieninvestoren scheint der Mittelstand (noch) keine große Rolle zu spielen. Von Nikolai Dëus-von Homeyer
Umso überraschender, dass die Stärken und Potenziale der mittelständisch geprägten Wirtschaft in Deutschland in den Strategien vieler nationaler und internationaler Immobilieninvestoren kaum eine Rolle zu spielen scheinen. Zwar haben auch internationale Anleger selbstverständlich verstanden, dass Deutschland anders als etwa Frankreich oder London multizentrisch strukturiert ist und es eben nicht den einen dominierenden Immobilienmarkt gibt. Doch über den Kreis der „Top 7“ hinaus wagen sich viele immer noch nicht hinaus. Auch deutsche Investoren neigen dazu, sich auf die Top 7 zu fokussieren: Vielen fehlt die lokale Expertise sowie die Kapazitäten für das aufwändige Asset Management der eher kleinteiligeren Immobilien.
Und auch im Hinblick auf die Vermietungssituation ist der Mittelstand in der Gunst der Immobilienanleger unterrepräsentiert, liegt ihnen doch das große Unternehmen mit einem langfristigen Mietvertrag näher als eine diversifizierte Gruppe kleinerer und mittlerer Firmen.
Beides führt dazu, dass sich Anleger Chancen entgehen lassen. Erstens Chancen auf attraktive Märkte: In der Bundesrepublik gibt es allein 70 Städte, die jeweils mehr als 100.000 Einwohner haben. Die deutschen Millionenstädte Berlin, München, Hamburg und Köln vereinen nur einen kleinen Teil der deutschen Bevölkerung auf sich – 90% leben eben woanders. Und viele der oft mittelständisch geprägten „Hidden Champions“, also Weltmarktführer, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle von Kapitalmarkt oder auch Medien agieren, haben ihren Sitz abseits der großen Metropolen. Entsprechend gibt es dort viele lebenswerte, durch Wohlstand geprägte Regionen mit einer starken Infrastruktur.
Doch nicht nur bei der Auswahl potenzieller Investmentstandorte macht es Sinn, „mittelständisch“ zu denken: das zweite große Chancenfeld für Investoren liegt im Immobilienbestand des deutschen Mittelstands: Mehr als 80% der Immobilien, in denen der deutsche Mittelstand seine Geschäfte betreibt, befinden sich auch im Eigentum des Unternehmens. Vielfach werden die Objekte aus immobilienwirtschaftlicher Sicht nicht professionell verwaltet, sodass sich hier durch ein entsprechendes Asset Management noch erhebliche Wertsteigerungspotenziale heben ließen – das gilt für Bürogebäude ebenso wie für Produktions- oder etwa Logistikobjekte.
Daran schließt sich der dritte Vorteil einer Mittelstandsstrategie im Immobilienbereich an: Immobilien oder Portfolien mit einer diversifizierten Mieterschaft aus mittelständischen oder kleineren Unternehmen stehen für einen stabilen Cashflow. Der Ausfall eines einzelnen Mieters fällt weniger stark ins Gewicht, wenn davon erstens nur ein kleiner Teil der Einnahmen betroffen ist und sich zweitens einfacher ein neuer Nutzen finden lässt, als wenn das Großunternehmen als möglicherweise einziger Nutzer den auslaufenden Vertrag nicht verlängert.
Weniger Nachfragedruck, noch zu hebende Ertrags- und Wertsteigerungspotenziale und ein stabiles und ausbalanciertes Portfolio: es lohnt sich auch für Immobilienanleger auf „German Mittelstand“ zu setzen.
Zum Autor
Nikolai Dëus-von Homeyer ist Managing Partner von NAS Invest, einem Investor und Asset Manager, der sowohl für institutionelle als auch für semi-institutionelle Anleger Immobilieninvestitionen strukturiert und verwaltet.
Der Artikel erschien zuerst in der August-Ausgabe des GoingPublic Magazins, die in den nächsten Tagen erscheint.
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