Die Bedeutung von CG für die weitere Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte Von Harald Bareit, Präsident, CFA Society Germany
Die Finanzbranche hat zuletzt durch zahlreiche Fälle von Sorgfaltspflichtverletzungen erheblich an Vertrauen in ihre Fähigkeit zur Selbstregulierung und effektiven Governance eingebüßt. Eine aktuelle internationale „Investor Trust“-Studie des CFA Institute unter 2.100 Anlegern vom August 2013 belegt diesen Trend. Danach ist das Vertrauen in Investment-Management-Firmen nur noch bei 53% der Befragten vorhanden – weit weniger als gegenüber anderen Branchen wie etwa der Telekommunikationsindustrie oder der Automobilbranche. Es gilt, das Thema Corporate Governance stärker an den Bedürfnissen und Interessen der Investoren zu orientieren.

Ausrichtung an den Anlegern
Infolge des Vertrauensverlusts müssen existierende Branchenstandards der Investmentindustrie hinterfragt und weiterentwickelt werden. Aus Sicht des CFA Institute wird die Zukunftssicherung der Branche in den nächsten Jahren maßgeblich mit der Bewältigung der Themen Anlegerschutz (Regulierung für den Vertrieb von Finanzprodukten, für Vergütungsstrukturen und Interessenkonflikte), Effektivität der Finanzmarktregulierung (bessere und professionelle Selbstregulierung statt Übertragung auf den Gesetzgeber) sowie Finanzbildung (für Verbraucher und Finanz-Intermediäre) einhergehen. Zudem müssen die Governance von Altersvorsorgereinrichtungen sowie Möglichkeiten zur Eindämmung systemischer Risiken und das Thema Kapitalmarktethik adressiert werden. Ein besonderer Stellenwert kommt den Anlegerrechten zu: Unser Verband ist der Meinung, dass in Deutschland über grundlegende Rechte von Anlegern und Sparen besser aufgeklärt und ein wirtschaftliches Umfeld geschaffen werden muss, das die Interessen der Investoren stärker in den Mittelpunkt rückt.
Investorenrechte und Corporate Governance
Das CFA Institute will erreichen, dass Anleger ihre Rechte gegenüber Verkäufern von Finanzprodukten besser kennen. Dafür hat der Verband das „Statement of Investor Rights“ entwickelt. Es bezieht sich – im institutionellen wie auch im Privatkundengeschäft – auf Finanzanalyse, Anlageberatung und Investment Management sowie auf Produkte und Dienstleistungen im Versicherungswesen und Immobilienbereich. Warum ist dies erforderlich? Weil das an kurzfristigen Gewinnen, Provisionen und Boni orientierte Denken im Vertrieb von Finanzdienst – leistungen eine der größten Herausforderungen an die Themen Ethik und Corporate Governance im Bankenund Finanzsektor ist. Fast ein Drittel (29%) der Studienteilnehmer der „Global Market Sentiment“-Umfrage bestätigt, dass mangelhafte Beratungsleistungen und nicht bedarfsgerechte Finanzprodukte erheblich auf die gesunkene Reputation der Branche einzahlen.
Knackpunkt Finanzbildung
Leider führen Anreizsysteme und Provisionsstrukturen noch immer häufig dazu, dass der Vertragsabschluss, nicht aber die Bedürfnisse des Kunden im Mittelpunkt stehen. Es bedarf einer besseren Finanzbildung in Deutschland, damit Anleger diese Interessenkonflikte kennen, reflektieren und einordnen können. Die Offenlegung von Interessenkonflikten seitens der Emittenten oder Verkäufer ist ein Recht, das der Anleger jederzeit einfordern darf. Dies betrifft alle Informationen, die finanzielle Entscheidungen beeinflussen oder den Vorrang der Interessen des Kunden gegenüber denen des Emittenten oder Verkäufers aushebeln. Ein Beispiel solcher Interessenkonflikte ist die Vergütung nach Quantität statt Qualität, wenn Finanzdienstleister von ihren Arbeitgebern nicht danach bezahlt werden, wie Investments sich im Zeithorizont entwickeln, sondern wie viele Produkte sie verkaufen beziehungsweise wie viel Mittelzuflüsse in bestimmte Anlagen sie erreichen. Ein weiteres Beispiel ist der Verkauf von Finanzprodukten, die dem Vermittler eine hohe Provision versprechen, anstatt dem Kunden das fast identische, wesentlich günstigere Produkt zu verkaufen. Das CFA Institute wird sich auf EU-Ebene für eine strengere Regulierung des Vertriebs von Finanzprodukten sowie eine weitere Harmonisierung von Anlegerschutz- und Corporate-Governance-Regelungen einsetzen. International ist dabei – gemeinsam mit den Behörden und Standardsetzern – die Aufgabe, auf eine Vermeidung aufsichtsrechtlicher und regulatorischer Arbitrage in der Implementierung von nationalen, EU- und globalen Standards hinzuarbeiten. Kapitalmarkt-Trends
Fazit
Die Investmentindustrie ist aus unserer Sicht selbst in der Pflicht, die Integrität der Branche durch bessere Ausbildung der Akteure im Finanzmarkt wieder herzustellen. Dieses Thema sollte im ureigenen Interesse der Marktteilnehmer in Deutschland sein. Denn eine unzureichende Umsetzung der Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung (Corporate Governance) und ein ineffektiver Anlegerschutz werden sich immer auch auf die Anlagebereitschaft in deutsche Wertpapiere – und damit potenziell auf Wachstum und Beschäftigung in Deutschland – auswirken.
Autor/Autorin
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